Internationales Forscherteam untersucht die Bindungskinetik von Kinase-Hemmern – Cell Chemical Biology, DOI: 10.1016/j.chembiol.2021.01.003
Wie sich die Passform bestimmter Wirkstoffe optimieren lässt, damit sie länger an ihre Zielproteine binden und damit eine stärkere pharmakologische Wirkung entfalten, haben jetzt Wissenschaftler:innen der Goethe-Universität Frankfurt zusammen mit Kolleg:innen aus Darmstadt, Heidelberg, Oxford und Dundee (UK) am Bespiel so genannter Kinase-Hemmstoffe untersucht. Solche Stoffe werden vielfach in der Krebstherapie eingesetzt. Das Ergebnis: Besonders lange dauert die „Umarmung“ von Hemmstoff und Protein, wenn sich das Protein an den Hemmstoff „anschmiegt“. Künftig wollen die Forscher:innen mit Computersimulationen die Bindedauer von Substanzen vorhersagen.
FRANKFURT. Viele
Krebsmedikamente blockieren in Krebszellen Signale, mit deren Hilfe sich
entartete Zellen unkontrolliert vermehren und aus dem Gewebeverband herauslösen.
So führt zum Beispiel die Blockade des Signalproteins FAK, einer sogenannten
Kinase, dazu, dass bestimmte Brustkrebszellen weniger beweglich werden und
somit weniger stark metastasieren. Das Problem: Wenn FAK durch einen Hemmstoff
blockiert wird, wird das nahe verwandte Signalprotein PYK2 viel aktiver und
übernimmt so einen Teil der Aufgaben von FAK. Ideal wäre daher ein Hemmstoff,
der in gleicher Weise sowohl FAK wie auch PYK2 möglichst langanhaltend
inhibiert.
Ein internationales Team um den Pharmakochemiker Prof. Stefan
Knapp von der Goethe-Universität hat eine Reihe eigens synthetisierter
FAK-Hemmstoffe untersucht. Alle Hemmstoffe banden ungefähr gleich schnell an
das FAK-Signalprotein. Sie unterschieden sich jedoch in der Dauer der Bindung:
Der wirksamste Hemmstoff blieb am längsten mit dem FAK-Signalprotein verbunden.
In biochemischen und molekularbiologischen Analysen sowie
Computersimulationen fand das Forschungsteam heraus, dass hierfür die Art der
Wechselwirkung zwischen FAK-Signalprotein und Hemmstoff verantwortlich ist.
Durch die Bindung des Wirkstoffs verändert das FAK-Signalprotein seine Form und
bildet an einer der Kontaktstellen eine bestimmte, wasserabweisende Struktur
aus. Diese veränderte (induzierte) FAK-Struktur bindet besonders gut an eine
ebenfalls wasserabweisende Struktur des Hemmstoffs, vergleichbar einer innigen
Umarmung.
Das Schwesterprotein PYK2 hingegen bleibt vergleichsweise steif,
und obwohl der wirksamste FAK-Hemmstoff auch PYK2 blockierte, war sein Effekt
hier deutlich schwächer.
Den Forscher:innen gelang es, das Bindungsverhalten der
Inhibitoren in Computersimulationen zu modellieren und so eine Methode zu
entwickeln, mit deren Hilfe sich künftig in der pharmazeutischen Forschung
Wirkstoffkandidaten optimieren lassen.
Prof. Stefan Knapp erklärt: „Weil wir jetzt die molekularen
Mechanismen der Interaktion von potenten Hemmstoffen dieser zwei Kinasen besser
verstanden haben, hoffe wir, künftig anhand von Computersimulationen die
Verweildauer potenzieller Wirkstoffe besser vorhersagen zu können. Die
Verweildauer von Wirkstoffen wurde bisher nur wenig beachtet. Diese Eigenschaft
hat sich jedoch als wichtiger Parameter für die Entwicklung von effektiven
Wirkstoffen entpuppt, die nicht nur spezifisch, sondern auch langanhaltend ein
oder mehrere Zielproteine – wie im Fall von FAK und PYK2 – hemmen sollen.“
Publikation: Benedict-Tilman
Berger, Marta Amaral, Daria B. Kokh, Ariane Nunes-Alves, Djordje Musil, Timo
Heinrich, Martin Schröder, Rebecca Neil, Jing Wang, Iva Navratilova, Joerg
Bomke, Jonathan M. Elkins, Susanne Müller, Matthias Frech, Rebecca C. Wade,
Stefan Knapp: Structure-kinetic relationship reveals the mechanism of
selectivity of FAK inhibitors over PYK2. Cell Chemical Biology https://doi.org/10.1016/j.chembiol.2021.01.003
Die Arbeiten sind im Rahmen des Public
Private Partnerships K4DD (Kinetics for Drug Discovery) der Innovative
Medicinces Initiatives (IMI) entstanden. https://www.k4dd.eu/home/
Bilder
zum Download:
Mit
und ohne Bildbeschriftung: http://www.uni-frankfurt.de/96999809
Bildtext:
Oben:
Lange Bindungsdauer. Ein Inhibitor (links: Stäbchenmodell) bindet an das Signalprotein
FAK (rechts: ein Teil des FAK-Proteins dargestellt als Kalottenmodell mit
Halbkugeln). Die strukturellen Veränderungen in FAK verursachen
wasserabweisende Kontakte (gelb, so genanntes DFG-Motiv) und eine lang
anhaltende Bindung.
Unten:
Kurze Bindungsdauer. Das PYK2-Signalprotein ändert seine Struktur nicht, was zu einer
schnellen Dissoziation des Inhibitors führt. Grafik: Knapp Laboratory,
Goethe-Universität Frankfurt
Weitere
Informationen
Prof. Dr.
Stefan Knapp
Institut
für Pharmazeutische Chemie
Goethe-Universität
Frankfurt
knapp@pharmchem.uni-frankfurt.de