Modelle rechnen direkten Einfluss des Menschen heraus
Die Wassermengen in Flüssen haben sich in den letzten Jahrzehnten
weltweit stark verändert. Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung
der Goethe-Universität Frankfurt konnte nun belegen, dass der Klimawandel dafür
eine entscheidende Rolle spielt. Die Leitung des Projekts lag bei der
Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. (Science, DOI
10.1126/science.aba3996)
FRANKFURT. Der
Klimawandel beeinflusst den Wasserhaushalt der Erde: Je nach Region und
Jahreszeit kann er zu mehr Überschwemmungen oder Dürren führen und sich auch
auf die Wassermengen in Flüssen auswirken. Die Abflussmengen sind ein wichtiger
Indikator für die Wasserressourcen, die Mensch und Umwelt zur Verfügung stehen.
Wieviel Wasser regional verfügbar ist, hängt auch von weiteren Faktoren wie
direkten Eingriffen in den Wasserhaushalt oder der Landnutzung ab: Wird
beispielsweise Wasser zur Bewässerung abgezweigt, ändert sich die Landnutzung
etwa durch Abholzung oder Aufforstung von Wäldern oder werden Staudämme gebaut,
verändert dies ebenfalls die Wassermenge in Flüssen.
Wie stark sich die Abflussmengen in verschiedenen Weltregionen
während der letzten Jahrzehnte verändert haben, wurde bisher auf globaler Ebene
noch nicht anhand von konkreten Messdaten untersucht. Ebenso war die Frage, ob
global sichtbare Veränderungen auf den Klimawandel oder auf den direkten
Einfluss den Menschen zurückzuführen sind, bislang nicht geklärt.
Nun ist es einem internationalen Forschungsteam unter Leitung von
Forschenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich gelungen,
den Einfluss dieser Faktoren aufzuschlüsseln. Dazu analysierten die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten von 7250
Durchfluss-Messstationen weltweit. Die Studie, die nun in der Fachzeitschrift
Science erschienen ist, belegt: Wie viel Wasser Flüsse führen, hat sich
zwischen 1971 und 2010 stark verändert. Es zeigen sich komplexe Muster: Manche
Regionen sind trockener geworden, etwa der Mittelmeerraum, das südliche Afrika
oder der Nordosten Brasiliens. Anderswo hingegen nahmen anderswo die
Wassermengen zu, zum Beispiel in Skandinavien.
Suche nach den Ursachen
Wie es zu diesen Veränderungen kam, untersuchten die Forschenden
in Computersimulationen, die sie im Rahmen des internationalen
Klimaforschungsnetzwerks ISIMIP mit
dem Ziel durchführten, mögliche Auswirkungen des Klimawandels zu untersuchen.
Sie verwendeten insgesamt neun globale hydrologische Modelle, in die sie
Klimadaten aus dem untersuchten Zeitraum einspeisten (1971 bis 2010). Eines der
Modelle betreute federführend Dr. Hannes Müller Schmied von der
Goethe-Universität Frankfurt und dem Senckenberg Biodiversität und Klima
Forschungszentrum. „Modellrechnungen sind für die Interpretation von gemessenen
Daten und für die Berechnung von verschiedenen Szenarien sehr wichtig“, erklärt
der Frankfurter Geograph, „denn wir können quasi mit einem Schalter den Einfluss
des Klimawandels und die direkten Einflüsse des Menschen ein- und ausschalten
und die Ergebnisse mit den gemessenen Daten vergleichen.“
Die Ergebnisse der Modellrechnungen stimmten gut mit der Analyse
der Flussmessdaten überein. «Das heißt, dass die klimatischen Bedingungen die
beobachteten Trends erklären können», sagt Lukas Gudmundsson, Klimaforscher an
der ETH Zürich und Erstautor der Studie. In einem zweiten Durchgang schlossen
die Forschenden in ihre Simulationen zusätzlich direkte menschliche Veränderungen
ein, um den Einfluss dieser Faktoren zu untersuchen. Das Ergebnis änderte sich
dadurch jedoch nicht. Veränderungen in der Wasser- und Landnutzung sind also
offenbar nicht die Ursache für die globalen Veränderungen in Flüssen.
Gewässermanagement und Landnutzung können zwar lokal zu großen
Schwankungen der Abflüsse führen. «Uns ging es aber nicht um lokale, sondern um
globale Trends, die über längere Zeiträume sichtbar werden», sagt Gudmundsson.
Deshalb betrachteten die Forschenden nicht isoliert die Daten einzelner
Messstationen, sondern fassten diese für die Analyse zu größeren,
subkontinentalen Regionen zusammen. Dadurch wurde es möglich, den Einfluss des
Klimawandels in den Daten zu erkennen.
Einfluss der Treibhausgase
Die Rolle des Klimawandels konnten die Forschenden mit der
sogenannten Attributions-Methode untermauern: Sie verglichen ihre Messdaten mit
Simulationen von Klimamodellen, die einmal mit den menschengemachten
Treibhausgasen berechnet wurden und einmal ohne diese. Im ersten Fall stimmte
die Simulation mit den tatsächlichen Daten überein, im zweiten Fall jedoch
nicht. Ohne den Klimawandel hätte es die beobachteten Veränderungen also
wahrscheinlich nicht gegeben.
Die Studie ist die erste, die mit Messdaten nachweist, dass der Klimawandel
einen global sichtbaren Einfluss auf das Fließgewässer hat. «Dies war nur durch
die gute Zusammenarbeit der beteiligten Forschenden und Institutionen aus zwölf
verschiedenen Ländern möglich», betont Gudmundsson. Auch die gesammelten Daten
von den 7250 Messstationen weltweit waren ein Gemeinschaftswerk: Die
Forschenden trugen sie mit australischen Kollaborationspartnern in einer
Vorgängerstudie zusammen. Sie bilden den größten weltumspannenden Datensatz zum
Wasserabfluss in Flüssen, der heute verfügbar ist.
„Dank der Modelle können wir nun verlässliche Szenarien berechnen,
wie sich große Flüsse unter dem Einfluss des Klimawandels künftig weiter
verändern werden“, meint Hannes Müller Schmied. Solche Projektionen werden für
betroffene Regionen eine wichtige Planungsgrundlage darstellen, um die
Wasserversorgung sicherzustellen und sich an den Klimawandel anzupassen.
Publikation: Lukas
Gudmundsson, Julien Boulange, Hong X. Do, Simon N. Gosling, Manolis G.
Grillakis, Aristeidis G. Koutroulis, Michael Leonard, Junguo Liu, Hannes Müller
Schmied, Lamprini Papadimitriou, Yadu Pokhrel, Sonia I. Seneviratne, Yusuke
Satoh, Wim Thiery, Seth Westra, Xuebin Zhang, Fang Zhao: Globally observed
trends in mean and extreme river flow attributed to climate change. Science https://science.sciencemag.org/cgi/doi/10.1126/science.aba3996
Weitere Informationen
Dr.
Hannes Müller Schmied
Institute für Physikalische Geographie
Goethe-Universität Frankfurt
und
Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum
Tel.: +49 69 798-40216
hannes.mueller.schmied@em.uni-frankfurt.de
http://www2.uni-frankfurt.de/45217668/dl
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, E-Mail bernards@em.uni-frankfurt.de