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Children´s World Report 2020: Studie zum Wohlbefinden von Kindern in 35 Ländern
FRANKFURT. Geht es Dir gut – zu Hause, in der Schule, in Deinem Viertel? Machst Du Dir Sorgen, dass Deine Familie nicht genug Geld hat? Rund um den Erdball - von Neapel bis Norwegen, von Albanien bis Chile - wurden zwischen 2017 und 2019 acht- bis zwölfjährige Kinder zu ihrem Wohlbefinden befragt. Federführend bei der globalen Erhebung von 128.000 Kindern in 35 Ländern waren Wissenschaftler aus sechs Ländern, darunter die Sozialpädagogin Prof. Sabine Andresen von der Goethe-Universität. Nun wurden erste allgemeine Ergebnisse des „Children´s World Report 2020“ veröffentlicht.
„Wenn wir wissen wollen, wie es Kindern geht und wo sie Mangel
leiden“, erklärt Andresen, „und wenn Politik ihnen auch helfen soll, müssen wir
Kinder selbst befragen. Dass uns nun Antworten aus so vielen Ländern vorliegen,
deren Lebensstandard und Kultur kaum unterschiedlicher sein könnten, ist
einzigartig. Das gibt uns Daten für viele vertiefende Fragen an die Hand.“ Gibt
es Erfahrungen, interessierte die Wissenschaftler zum Beispiel, die alle Kinder
ähnlich beantworten?
Wo auch immer sie auf dem Erdball wohnen - Kinder beantworten die
Frage nach ihrem Wohlbefinden grundsätzlich positiv. Dabei mag überraschen,
dass die Länder Albanien, Rumänien, Kroatien und Griechenland in der Wertung der
Kinder die Spitzenplätze einnehmen (Deutschland rangiert auf Platz 20, am
unteren Ende liegen Malaysia, Hongkong und Vietnam). Die Wissenschaftler
vermuten, dass Zufriedenheit und Lebensstandard nicht unbedingt aneinander
gekoppelt sind.
Noch ist es zu früh für Schlussfolgerungen, beginnen die
Wissenschaftler erst, Antworten miteinander in Beziehung zu setzen. Ist es also
Zufall, dass wiederum in Albanien, Indien und Griechenland Kinder überwiegend
mit ihren Eltern zusammenleben? In Brasilien, Namibia und Südafrika sind es nur
etwas mehr als die Hälfte. Dagegen machen sich Kinder in Malaysia, Brasilien,
Namibia und Südafrika mehr Sorgen um die finanzielle Situation der Familie als
etwa in Norwegen und Finnland. Und: Je jünger die Kinder sind, desto besorgter
sind sie. Altersspezifische Unterschiede zwischen den befragten Acht-, Zehn-
und Zwölfjährigen arbeitet auch die detaillierte Frage nach dem Wohlbefinden
heraus: während die Zehn- bis Zwölfjährigen sich in Schule und Nachbarschaft
weniger wohl fühlen, äußern die Achtjährigen ein Unbehagen zu Hause.
Sind Mädchen oder Jungs besser drauf? Je nach Herkunftsland liegen
einmal die Jungen, ein anderes Mal die Mädchen im Wohlbefinden vorn. Eine
Tendenz zeichnet sich allerdings in der globalen Ländererhebung ab: Acht- bis
zwölfjährige Mädchen fühlen sich – anders als gleichaltrige Jungen – sicherer
in der Schule als in ihrem Viertel. Und: Sie rechnen fest mit der Unterstützung
ihrer Freundinnen.
Wenig Überraschungen bringt die Frage nach der digitalen Vernetzung
zutage: Während in Norwegen, Deutschland und Estland fast alle Kinder angeben,
über einen Internetanschluss zu verfügen, ist dies bei Kindern in Indonesien
nur bei knapp der Hälfte der Fall. In Nepal liegt ihr Anteil bei 30 Prozent.
Kulturelle Unterschiede in der Erziehung und nicht finanzielle
Gründe vermuten die Wissenschaftler allerdings bei unterschiedlichen Antworten
zum Handygebrauch: In Frankreich und der Schweiz gibt nur die Hälfte der acht-
bis zwölfjährigen Kinder an, über ein Handy zu verfügen (anders in Norwegen,
Finnland und Kroatien, wo es 95 von hundert Kindern sind). Damit liegen
Frankreich und Schweiz auf einer Linie mit Namibia.
„Wir müssen jetzt vertiefende Fragen an unsere Daten stellen“, so
Sozialpädagogin Andresen. „Interessant ist doch, welche Erfahrungen Kinder aus
Polen oder Rumänien machen, deren Eltern im europäischen Ausland arbeiten.
Welche Unterschiede gibt es bei Kindern innerhalb eines Landes? Gibt es ein
Armutserleben, das Kinder aus verschiedenen Ländern verbindet?“ Interessant sei
auch, jüngere Kinder zu befragen und deren Antworten mit den vorliegenden Daten
zu vergleichen.
Die repräsentative Befragung von Wissenschaftlern aus Bellville,
Frankfurt, Girona, Jerusalem, Seoul und York wurde von der in Zürich ansässigen
Jacobs Foundation gefördert. Die private Stiftung unterstützt
Forschungsprojekte und wissenschaftliche Einrichtungen im Bereich der Kinder- und Jugendentwicklung.
Sabine Andresen ist seit 2011 an der Goethe-Universität
Professorin für Sozialpädagogik und Familienforschung und Mitglied im IDeA
(Individual Development and Adaptive Education)-Zentrum. Ihre
Forschungsschwerpunkte sind Kindheits- und Familienforschung, Internationale
Child Well-Being Forschung, Kinder- und Familienarmut, sexueller Kindesmissbrauch
und seine Aufarbeitung (transitional justice) sowie Übergänge im
Lebenslauf.
Informationen zum Children´s Worlds Report 2020:
Zusammenfassung: https://isciweb.org/wp-content/uploads/2020/07/Summary-Comparative-Report-2020.pdf
Studie: https://isciweb.org/childrens-worlds-comparative-report-2020/
Prof‘in.
Dr. Sabine Andresen, E-Mail: S.Andresen@em.uni-frankfurt.de
Eisen-Transport-Protein wird in virus-infizierten Zellen hochreguliert
FRANKFURT. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität und des Universitätsklinikums Frankfurt sowie der britischen University of Kent haben herausgefunden, dass das Glykoprotein Transferrin womöglich ein Frühindikator für einen schweren Verlauf der COVID-19-Erkrankung ist.
Warum einige Patienten nach einer SARS-CoV-2-Infektion kaum oder
gar keine Symptome von COVID-19 entwickeln, während andere Patienten unter
schweren bis lebensbedrohlichen Verläufen der Krankheit leiden, ist derzeit
noch nicht bekannt. Man weiß jedoch, dass das Risiko eines schweren
COVID-19-Verlaufs mit dem Alter steigt und Männer häufiger als Frauen betroffen
sind. Schwere Krankheitsverläufe gehen häufig mit einer höheren Neigung zur
Bildung von Blutgerinnseln und mit Thrombosen einher.
Das Wissenschaftsteam aus Frankfurt und Kent haben bestehende
Genexpressionsdaten menschlicher Gewebe mit Daten verglichen, die aus
SARS-CoV-2-infizierten, kultivierten Zellen gewonnen worden waren. Dabei
suchten sie nach Molekülen, die an der Blutgerinnung beteiligt sind, deren
Vorkommen sich bei Frauen und Männern unterscheidet und sich mit dem Alter
verändert und die mit einer SARS-CoV-2-Infektion anders reguliert werden.
Aus mehr als 200 möglichen Kandidaten identifizierten die
Forscherinnen und Forscher das Glykoprotein Transferrin. Der molekulare
Eisen-Transporter ist ein Molekül, das die Blutgerinnung fördert. Seine
Konzentration im Blut steigt mit dem Alter, sie ist bei Männern höher als bei
Frauen und Transferrin wird in SARS-CoV-2-infizierten Zellen hochreguliert.
Daher könnte Transferrin ein Früh-Indikator sein für
COVID-19-Patienten, denen ein schwerer Krankheitsverlauf droht.
Publikation: Katie-May
McLaughlin, Marco Bechtel, Denisa Bojkova, Christian Münch, Sandra Ciesek, Mark
N. Wass, Martin Michaelis, Jindrich Cinatl, Jr.: COVID-19-Related
Coagulopathy - Is Transferrin a Missing Link? Diagnostics 2020, 10(8),
539; https://doi.org/10.3390/diagnostics10080539
Weitere Informationen:
Prof.
Dr. rer. nat. Jindrich Cinatl
Institut
für Medizinische Virologie
Universitätsklinikum
Frankfurt
Tel.:
+49 69 6301-6409
E-mail:
cinatl@em.uni-frankfurt.de
Der Politikwissenschaftler der Goethe-Universität gehört damit der renommierten internationalen Forschungsgemeinschaft auf Lebenszeit an
Bild zum Download finden Sie unter folgendem Link: http://www.uni-frankfurt.de/90326630
Bildtext: Für seine wissenschaftliche Arbeit ausgezeichnet: Politikwissenschaftler Rainer Forst
Universität wirbt in der Krise Spenden für talentierte Studierende ein
Apothekergenossenschaft Sanacorp stiftet 100.000 Euro für Goethe-Corona-Fonds
Frankfurter Wissenschaftler identifizieren mögliche Schwachstelle des SARS-CoV-2-Virus
Die jüngste Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ geht den Möglichkeiten der Digitalisierung an Schule und Hochschule nach
Für eine digitale Rückmeldung zum Lernprozess verwendet Drachslers Forschungsrichtung „Learning Analytics“ (LA) die Prozessdaten, die die Studierenden bei jedem Zugriff auf einem Computersystem hinterlassen. Diese Logdateien gleichen Spuren im Hintergrund, die aussagekräftige und auswertbare Informationen enthalten. Das sind neben Aktivität, Datum und Uhrzeit auch inhaltliche Angaben, die mit einer entsprechenden Software ausgewertet werden können. Ein vergleichbares Beispiel für eine solche Datenanalyse ist der Flugschreiber, dessen Auswertung nach einem Unfall Rückschlüsse auf die Abläufe im Cockpit zulässt.
Eine häufig im Lehrbereich verwendete Plattform ist beispielsweise „moodle“. Dort hinterlassen Schüler oder Studierende mit jeder Aktion – Downloads, Posts, Fragen oder Nachrichten – ihre Logdaten und damit auswertbare Informationen. „Diese Daten dürfen wir nutzen, solange sie anonym sind“, erklärt Drachsler den datenschutzrechtlichen Hintergrund. Häufig sei es aber sinnvoll, eine Einwilligung zu erbitten, um auch eine persönliche Analyse und damit personalisierte Hilfestellungen zu ermöglichen.
Lernen in zehn oder zwanzig Jahren wird ein Umdenken erfordern, ist sich der Informatiker sicher: „Wir müssen uns von einer Assessment-Kultur, also vom Hochleistungsdenken, zu einer Feedback-Kultur weiterentwickeln.“ So könne viel früher eingegriffen und Frust und zielloses Pauken vermieden werden. Die Hochschulen seien prädestiniert, hier voranzugehen. In den Schulen seien LA-Anwendungen auch aufgrund der sensitiven Daten von Minderjährigen problematisch.
Damit auch die Datensicherheit ausreichend Beachtung findet, prägte Drachslers Arbeitsgruppe den Begriff „Trusted Learning Analytics“. Zusammen mit der TU Darmstadt hat seine Arbeitsgruppe einen Verhaltenskodex für Universitäten erstellt. „Es ist uns ganz wichtig, dass wir hier nicht ‚big brother' spielen, sondern die Studierenden unterstützen.“ Die entsprechenden Anwendungen sollten als Open Source und Open Educational Ressource öffentlich zur Verfügung stehen. Denn vieles auf dem Digitalmarkt sei schon fest in der Hand der großen US-Konzerne – wie etwa die Tools zur Spracherkennung. „Damit wandern viele Daten aus dem Bildungsbereich zu privaten Firmen ab“, warnt Drachsler und fordert kontrollierte EU-eigene Server und die notwendigen Fördermittel für den Aufbau unabhängiger europäischer Systeme und Plattformen.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2020) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im Web: www.forschung-frankfurt.de. Unter www.aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung-frankfurt-englisch finden Sie ausgewählte Beiträge in englischer Übersetzung.
Warum Marketingforschung statistische Modelle mit Bauchgefühl kombinieren muss
Geowissenschaftler der Goethe-Universität erstellen anhand von Sedimenten ein Archiv mit jährlicher Auflösung
„Forschung Frankfurt“ zum Thema Digitalisierung: Wie Rechtswissenschaft und Informatik gemeinsam vor Diskriminierung durch digitale Dienste schützen können
FRANKFURT. Wenn alle das nutzen, wird es schon nicht so schlimm sein – beim Handy- und Computergebrauch auf „Schwarmintelligenz“ zu setzen, ist nicht unbedingt eine gute Idee. „Denn wir wissen zum einen nicht, wer unsere Daten hat, wir wissen aber auch nicht, was über uns gewusst wird – und was mit diesem Wissen unternommen wird“, so die Frankfurter Datenrechtsexpertin Prof. Indra Spiecker in einem Beitrag im Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ der Goethe-Universität. Schwerpunktthema der gerade erschienenen jüngsten Ausgabe ist die digitale Transformation. Nur ein Zusammenspiel zwischen Rechtswissenschaft und Informatik, so die Direktorin der Forschungsstelle Datenschutz an der Goethe-Universität Frankfurt, könne Einzelne und bestimmte gesellschaftliche Gruppen vor Diskriminierung schützen.
Wie soll ein Hotelgast, der aus einem bundesweit bekannten
Problemviertel stammt, wissen, dass ihm ein Hotelzimmer zu einem höheren Preis
angeboten wird als jemandem aus einem bürgerlichen Viertel? Nicht immer sind es
konkrete Daten zu einer bestimmten Person, die zu einer Benachteiligung führen
können. Moderne Datenauswertung mithilfe künstlicher Intelligenz arbeite längst
damit, so Spiecker, „den Einzelnen Gruppen zuzuordnen und ihn nach den
Kriterien der Gruppe zu beurteilen. Auf dieser Basis werden dann Preise für
Produkte je nach Zielgruppe variabel bestimmt.“
Dabei kommt es nicht immer zu einer „Diskriminierung im
juristischen Sinne“, erklärt die Professorin für Öffentliches Recht,
Informationsrecht, Umweltrecht und Verwaltungswissenschaften. Diskriminierung
könne auch verdeckt erfolgen – indem Ersatzkriterien gewählt werden, die
vordergründig in keinem Zusammenhang mit Zuordnungen wie Geschlecht, Rasse,
Herkunft oder Religion stehen. Die aber denselben Effekt haben. Solche
Ersatzkriterien sind mit Hilfe digitaler Technik leicht zu finden – aber von
Datenschützern schwer aufzudecken. So liegt es nicht auf der Hand, dass die
Vorliebe einer Fernsehzuschauerin für eine bestimmte Serie ihre
Kreditwürdigkeit senkt. Der wirklichen Ursache für die Benachteiligung ist kaum
auf den Grund zu kommen, rechtliche Schritte dagegen sind folglich unmöglich.
Rechtswissenschaftlerin Spiecker plädiert deshalb für ein „enges
Zusammenspiel von Technologie und der Werteordnung des Rechts“: Es müssten
technische Lösungen gefunden werden, die rechtlichen Anforderungen entsprechen.
Und umgekehrt müssten rechtliche Anforderungen so formuliert werden, dass sie
technische Lösungen akzeptieren könnten. Auch müsse vom konkreten Programmierer
oder seinem Unternehmen mehr Verantwortung eingefordert werden.
Hat der Einzelne dennoch eine Chance, sich vor dem ungewollten
Datenabfluss zu schützen? „Was immer hilft“, sagt Spiecker im Interview mit
„Forschung Frankfurt“, „ist die Macht der Masse.“ Wer seinem Kind nicht
beibringe, „google das mal“, als ob es keine alternativen Suchmaschinen gäbe,
oder beim Fernsehkauf nicht nur „toll, internetfähig!“ ausrufe, sondern auch
mal nachhake, wer denn sonst noch von den familiären Sehgewohnheiten erfahre,
trage dazu bei, dass Märkte sich verändern. Jeder intelligente Nutzer, der sein
Verhalten ändere, könne etwas bewirken.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2020)
kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im Web: www.forschung-frankfurt.de. Unter
www.aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung-frankfurt-englisch finden
Sie ausgewählte Beiträge in englischer Übersetzung.
Schneller und einfacher zu hochaufgelösten dreidimensionalen elektronenmikroskopischen Bildern von Biomolekülen
FRANKFURT/JENA. Eine Art Köder, um gezielt Proteinkomplexe aus Mischungen fischen zu können, hat ein interdisziplinäres Team aus Frankfurt und Jena entwickelt. Dank dieses „Köders“ ist das gewünschte Protein wesentlich schneller für die weitere Untersuchung im Elektronenmikroskop verfügbar. Diese neuartige Schicht aus hauchdünnem molekularen Kohlenstoff taufte das Forschungsteam „smartes Nanoblatt“. Mit Hilfe der Neuentwicklung lassen sich beispielsweise Krankheiten und deren Behandlung mit Medikamenten besser verstehen.
„Mit
unserem Verfahren lassen sich innerhalb einer Woche neuartige Proteine aus
Mischungen isolieren und charakterisieren“, erklärt Daniel Rhinow vom
Frankfurter Max-Planck-Institut für Biophysik. „Bisher war alleine die
Isolierung der reinen Proteine oft Teil einer mehrjährigen Doktorarbeit“.
Zusammen mit Andreas Terfort (Goethe-Universität Frankfurt) und Andrey
Turchanin (Friedrich-Schiller-Universität Jena) entstand vor einigen Jahren die
Idee, die gewünschten Proteine direkt aus Mischungen herauszufischen, indem man
ein Nanoblatt mit Erkennungsstellen ausrüstet, an die das Zielprotein bindet.
Nun ist es den Wissenschaftlern gelungen, Proteine dank eines „smarten
Nanoblatt“ umgehend für eine Untersuchung im Kryo-Elektronenmikroskop
zugänglich zu machen.
Die
Kryo-Elektronenmikroskopie basiert auf dem Schockgefrieren einer Probe bei
Temperaturen unter -150 Grad Celsius. Dabei behält das Protein seine Struktur,
störende Fixierungs- oder Färbemittel sind nicht nötig, und die Elektronen
können das vereiste Objekt leicht durchstrahlen. Es entstehen hochaufgelöste
dreidimensionale Aufnahmen kleinster Strukturen – etwa von Viren und DNA, bis
fast hinab zur Größenordnung eines Wasserstoffatoms.
Zur
Vorbereitung werden die Proteine in einer äußerst dünnen Wasserschicht auf
einem winzigen Metallnetz schockgefroren. Bislang mussten die Proben vor einer
elektronenmikroskopischen Untersuchung aufwendig und oft unter großen Verlusten
gereinigt werden. Nur wenn lediglich eine Sorte von Proteinen in der
Wasserschicht gebunden ist, ist die elektronenmikroskopische Untersuchung
erfolgreich.
Die
Gruppe um Turchanin setzt nun Nanoblätter ein, die lediglich einen Nanometer
dünn sind und aus einer vernetzten molekularen selbst-organisierenden
Monoschicht bestehen. Dieses Nanoblatt versieht Terforts Arbeitsgruppe mit
einem Gelbildner als Grundlage für den zum Gefrieren notwendigen dünnen
Wasserfilm. Daran binden die Forscher eine Erkennungsgruppe (eine spezielle
Nitriloessigsäure-Verbindung mit Nickelionen). Das Team um Rhinow nutzt die so
präparierten „smarten Nanoblätter“, um gezielt Proteine aus einer Mischung zu
fischen. Sie wurden vorab mit einer Histidin-Kette markiert, mit der sie an die
Erkennungsgruppe binden; alle anderen störenden Teilchen lassen sich abspülen.
Das Nanoblatt mit dem gebundenen Protein kann anschließend direkt mit dem
Elektronenmikroskop untersucht werden.
„Unsere smarten Nanoblätter sind besonders leistungsfähig, weil die Hydrogelschicht den notwendigen dünnen Wasserfilm stabilisiert und gleichzeitig die unspezifische Bindung störender Teilchen unterdrückt,“ erklärt Julian Scherr von der Goethe-Universität. „Damit kann die molekulare Strukturbiologie nun viel schneller Proteinstrukturen und -funktionen erforschen“. Mit daraus gewonnenen Erkenntnissen lassen sich beispielsweise Krankheiten und deren Behandlung mit Medikamenten besser verstehen.
Das
Team hat sich die neuen Nanoblätter patentieren lassen und auch schon einen
Hersteller gefunden, der dieses hilfreiche Werkzeug auf den Markt bringen wird.
Publikation:
Smart Molecular Nanosheets for Advanced Preparation of Biological Samples in
Electron Cryo-Microscopy, ACS Nano 2020, https://doi.org/10.1021/acsnano.0c03052
Julian
Scherr, Zian Tang, Maria Küllmer, Sebastian Balser, Alexander Stefan Scholz,
Andreas Winter, Kristian Parey, Alexander Rittner, Martin Grininger, Volker
Zickermann, Daniel Rhinow, Andreas Terfort und Andrey Turchanin; Abteilung
Strukturbiologie, Max-Planck-Institut für Biophysik, Max-von-Laue-Str. 3, 60438
Frankfurt am Main; Fakultät für Biochemie, Chemie, Pharmazie,
Goethe-Universität Frankfurt, Max-von-Laue-Str. 7, 60438 Frankfurt am Main;
Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität Jena,
Lessingstr. 10, 07743 Jena
Ein Bild zum Download finden Sie unter: www.uni-frankfurt.de/90123573
Bildtext: Das neue Nanoblatt-Verfahren: Der zu untersuchende Proteinkomplex
(gelb) wird mithilfe einer Markierung (rote Kette mit Fünfecken) über einen
Nickelkomplex an das smarte Nanoblatt gebunden. Unerwünschte Proteine (grau)
werden durch das Hydrogel (schwarzes Geflecht) abgestoßen. Nach dem Einfrieren
des gesamten Gebildes inklusive eines dünnen Wasserfilms kann es mit Elektronen
durchleuchtet werden, um Bilder der gebundenen Proteine zu erhalten. Daraus
kann ein Computer die 3D-Struktur des Proteins berechnen.
Informationen: Univ.-Prof. Dr. Andreas Terfort, Institut für Anorganische und
Analytische Chemie, Telefon +49-69-798-29181, E-Mail aterfort@chemie.uni-frankfurt.de, https://www.uni-frankfurt.de/53459866/terfort
Univ.-Prof.
Dr. Andrey Turchanin,
Institut für Physikalische Chemie, Friedrich-Schiller-Universität
Jena, Lessingstr. 10, 07743 Jena, andrey.turchanin@uni-jena.de,, +49-3641-48370, www.apc.uni-jena.de
Forscherinnen und Forscher der Goethe-Universität wagen in der neuen Ausgabe des UniReport eine Zwischenbilanz
Die weiteren Themen im UniReport 4/Juli 2020:
Die jüngste Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ fragt nach den psychischen Auswirkungen moderner Technologien
„Forschung Frankfurt“ über Digitalisierung: Große Datensätze sollen Früherkennung von Epilepsie ermöglichen
Wissenschaftsrat würdigt die erfolgreiche Arbeit des Sigmund-Freud-Instituts seit 2016
Neue Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ befasst sich mit dem Thema Digitalisierung / Interview mit Arbeitssoziologin Friedericke Hardering
FRANKFURT. Die Corona-Krise hat vieles verändert – auch in der Arbeitswelt. Die Digitalisierung ist auch hier einen großen Schritt vorangekommen. Defizite bei Ausstattung und Infrastruktur wurden dabei schmerzhaft deutlich, aber auch die Bereiche, in denen analoge Formen des Arbeitens nicht zu ersetzen sind. Die jüngste Ausgabe von „Forschung Frankfurt“, die heute erscheint, trägt den Titel: „Wir in der digitalen Welt – Chancen Risiken Nebenwirkungen“. Darin versammelt ist ein facettenreiches Spektrum an Beiträgen aus der Soziologie, der Rechtswissenschaft, der Psychologie, den Wirtschaftswissenschaften und natürlich auch der Informatik. Den Auftakt macht ein Interview mit der Arbeitssoziologin Friedericke Hardering, die auch Fragen zu den Entwicklungen des zurückliegenden Halbjahres beantwortet.
Deutschland hinke bei der
Digitalisierung hinterher, diese weit verbreitete Kritik teilt Hardering –
allerdings nur begrenzt: „Es gibt inzwischen durchaus genug Akteure, die
Deutschland analog zum Silicon Valley zum Silicon Germany machen wollen. Die
Relevanz des Themas wird gesehen.“ Deshalb sieht die Soziologin, die an der
Goethe-Universität habilitiert wurde, durchaus optimistisch in die Zukunft.
Wobei sie auch den Staat in der Pflicht sieht: „Auch das Silicon Valley hätte
es ohne staatliche Hilfe so nicht gegeben: Das ist ja nicht durch die
Initiative von Unternehmern entstanden, sondern nur auf der Basis massiver Fördergelder.
Ohne eine gute Infrastruktur und die entsprechende Förderung kann es nicht
funktionieren.“
Dass analoge Formen des
Arbeitens und der Begegnung bald der Vergangenheit angehören könnten, diese
Möglichkeit sieht Hardering nicht: „Unter normalen Bedingungen – ohne
Corona-Krise – brauchen wir immer eine Verzahnung von Online und Offline, in
der Arbeitswelt, aber auch darüber hinaus.“ Denn digitale Technologien seien
keineswegs ein Allheilmittel für Krisen jeder Art, sondern sie brächten andere
Risiken mit sich. Die in der Corona-Zeit vielgenutzte Möglichkeit des
Homeoffice habe Hardering zufolge vor allem gezeigt, wie gespalten die
Gesellschaft sei in Bezug auf materielle Ausstattung, aber auch in Bezug auf
die Kenntnisse. Die Digitalisierung verschärfe die Ungleichheit zwischen den
Menschen weiter.
Unabhängig von der Coronakrise
bringt die Digitalisierung auch neue Formen der Arbeitsorganisation hervor, zum
Beispiel Crowdworking-Plattformen. Dieser wachsende Bereich stelle auch die
Gewerkschaften vor große Herausforderungen: „Soloselbstständigkeit ist ja auch
unabhängig von Digitaltechnologie immer ein relativ ungeschützter Bereich mit
vielen Unsicherheiten und Prekaritäten.“ Die Frage sei, wie man
Soloselbstständige zum kollektiven Handeln bringen könne. Auch in anderer
Hinsicht verschärfe die Digitalisierung prekäre Arbeitssituationen. Bei der
Rasanz der Entwicklung könnten Regulierungsinstanzen oft nicht mithalten.
Hardering, die derzeit in einem
Projekt zur Entfremdung der Menschen von der Arbeit forscht, spricht im
Interview auch darüber, wie sich die Erfahrungen von Beschäftigten in Hinblick
auf die Digitalisierung ändern, wie diese sich unter den Bedingungen neuer
digitaler Technik die Arbeit aneignen. „Ein Phänomen der Entfremdung wäre zum
Beispiel, wenn die Leute davon berichten, dass eine bestimmte Form des
Zusammenseins früher in der Arbeit gegeben war, die jetzt, zum Beispiel durch
Beschleunigungsprozesse, durch immer höheren Zeit- und Leistungsdruck, nicht
mehr da ist“, erklärt die Soziologin. Arbeit sei immer auch ein Ort des
sozialen Zusammenseins und somit wichtig für die Weltaneignung.
Auch die sonstigen Beiträge im
aktuellen „Forschung Frankfurt“ betrachten die Digitalisierung vor allem unter
dem Aspekt der Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gesellschaft.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (1/2020) kann von
Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im
Web: www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de.
Informationen: Dr. Friedericke Hardering, E-Mail: f.hardering@soz.uni-frankfurt.de
Führung am Campus Riedberg vermittelt historische und botanische Aspekte. 17. Juli, 16.00-17.30 Uhr
Wegen der Corona-Krise müssen sich neugierige Nachwuchsstudis bis 2021 gedulden
Schleiff: „Gemeinsam für ambitionierte Ziele in Lehre und Forschung“
DFG bewilligt neues Graduiertenkolleg zur Bildanalyse in den Lebenswissenschaften
FRANKFURT. Moderne Mikroskopietechniken gewähren faszinierende Einblicke in Gewebe, Zellen, ja sogar große Moleküle. Doch die Datensätze sind mittlerweile so groß, dass man zu ihrer Interpretation fortgeschrittene Kenntnisse in der Bildanalyse benötigt. Diese wird nun ein interdisziplinäres Graduiertenkolleg an der Goethe-Universität vermitteln, das an der Schnittstelle von Lebenswissenschaften und Informatik angesiedelt ist. Das Vorhaben wird in den kommenden 4,5 Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
„Hochauflösende Bilder sind heute so komplex, dass es immer schwieriger wird, die darin verborgenen Informationen effektiv auszuwerten“, erklärt Prof. Achilleas Frangakis, Experte für Elektronenmikroskopie am Institut für Biophysik. Gemeinsam mit Prof. Ernst Stelzer, der am Institut für Physikalische Biologie die Lichtscheiben-Mikroskopie etabliert hat, will er Doktoranden aus Biologie, Physik und Informatik nun eine gezielte Forschungsausbildung bieten, die sowohl Kenntnisse in der Mikroskopie als auch in der Informatik vermittelt.
Derzeit erwerben Informatiker und Physiker, die Algorithmen für die Bildanalyse entwickeln, erst gegen Ende ihrer Ausbildung Kenntnisse in den Lebenswissenschaften. Diesen Weg haben Frangakis und Stelzer, beide studierte Physiker, selbst beschritten. „Biologen fehlt es dagegen an Datenverarbeitungskompetenz“, sagt Stelzer. „Sie sind sich relevanter Entwicklungen nicht bewusst und können fortschrittliche Technologien nicht eigenständig einsetzen.“
Im Graduiertenkolleg „Verknüpfung von Bildanalyse und Molekularen Lebenswissenschaften“ sollen die Doktorandinnen und Doktoranden nun das Design, die Konstruktion und den automatisierten Einsatz moderner Mikroskopietechniken in multidisziplinären Arbeiten optimieren. Die Goethe-Universität verfügt über zahlreiche Techniken, mit denen sie eine große Breite von zeitlichen und räumlichen Auflösungen abdeckt: Kryo-Elektronentomographie, hochauflösende und lichtscheibenbasierte Fluoreszenzmikroskopie, Raman-Mikroskopie sowie Multiphotonen-Mikroskopie. Im Graduiertenkolleg lernen die Doktoranden, die großen Datensätze mit modernen Algorithmen zu untersuchen. Geplant ist weiterhin, Algorithmen für teilautonome Bildanalysen und Interpretationen auf Supercomputern zu implementieren.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Achilleas Frangakis,
Institut für Biophysik
Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften
Tel.: (069) 798-46462
E-mail: achilleas.frangakis@biophysik.uni-frankfurt.de
Prof. Dr. Ernst Stelzer
Institut für Physikalische Biologie
Buchmann Institut für Molekulare Lebenswissenschaften
Tel.: (069) 798-42547
E-mail: ernst.stelzer@physikalischebiologie.de