Archäologen der Goethe-Universität schließen Projekt in Stockstadt am Main ab
FRANKFURT. Archäologen der Goethe-Universität haben in einem umfangreichen Projekt römische Funde aus Stockstadt am Main (Bayern) aufgearbeitet und digital erfasst. Die Arbeiten bilden die Voraussetzung für künftige Forschungen und für eine Neukonzeptionierung des Museums in Stockstadt.
Auf dem heutigen Stadtgebiet des Marktes Stockstadt am Main
bestand von etwa 100 bis 270 n. Chr. einer der bedeutendsten Standorte am
römischen Main-Limes. Das Kastell beherbergte nacheinander mehrere römische
Hilfstruppen, am längsten die cohors I Aquitanorum veterana equitata, einer
Einheit aus ca. 500 Fußsoldaten und 120 Reitern, die ursprünglich im heutigen
Südwest-Frankreich ausgehoben worden war. Dem Militärlager schloss sich eine
ausgedehnte Siedlung (vicus) an, die von der Garnison, aber wohl auch vom
Germanienhandel profitierte.
International bekannt ist das römische Stockstadt vor allem durch
sein Mithras-Heiligtum (Mithräum), die steinernen Weihealtäre von sog.
Benefiziariern (beneficiarii consulares), einer Art Militärpolizei und
Zollaufsicht des röm. Statthalters, zwei bronzene Gesichtsmasken von
Reiterhelmen sowie einen Münzschatz von 1315 Silbermünzen (denarii). Diese
Funde werden heute im Saalburgmuseum, in der Archäologischen Staatssammlung
München bzw. im Stiftsmuseum Aschaffenburg aufbewahrt und präsentiert.
Umfangreichere Ausgrabungen fanden nur zwischen 1885 und 1909
statt, einige kleinere Untersuchungen nach 1990. Zuletzt wurden 2011/12
Ausgrabungen im römischen Gräberfeld durchgeführt. Seit 2005 ist die röm. Fundstätte
trotz weitgehender mittelalterlicher bis moderner Überbauung Bestandteil des
UNESCO-Weltkulturerbes obergermanisch-rätischer Limes.
Nicht nur die genannten Museen beherbergen Funde aus Stockstadt;
auch das Heimatmuseum Stockstadt besitzt eine mehr als 6000 Objekte umfassende
Sammlung römischer Funde, darunter verschiedenste Gegenstände des alltäglichen
Lebens und der Militärausrüstung, aber z. B. auch Architekturteile der
Umwehrung des Kastells und die gut erhaltenen Beigaben zahlreicher Gräber. Diese
Funde stammen hauptsächlich aus Notbergungen und Aufsammlungen auf Baustellen
des 20. Jahrhunderts durch ehrenamtliche Beauftragte und Privatleute, aber auch
aus amtlichen Ausgrabungen. Die teilweise überregional bedeutenden Funde sind
bisher weitgehend unveröffentlicht und nur exemplarisch ausgestellt.
Diese Bestände für die Wissenschaft und die interessierte
Öffentlichkeit systematisch zu archivieren und zu erschließen, ist das Ziel
eines bayerisch-hessischen Kooperationsprojekts der Marktgemeinde Stockstadt a.
M., der Goethe-Universität Frankfurt und der Landesstelle für die
nichtstaatlichen Museen in Bayern, das Ende 2019 nach neun Monaten
abgeschlossen wird. Die Funde sind nun nach den aktuellen Standards für
Kulturgüter in einer Mediendatenbank der Landesstelle für die nichtstaatlichen
Museen in Bayern digital recherchierbar erfasst. Von Anfang 2020 an soll die
Datenbank über die Homepage des Marktes Stockstadt online nutzbar sein.
Um dieses Ziel zu erreichen, mussten die Funde z. T. gereinigt, nach
Sammlungen bzw. Fundstellen und Materialien sortiert, (zumindest grob)
wissenschaftlich bestimmt und datiert werden. Darüber hinaus wurden die Objekte
einzeln oder auch in Sammelaufnahmen durchfotografiert. Diese Datenerhebung und
-sicherung bildete die notwendige Voraussetzung für die Archivierung, die mit
der Einpflege der Daten in die Mediendatenbank einherging. Jedes einzelne
Objekt wurde mit einer Inventarnummer beschriftet.
All diese Arbeiten wurden durch ein kleines Team von Studierenden,
unterstützt durch ehrenamtliche Helfer, ausgeführt. Den Studenten bot sich so
die Möglichkeit, fachspezifische Materialkenntnisse zu erwerben und
gleichzeitig einen Einblick in praktische Museumsarbeit im digitalen Zeitalter
zu erhalten. Die Leitung des Projekts hatte Dr. Alexander Reis aus Obernburg am
Main inne, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für
Archäologische Wissenschaften (Abt. II) mit Drittmitteln des Marktes Stockstadt
für dieses Projekt eingestellt werden konnte. Er ist provinzialrömischer
Archäologe und wurde 2003 an der Goethe-Universität im Fach Archäologie und
Geschichte der römischen Provinzen mit der Studie „NIDA-Heddernheim im 3.
Jahrhundert n. Chr. – Studien zum Ende der Siedlung“ (Schriften des
Archäologischen Museums Frankfurt 24, Frankfurt a. M. 2010) bei Prof. Dr.
Hans-Markus v. Kaenel promoviert.
Das Projekt zeitigt nicht nur einen beträchtlichen Mehrwert für
die archäologische Limesforschung, sondern bildet zugleich die notwendige
Grundlage für eine zukünftige Neukonzeption der Dauerausstellung des Museums.
Im Zuge des Projektes gelang es außerdem, die umfangreiche Privatsammlung des
örtlichen Apothekers Dr. Fred Rattinger (1912–1981) in öffentliches Eigentum zu
überführen. Die feierliche Übereignung der Sammlung fand im Rahmen eines
heutigen Pressetermins statt.
Bilder zum Download finden Sie
unter: www.uni-frankfurt.de/83879025
Bildtext:
Bild 1: Sigillata-Schüssel aus Gallien, 2. Jahrhundert nach Christus.
Bild 2: Römisches Grab aus Stockstadt.
Fotos: GU
Informationen: Prof. Dr. Markus Scholz,
Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen, Institut für Archäologische
Wissenschaften, Abt. II, Fachberei 10, Uni-Campus Westend, Telefon +49 (0)69
798 32265, m.scholz@em.uni-frankfurt.de