Bundesweite Studien „Jugend und Corona“ der Universitäten Frankfurt und Hildesheim stellen weitere Ergebnisse vor – Jugendliche nehmen Stellung
Keine offenen Räume mehr zu haben belastet junge Menschen mehr als der Verzicht auf andere Freizeitangebote wie ihre Hobbys. Dies ist eines der Ergebnisse der JuCo-Studie II des Forschungsverbunds „Kindheit – Jugend – Familie in Zeiten von Corona“ der Goethe-Universität Frankfurt und Stiftung Universität Hildesheim. Nun erscheint in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung die erweiterte und vertiefte Auswertung der beiden bundesweiten Onlinebefragungen, an denen im April und November 2020 insgesamt 12.500 junge Menschen teilgenommen haben.
FRANKFURT. Nicht
alle Jugendlichen brauchen „Orte zum Abhängen“. Doch diejenigen, die sich dort
sozial austauschen, werden von den Folgen der Pandemie besonders stark
belastet. Sie fühlen sich nicht nur unwohler und einsamer, sondern haben auch
vermehrt Angst vor der Zukunft. Für das psychosoziale Wohlbefinden sind offene
Räume sogar wichtiger als das Ausüben von Hobbys wie Sport, Musik, Jugendarbeit
oder gesellschaftliches Engagement etwa in Umweltverbänden. Das ergibt eine
vertiefte Auswertung der Online-Befragung JuCo II der Goethe-Universität und
Universität Hildesheim.
Und noch etwas macht die Studie deutlich: Jugendliche, die seit
Corona stärker durch finanzielle Sorgen belastet sind, fühlen sich auch
emotional und psychisch stärker beeinträchtigt. Besonders hoch ist hier der
Anteil von jungen Menschen mit Zukunftsängsten. Ein Befund, der besonders ernst
genommen werden sollte, betont Johanna Wilmes, Familienforscherin an der
Goethe-Universität: „In der jungen Generation manifestieren sich diese erlebten
Ungleichheiten besonders nachhaltig. Wir wissen, dass Armutserfahrungen maßgeblich
Bildungs- und Lernerfolge prägen. Das heißt aber auch, wenn wir hier etwas
verändern, gestalten wir Zukunft zum Positiven.“
Mehr Mitspracherecht für junge Menschen fordert auch das Team von
Jugendlichen, das mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die
Ergebnisse der Studien diskutiert und in der Publikation „Fragt uns 2.0“
zusammengefasst hat. Corona zeige deutlicher, „was ohnehin nicht gut
funktioniert“ – ein veraltetes Schulsystem, fehlendes Mitspracherecht und
fehlende Ansprechpersonen für Kinder und Jugendliche. „So wär´s besser“: Unter
diesem Titel machen die Jugendlichen Änderungsvorschläge in Bezug auf ihre
Situation in Familie, Schule und Ausbildung. „Wir brauchen mehr Verständnis für
die Situation von Jugendlichen in der Pandemie“, fordern sie. Und: „Die
zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Pandemie müssen Thema in Schulen
sein“ sowie „Medien sollten auf Stereotype verzichten und Jugendliche nicht nur
als Regelbrecher:innen darstellen.“
„Fragt uns 2.0“ bestätigt aber auch ein weiteres Resultat der JuCo
I und II-Studien: Junge Menschen haben auch positive Effekte der Pandemie
wahrgenommen. Unter „Ein paar Dinge, die man behalten kann“ nennen sie: weniger
Stress, mehr freie Zeiteinteilung, Selbstorganisation, Wertschätzung von
sozialen Beziehungen, Digitalisierung vorantreiben und ein umweltfreundlicheres
Leben.
Dem Team des Forschungsverbunds „Kindheit – Jugend – Familie in der Corona-Zeit“ gehören Prof. Dr. Sabine Andresen und Johanna Wilmes vom Institut für Sozialpädagogik und Familienforschung an der Goethe-Universität an sowie Prof. Dr. Wolfgang Schröer, Dr. Tanja Rusack, Dr. Severine Thomas, Anna Lips und Lea Heyer vom Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim.
Zusatzinformation
Die beiden Jugendbefragungen “Jugend und Corona“ (JuCo I und II)
wurden von einem Forschungsverbund der Goethe-Universität Frankfurt und der
Universität Hildesheim durchgeführt. An JuCo I (15. April – 3. Mai 2020) nahmen
5.520 Jugendliche teil, an JuCo II (9.-22. November 2020) beteiligten sich mehr
als 7.000 junge Menschen. Die für die JuCo-Studien zusammengetragenen
Erkenntnisse basieren auf jahrelanger wissenschaftlicher Arbeit der Kindheits-
und Jugendforscher:innen zur Lebenswirklichkeit junger Menschen in Deutschland.
Die Ergebnisse der Studien wurden mit Jugendlichen in mehreren
Online-Workshops von September 2020 bis Januar 2021 diskutiert und reflektiert.
Die Jugendlichen haben ihre Erfahrungen und Forderungen in der Broschüre „Fragt
uns 2.0 – Corona Edition“ festgehalten.
Publikationen:
www.bertelsmann-stiftung.de/junge-menschen-corona
www.bertelsmann-stiftung.de/fragt-uns
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Sabine Andresen
s.andresen@em.uni-frankfurt.de
Johanna
Wilmes,
Wissenschaftliche
Mitarbeiterin
wilmes@em.uni-frankfurt.de
Institut
für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung
der Goethe Universität Frankfurt am Main
Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, E-Mail p.barth@em.uni-frankfurt.de