Prof. Severin Irl und Kollegen warnen vor massivem Artensterben
Inseln machen nur 7 Prozent der weltweiten Landfläche aus – doch sie beherbergen 20 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten. Diese Vielfalt ist extrem bedroht. In einem Beitrag in der Zeitschrift „Global Ecology and Conservation“ beschreibt Biogeograph Prof. Severin Irl von der Goethe-Universität zusammen mit Kollegen den Ist-Zustand der Artenvielfalt.
FRANKFURT. Inseln
tragen erheblich zur globalen Biodiversität bei. Hier leben nicht nur
überproportional viele unterschiedliche Tier- und Pflanzenarten; sogar 50
Prozent aller vom Aussterben bedrohter Arten leben hier, und drei Viertel aller
dokumentierten, ausgestorbenen Arten waren hier beheimatet. In der jüngsten
Ausgabe von „Global Ecology and Conservation“ beschreiben die Mitglieder des
Leitungsgremiums der 2020 gegründeten Society of Island Biology (SIB), zu denen
auch der Frankfurter Biogeograph Prof. Severin Irl gehört, den Zustand der
Artenvielfalt auf Inseln weltweit. Die Ökosysteme auf Inseln stehen durch
menschliche Aktivitäten stark unter Druck.
Durch die Isolation vom Festland haben sich auf Inseln einzigartige
Pflanzen- und Tierspezies entwickelt, sogenannte endemische Arten, die weltweit
nur auf den jeweiligen Inseln oder Archipelen vorkommen. Diese Arten sind oft
besonders durch menschliche Einflüsse wie Übernutzung von Ökosystemen,
Habitatzerstörung (z.B. durch die Umwandlung in landwirtschaftliche
Nutzflächen), die Einführung von nicht-heimischen, invasiven Arten und den
Klimawandel bedroht. Die auf Inseln lebenden Arten können sich aber auch u.a.
wegen fehlender Anpassungsstrategien an Fressfeinde häufig schlechter an
Veränderungen der natürlichen Ökosysteme anpassen als Arten auf dem Festland.
Diese erhöhte Vulnerabilität hat dazu geführt, dass mindestens 800 Arten auf
Inseln in den vergangenen 500 Jahren unwiderruflich verloren gegangen sind. Die
Wahrscheinlichkeit, dass eine Art auf einer Insel in der Zukunft aussterben
wird, ist zwölfmal höher als bei einer Art auf dem Festland. „Wenn es so
weitergeht, ist klar, dass Inseln den Großteil der in Zukunft ausgestorbenen
Arten tragen werden“, sagt Prof. Severin Irl.
Die neugegründete SIB sieht sich als internationales Sprachrohr
für die Belange von Arten auf Inseln. Im Artikel schlagen die Autoren um den
Präsidenten der SIB Prof. José María Fernández-Palacios von der Universidad de
La Laguna auf Teneriffa konkrete Maßnahmen vor, wie weiteres Aussterben
verhindert werden kann und wie Naturschutzbelange mit den Belangen der dort
lebenden Menschen in Einklang gebracht werden können. Als Grundlage wird ein
vollständiges Inventar der Arten auf Inseln benötigt. Dass ein solches oft
fehlt, erschwert die Entwicklung geeigneter Naturschutzkonzepte. Zugleich sind
konkrete Naturschutzmaßnahmen für akut vom Aussterben bedrohte Arten und deren
natürliches Habitat unabdingbar. Alle Maßnahmen müssen in einem sozio-ökologischen
Kontext unter Einbeziehung der Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung geschehen,
die als Bewahrer der Biodiversität fungieren und mit der Wissenschaft
entsprechende Kapazitäten aufbauen sollten.
Publikation: Fernández-Palacios, J.M., Kreft, H., Irl, S.D.H., Norder, S., Ah-Peng, C., Borges, P.A.V., Burns, K.C., de Nascimento. L., Meyer, J.-Y., Montes, E. & Drake, D.R. (2021) Scientists' warning – The outstanding biodiversity of islands is in peril. Global Ecology and Conservation, 31: e01847 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2351989421003978?via%3Dihub
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/106799499
Bildtext:
Karte mit
Arten (Abb. aus: Fernández-Palacios et al. 2021)
Die Society
of Island Biology (SIB) widmet sich der gefährdeten Artenvielfalt auf Inseln.
(Copyright Logo: SIB)
Prof.
Severin Irl forscht an der Goethe-Universität zu endemischen Arten. (Copyright:
Andrea Achatz)
Weitere Informationen
Prof.
Severin Irl (Biogeographie und Biodiversität, Institut für Physische
Geographie, FB11)
https://www.uni-frankfurt.de/71993212/ir