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AIWG veröffentlicht Expertise zu islamischem Religionsunterricht
Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität hat heute ihre neue Expertise zum islamischen Religionsunterricht in Deutschland veröffentlicht. Die Publikation „Islamischer Religionsunterricht in Deutschland: Qualität, Rahmenbedingungen, Umsetzung“ bietet einen Überblick zu Lehrinhalten und rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem nehmen die Autorinnen und Autoren die konkrete Umsetzung des Schulfachs in ausgewählten Bundesländern in den Blick, darunter Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen.
FRANKFURT. Religionsunterricht
ist das einzige Fach, das im deutschen Grundgesetz verankert ist. Der Staat
steht also in der Verantwortung, strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen und
personelle Ressourcen bereitzustellen, damit Religionsunterricht in deutschen
Klassenzimmern stattfinden kann. Trotzdem haben muslimische Kinder bislang
nicht in allen Bundesländern die Möglichkeit, an einem „bekenntnisorientierten“
Unterricht in ihrer Religion teilzunehmen. Aktuell nehmen 60.000 Schülerinnen
und Schüler in Deutschland am islamischen Religionsunterricht beziehungsweise
am islamkundlichen Unterricht teil. Das ist nur ein Bruchteil aller
muslimischen Kinder und Jugendlichen an deutschen Schulen insgesamt, deren
Anzahl auf 580.000 geschätzt wird.
Politische Aspekte bestimmen Debatten zum islamischen
Religionsunterricht
Aus Sicht der Autorinnen und Autoren dominieren in den
Diskussionen über den islamischen Religionsunterricht vor allem rechtliche und
politische Aspekte: Welche islamischen Organisationen eignen sich als Gegenüber
für den Staat? Wie hoch ist das Risiko, dass sich ausländische Einrichtungen in
den Unterricht einmischen? Und welche Auswirkungen hätte es, wenn islamische
Organisationen als Religionsgemeinschaften anerkannt würden? Bei diesen
Debatten kommen Aspekte, die ebenso wichtig sind, oft zu kurz. Den Autorinnen
und Autoren zufolge sind das: die Qualität des Unterrichts, die Ausbildung von
Standards in der Lehrkräfteausbildung, die fehlende empirische
Unterrichtsforschung, der Auf- und Ausbau des islamischen Religionsunterrichts
sowie die positiven Effekte, die Religionsunterricht – unabhängig von
Konfession oder Glaubensrichtung – für eine Gesellschaft haben kann.
Dazu Dr. Fahimah Ulfat, Professorin für islamische Religionspädagogik
an der Universität Tübingen und Mitautorin der Expertise: „Der islamische
Religionsunterricht übt eine zentrale Anerkennungsfunktion von religiöser
Pluralität in Schule und Gesellschaft aus. Schüler_innen muslimischen Glaubens
können sich, ebenso wie ihre Mitschüler_innen christlichen Glaubens, im
Unterricht mit ihrer Religion kritisch und reflektiert auseinandersetzen. Ihre
Religion wird als Normalität im Kontext Schule anerkannt. Der islamische
Religionsunterricht ist in der Schule häufig der einzige Ort, an dem über Islam
und Menschen muslimischen Glaubens in einer wertschätzenden Art und Weise
gesprochen wird, aber auch an dem über viele religiöse und ethische Fragen, die
junge Muslim_innen in Deutschland beschäftigen, offen diskutiert wird. Der
Religionsunterricht leistet einen Beitrag zur Bildung, da er zur Aneignung von
Wissen, zum Verstehen, zur Perspektivenübernahme und somit zur
Handlungsfähigkeit im Sinne von Kommunikation und Partizipation befähigt. Diese
Kenntnisse und Fähigkeiten sind Grundlage für Haltungen wie Toleranz,
wechselseitiger Respekt und Anerkennung des Anderen. Dies sind entscheidende
Argumente für eine Beibehaltung und den Ausbau des islamischen
Religionsunterrichts in einer religionspluralen Gesellschaft.“
Warum steht islamischer Religionsunterricht bislang nicht in den
Lehrplänen aller Bundesländer?
Ein Grund dafür ist, dass die meisten Bundesländer aufgrund
religionspolitischer Bedenken islamische Religionsgemeinschaften bislang nicht
als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt haben. Deshalb gibt es – mit
Ausnahme des Religionsunterrichts der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Hessen, an dem
allerdings nur wenige Schüler teilnehmen, – in Deutschland keinen islamischen
Religionsunterricht, für den eine einzelne islamische Religionsgemeinschaft
verantwortlich ist.
Stattdessen werden entweder alternative Modelle praktiziert, in
denen mehrere islamische Organisationen in übergreifenden Kommissionen,
Beiräten oder über lokale Vertreterinnen und Vertreter eingebunden sind. Dies
ist zum Beispiel der Fall in Baden-Württemberg, Niedersachsen und
Nordrhein-Westfalen. Oder die Bundesländer erteilen eine in alleiniger
staatlicher Verantwortung stehende Islamkunde, wie etwa in Bayern oder
Schleswig-Holstein. Beide Modelle werfen jedoch verfassungsrechtliche Probleme
auf: „Einerseits sieht das Grundgesetz keinen Religionsunterricht vor, der ohne
anerkannte Religionsgemeinschaft erteilt wird. Andererseits ist die Gefahr
hoch, dass der Staat durch die Erteilung eines Islamkundeunterrichts gegen
seine Verpflichtung verstößt, religiös und weltanschaulich neutral zu sein.
Denn hier bestimmen staatliche Akteurinnen und Akteure de facto, welche Inhalte
einer Religion gelehrt werden sollen und welche nicht“, sagt Dr. Jan Felix
Engelhardt, Geschäftsführer an der AIWG und Mitautor der Expertise.
Die Autorinnen und Autoren:
Dr. Fahimah Ulfat ist Professorin für Islamische
Religionspädagogik am Zentrum für Islamische Theologie der
Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen
unter anderem die empirische Erforschung von Glaubens- und Wissenskonzepten
muslimischer Kinder und Jugendlicher, die wissenschaftliche Begleitung,
Erforschung und Weiterentwicklung des islamischen Religionsunterrichts sowie
die Erforschung der theologischen und pädagogischen Professionalität von
Lehrkräften für den islamischen Religionsunterricht.
Esra Yavuz hat Islamische Theologie sowie Mathematik,
Deutsch und Islamische Religion auf Lehramt studiert. Seit 2018 unterrichtet
sie diese Fächer an einer Grundschule in Frankfurt am Main. Sie ist Expertin
für islamischen Religionsunterricht in Deutschland mit praktischer Erfahrung in
Hessen sowie für interreligiöses Lernen im schulischen Kontext.
Dr. Jan Felix Engelhardt ist Geschäftsführer an der AIWG. Zu
seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Akademisierung muslimischer
Wissensproduktion in Deutschland und Europa sowie das Verhältnis zwischen
Theologie, Gesellschaft und Politik.
Über die Publikationsreihe „AIWG-Expertisen“ und „AIWG in puncto“:
Mit ihren Publikationsreihen „AIWG-Expertisen“ und „AIWG in
puncto“ möchte die AIWG Wissensbedarfe zum Islam in Deutschland decken,
Debatten versachlichen sowie Erkenntnislagen verbessern. Den von Expertinnen
und Experten erarbeiteten Wissensstand, ihre Einschätzung und Diskussionspunkte
stellt die AIWG in anschaulicher Form einer breiten Öffentlichkeit bereit. Die „AIWG-Expertisen“
präsentieren eine vertiefte Erörterung des jeweiligen Themas. „AIWG in puncto“ behandelt
eine konkrete Fragestellung in Kurzform und stellt thesenartige Einschätzungen
zur breiten Diskussion.
Über die AIWG
Die AIWG ist eine universitäre Plattform für Forschung und
Transfer in islamisch-theologischen Fach- und Gesellschaftsfragen. Sie
ermöglicht überregionale Kooperationen und Austausch zwischen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der islamisch-theologischen Studien
und benachbarter Fächer sowie Akteurinnen und Akteuren aus der muslimischen
Zivilgesellschaft und weiteren gesellschaftlichen Bereichen. Die AIWG wird
gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und durch die
Stiftung Mercator.
Publikation:
https://aiwg.de/publikationen-expertisen/
Weitere Informationen
Stefanie Golla
Koordinatorin Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft
Goethe-Universität
Telefon 069 79822-459
E-Mail golla@aiwg.de
Homepage https://aiwg.de/
Wissenschaftler:innen von Goethe-Universität und Universität Münster begleiten Modellbau des ALICE-Detektors im Teilchenbeschleuniger in Genf
Das deutsche Netzwerk der ALICE-Kollaboration am CERN lädt Jugendliche ab 16 Jahren und Studierende der ersten Semester ein, den Teilchendetektor ALICE mit Lego nachzubauen. Physiker:innen der Goethe-Universität Frankfurt und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster begleiten das Projekt. Vom 18. Januar an entwerfen die Teilnehmer:innen zunächst das Modell mit Konstruktionsprogrammen, im Juni soll der Lego-Detektor voraussichtlich in Frankfurt zusammengebaut werden. Mitmachen können junge Interessierte aus dem ganzen Bundesgebiet, da die Veranstaltungen online angeboten werden.
FRANKFURT / MÜNSTER (WESTF.) An der großen
Teilchenbeschleunigeranlage CERN in Genf gehen Wissenschaftler:innen aus der
ganzen Welt grundlegenden Fragen der Physik nach: Was ist Materie? Wie hat sich
das Universum entwickelt? Dazu lassen die Forscher:innen Atomkerne mit hohen
Geschwindigkeiten aufeinanderprallen und zerlegen sie in ihre elementaren
Bestandteile. Vermessen werden diese Materie-Bausteine mithilfe großer Teilchendetektoren.
Der ALICE-Detektor misst die Teilchen, die bei der Kollision von Blei-Ionen
entstehen – 900 Millionen Teilchen pro Sekunde. Eines der Forschungsziele ist
es, den Zustand von Materie kurz nach dem Urknall verstehen zu lernen.
Wie der 26 Meter lange und 16 Meter hohe ALICE-Detektor
funktioniert, können Physik-interessierte Schülerinnen und Schüler jetzt in
einem Online-Kurs erfahren, indem sie den Detektor nachbauen, maßstäblich und
mit Lego-Bausteinen. Ähnliche Detektor-Nachbauten gab es in der Vergangenheit
bereits für zwei weitere große CERN-Detektoren; das Modell für ALICE sollen die
Teilnehmer:innen jetzt gemeinsam entwickeln und dabei lernen, wie das große
ALICE-Original funktioniert und wie mit dem Detektor Forschungsfragen
beantwortet werden können.
Unterstützt werden sie dabei von Physiker:innen der
Goethe-Universität Frankfurt, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
und weiteren Forschenden aus dem deutschen ALICE-Netzwerk, die Wissen über
Teilchenphysik und das ALICE-Experiment, über Detektortechnologie und die
Zusammenarbeit in einer Forschungskollaboration vermitteln und auch für Fragen
zu Studium und Beruf zur Verfügung stehen.
Start: 18. Januar 2021, 16:00 Uhr
Anmeldung: https://indi.to/ALICE-Lego-Modell
Veranstaltungsposter
zum Download:
https://indico.cern.ch/event/980071/attachments/2161765/3647814/Poster_ALICE_LEGO_Workshop_v3.pdf
Bild zum Download:
http://www.uni-frankfurt.de/96043535
Bildtext:
Jugendliche
ab 16 Jahren und Studierende der ersten Semester können in einem
Online-Workshop den Teilchendetektor ALICE mit Lego nachzubauen. Copyright:
Fotograf: Julien Ordan/CERN. Montage: WWU
Weitere
Informationen
Marcus
Mikorski
Koordinator für den Deutschen ALICE-Forschungsschwerpunkt
Goethe-Universität Frankfurt
Tel: 069 798-47099
marcus.mikorski@cern.ch
Prof.
Dr. Christian Klein-Bösing
Institut
für
Kernphysik
Westfälische
Wilhelms-Universität Münster
Tel.:
0251 83-34973
Christian.Klein-Boesing@uni-muenster.de