Weitere Bestätigung von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie
In verschiedenen Wellenlängen lässt sich ein gigantischer Teilchenstrahl beobachten, der von der Riesengalaxie M87 ausgestoßen wird. Dr. Alejandro Cruz Osorio und Prof. Luciano Rezzolla von der Goethe-Universität Frankfurt ist es gemeinsam mit einem internationalen Wissenschaftsteam nach aufwändigen Supercomputer-Berechnungen gelungen, ein theoretisches Modell zur Entstehung dieses Jets zu entwickeln. Die berechneten Bilder stimmen außergewöhnlich gut mit den astronomischen Beobachtungen überein und bestätigen Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie.
FRANKFURT. 55
Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Jungfrau liegt die
Galaxie Messier 87 (M87), eine Riesengalaxie mit 12.000 Kugelsternhaufen, gegen
die die 200 Kugelsternhaufen der Milchstraße eher bescheiden wirken. Im Zentrum
von M87 befindet sich ein schwarzes Loch von 6,5 Milliarden Sonnenmassen. Es
ist das erste schwarze Loch, von dem es ein Bild gibt, erstellt 2019 von der
internationalen Forschungskollaboration Event Horizon Telescope.
Dieses schwarze Loch (M87*) stößt mit nahezu Lichtgeschwindigkeit
einen Plasmastrahl aus, einen so genannten relativistischen Jet, der 6000
Lichtjahre misst. Die ungeheure Energie für diesen Jet stammt wahrscheinlich
aus der Anziehungskraft des schwarzen Lochs, doch wie genau ein solcher Jet
entsteht und was ihn über diese riesige Entfernung hin stabilisiert, ist bisher
noch nicht verstanden.
Das schwarze Loch M87* zieht Materie an, die in einer Ebene um das
schwarze Loch in immer engeren Umlaufbahnen rotiert, bis sie von dem schwarzen
Loch aufgesaugt wird. Aus dem Zentrum dieser spiralförmigen Akkretionsscheibe
von M87* (lateinisch accrescere – anwachsen) wird der Jet ausgestoßen,
und diese Region modellierten jetzt sehr detailreich theoretische Physiker der
Goethe-Universität Frankfurt zusammen mit Wissenschaftlern aus Europa, den USA
und China.
Dabei nutzten sie ausgefeilte dreidimensionale
Supercomputer-Simulationen, die pro Simulation die gewaltige Menge von einer
Million CPU-Stunden verschlangen und gleichzeitig die Gleichungen von Albert
Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie, James Maxwells Gleichungen zum
Elektromagnetismus und Leonhard Eulers Gleichungen zur Strömungsmechanik
integrieren mussten.
Das Ergebnis war ein Modell, bei dem die berechneten Werte für
Temperaturen, Materiedichten und Magnetfeldern in hohem Maße mit den Werten
übereinstimmten, die aus den astronomischen Beobachtungen errechnet wurden. Auf
dieser Basis gelang es den Wissenschaftlern, die komplexe Strahlungsbewegung in
der gekrümmten Raumzeit im innersten Bereich des Jets zu modellieren und in
Bilder des Radiowellenspektrums zu übersetzen. Diese computermodellierten
Bilder konnten sie nun mit den Beobachtungen vergleichen, die während der
vergangenen drei Jahrzehnte mit zahlreichen Radioteleskopen und Satelliten
gemacht wurden.
Dr. Alejandro Cruz-Osorio, Erstautor der Studie, erklärt: „Unser
theoretisches Modell der elektromagnetischen Emission und der Jet-Morphologie
von M87 stimmt überraschend gut mit den astronomischen Beobachtungen des Jets
überein, und zwar im infraroten, im optischen und im Röntgenspektrum. Daraus
folgern wir, dass das supermassive Schwarze Loch M87* wahrscheinlich stark
rotiert und dass das Plasma im Jet stark magnetisiert ist, wodurch die Teilchen
so stark beschleunigt werden, dass sie diesen Jet über Tausende von Lichtjahren
bilden."
Prof. Luciano Rezzolla vom Institut für Theoretische Physik der
Goethe-Universität Frankfurt meint: “Dass die von uns berechneten Bilder den
astronomischen Beobachtungen so nahekommen, ist eine weitere wichtige
Bestätigung dafür, dass Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie die genaueste
und natürlichste Erklärung für die Existenz supermassereicher schwarzer Löcher
im Zentrum von Galaxien ist. Zwar lassen unsere Berechnungen immer noch Raum
für alternative Erklärungsmodelle, doch durch die Ergebnisse unserer Arbeit
wird dieser Raum deutlich kleiner."
Publikation: Alejandro Cruz-Osorio, Christian M. Fromm, Yosuke Mizuno, Antonios Nathanail, Ziri Younsi, Oliver Porth, Jordy Davelaar, Heino Falcke, Michael Kramer, Luciano Rezzolla: State-of-the-art energetic and morphological modelling of the launching site of the M87 jet. Nature Astronomy 2021, https://www.nature.com/articles/s41550-021-01506-w
Bilder zum Download / Bildtext:
(1) https://cloud.itp.uni-frankfurt.de/s/HWdLZa8TEweNZ5R
Das
theoretisches Modell (Theory) und die astronomischen Beobachtungen
(Observation) der Entstehungsregion des relativistischen Jets von M87 stimmen
sehr gut überein. Bild: Alejandro Cruz-Osorio
(2)
https://cloud.itp.uni-frankfurt.de/s/6WMxxH7GGzkxBcq
Entlang
der magnetischen Feldlinien werden die Teilchen so stark beschleunigt, dass sie
aus der Galaxie M87 heraus einen Jet von 6000 Lichtjahren Länge bilden. Bild:
Alejandro Cruz-Osorio
Weitere Informationen (in englischer Sprache)
http://www.blackholecam.orgBlackHoleCam
wird vom Europäischen Forschungsrat als Synergy Grant gefördert und hat zum
Ziel, schwarze Löcher abzubilden, zu vermessen und zu verstehen. Die führenden
Wissenschaftler von BlackHoleCam, Heino Falcke, Michael Kramer und Luciano
Rezzolla, testen grundlegende Vorhersagen, die sich aus Einsteins Allgemeiner
Relativitätstheorie ergeben. Das Team von BlackHoleCam ist Partner der
internationalen Event Horizon Telescope Collaboration (ETHC). Die
Goethe-Universität ist eine der Mitgliedsinstitutionen und im EHTC-Vorstand
vertreten.
Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr.
Alejandro Cruz-Osorio
Institute for Theoretical Physics
Goethe University Frankfurt
Tel. +49 (69) 79847886
osorio@itp.uni-frankfurt.de
Prof. Dr. Luciano Rezzolla
Institut für Theoretische Physik
Goethe-Universität Frankfurt
Tel: +49 (69) 798-47871
rezzolla@itp.uni-frankfurt.de