Im neuen UniReport streiten zwei Sprachwissenschaftlerinnen darüber, ob die gendergerechte Sprache noch stärker ins öffentliche Bewusstsein getragen werden sollten.
FRANKFURT. Bei der Frage, ob
und wie Gendersprache die öffentliche Sprachverwendung prägen sollte, sind es
nicht unbedingt Linguistinnen oder Linguisten, die in der Debatte den Ton
angeben. Der UniReport hat nun aber mal in Form eines „Pro und Contra“ zwei
ausgewiesene Expertinnen dazu befragt. Prof. Dr. Marlis Hellinger ist
Anglistin, Sprachwissenschaftlerin und Autorin; von 1997 bis zu ihrer
Emeritierung 2007 war sie Professorin für Anglistik/Linguistik am Institut für
England- und Amerikastudien der Goethe-Universität. Sie sagt: „Vorrangiges Ziel
der vielen Empfehlungen und Richtlinien, die im deutschsprachigen Raum seit den
1980er-Jahren von Universitäten, Gleichstellungsbüros, Verlagen usw. publiziert
wurden, ist die sprachliche Sichtbarkeit von Frauen und die Vermeidung von
Ausdrücken, die Frauen und Männer in stereotypen Geschlechterrollen zeigen -
der ‚Chef und seine Sekretärin', ‚Piloten und Stewardessen'.“
Dr. Ewa Trutkowski hält dagegen: „Die generische Interpretation des Maskulinums
ist eine Option – sie greift nicht in jedem Kontext und ist sowohl von sozialen
Einflussfaktoren abhängig (unter Schlossern gibt es kaum Frauen, im
Kosmetikbereich kaum
Männer), als auch von sprachlichen: Füge ich dem Stellengesuch nach einem Lehrer
eine adressatenorientierte Ansprache à la ‚Sie sind ein erfahrener Pädagoge'
an, evoziere ich eher eine spezifisch männliche Interpretation. Beziehe ich
mich aber gar nicht auf eine konkrete oder imaginierte Person, wie in ‚Als
Lehrer bekommt man eine feste Stelle', liegt die generische Lesart näher.“
Trutkowski ist Sprachwissenschaftlerin mit einem Forschungsschwerpunkt zu Genus
und Sexus im Deutschen. Sie ist mit dem Institut für Linguistik der
Goethe-Universität assoziiert und arbeitet derzeit als Forscherin an der Freien
Universität Bozen.
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