Mikrobiologie Volker Müller wirbt Koselleck-Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft ein
Essigsäure-herstellende Bakterien (Acetogene) sind für die Biotech-Industrie sehr interessant: Sie fixieren das Klimagas CO2 und erzeugen gleichzeitig nicht nur Essigsäure, sondern auch Stoffe wie Ethanol oder - nach gentechnischer Veränderung - Produkte wie Aceton oder Bioplastik. Wie diese Bakterien Energie aus CO2 gewinnen, erforscht der Mikrobiologe Volker Müller, Goethe-Universität, sehr erfolgreich bereits seit vielen Jahren. Jetzt möchte er das letzte Rätsel dieser Energieerzeugung knacken. Sein Vorhaben wird von der DFG im Rahmen des renommierten Reinhart-Kosellek-Programms als besonders innovatives und im positiven Sinne risikobehaftetes Forschungsprojekt gefördert.
FRANKFURT. Sie
leben in der Erde, in Sedimenten von Gewässern und in anderen sauerstofffreien
Umgebungen: Bakterien, die aus Kohlendioxid (CO2) Essigsäure
herstellen und durch diesen Gärungsprozess Energie gewinnen, sogenannte
acetogene Bakterien oder Acetogene. Stammesgeschichtlich gehören Acetogene zu
den ältesten Bakterienarten der Erde und haben sich vor mehr als drei
Milliarden Jahren entwickelt, als die Erdatmosphäre noch sauerstofffrei war.
Wie die CO2-Reduktion mit Energiegewinnung gekoppelt ist, hat das
Team des Mikrobiologen Prof. Volker Müller von der Goethe-Universität in den
letzten Jahren teilweise aufgeklärt: Bei den Acetogenen gibt es zwei
unterschiedliche Atmungsketten, mit deren Hilfe sie die zelluläre
Energiewährung ATP herstellen, entweder mit dem zentralen Atmungsenzym „Rnf“
oder mit „Ech“, und in der Regel besitzt eine Bakterienart nur eine dieser
beiden Atmungskettentypen.
Neben den Enzymen Rnf oder Ech besitzen einige Acetogene jedoch auch
cytochrom-haltige Enzyme, die in Bakterien und in höheren Zellen für die
Sauerstoffatmung zentral sind. Cytochome wurden zwar bereits vor mehr als 40
Jahren in Acetogenen entdeckt. Bisher konnte jedoch noch niemand nachweisen,
dass Acetogene – für die der Kontakt mit Sauerstoff tödlich ist – ihre
Cytochrome tatsächlich zu einer Form der Atmung nutzen.
In den kommenden fünf Jahren will das Team um Prof. Volker Müller
nun herausfinden, welche Funktion Cytochrome in Acetogenen haben. Prof. Volker
Müller erklärt: „Wir haben durch unsere langjährige Arbeit an Acetogenen die
besten Voraussetzungen, das Rätsel zu knacken. Das wird für uns sehr spannend.
Denn das Cytochrom, das in der Biosynthese für die Bakterienzelle sehr viel
aufwändiger herzustellen ist, könnte tatsächlich Teil einer dritten,
sauerstoffunabhängigen Form von Atmung sein. Oder es hat eine ganz andere
Funktion und dient vielleicht dazu, molekularen Sauerstoff zu entgiften und das
Bakterium vor dem Tod durch Sauerstoff zu bewahren.“
Mit ihrer Grundlagenforschung wollen die Wissenschaftler:innen die
Basis für biotechnologische Anwendungen acetogener Bakterien bereiten. Derzeit
werden zum Beispiel 90 Prozent der Essigsäure bei einer Jahresweltproduktion
von mehr als 3 Millionen Tonnen aus fossilem Öl oder Gas gewonnen. Prof. Volker
Müller: „Insbesondere wenn man aber mit gentechnisch veränderten Acetogenen
nicht-natürliche Verbindungen wie Aceton oder Bioplastik herstellen möchte,
muss man die komplexen, essenziellen Stoffwechselprozesse in den Bakterien gut
verstanden haben. Denn für die nicht-natürlichen Verbindungen benötigt das
Bakterium viel Energie, die die chemische Reduktion von CO2 nur
begrenzt liefert. Mit unserer Forschung hoffen wir daher, einen wichtigen
Beitrag zum Verständnis der Energieerzeugung in Acetogenen leisten zu können,
der effizientere Anwendungen ermöglicht.“
Volker Müller ist Inhaber des Lehrstuhls für Molekulare
Mikrobiologie und Bioenergetik. Er hat in Göttingen promoviert, war PostDoc an
der Yale Universität, wurde in Göttingen für das Fach Mikrobiologie habilitiert
und hatte eine C3-Professur für Mikrobiologie an der LMU München, bevor er 2002
nach Frankfurt kam. Er erlangte weltweite Anerkennung durch seine Arbeiten zum
Stoffwechsel acetogener Bakterien. Seine Projekte werden durch die DFG
gefördert, er koordinierte ein europäisches Forschungskonsortium zur Anwendung
acetogener Bakterien in der Industrie. Gegenwärtig werden seine Arbeiten zur
Physiologie und Anwendung acetogener Bakterien durch einen sehr renommierten
ERC Advanced Grant gefördert. Mit fast 300 Publikationen gehört Müller zu den
weltweit führenden Forschern auf dem Gebiet Stoffwechsels anaerober Bakterien
und Archaeen.
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/128212374
Bildtext: Prof. Dr. Volker Müller, Goethe-Universität Frankfurt (Foto: Uwe
Dettmar für Goethe-Universität)
Hintergrund:
Entdeckung
des Ech-Enzyms (03/2019)
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/urspruengliche-zellatmung-entdeckt/
Isolierung
des Rnf-Enzymkomplexes (01/2020)
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/wie-mikroben-in-ur-atmosphaere-ohne-sauerstoff-energie-gewannen/
Acetogenes
Bakterium enthält sowohl Rnf- wie auch Ech-Enzym (08/2020)
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/allgemein/neuer-stoffwechsel-im-pansenmikrobiom-entdeckt/
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Volker Müller
Abteilung
Molekulare Mikrobiologie & Bioenergetik
Institut
für Molekulare Biowissenschaften
Goethe-Universität
Frankfurt
Tel.:
+49 (0)69 798-29507
vmueller@bio.uni-frankfurt.de
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für
Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation,
Telefon 069 798-12498, Fax
069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de