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Dez 16 2019
15:13

Der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe erklärt in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“, warum der Kapitalismus gegenüber anderen System überlegen ist 

Güter für Menschen mit kleinem Einkommen

FRANKFURT. Beim „kalten Herz“ mag man zunächst an das berühmte Märchen von Wilhelm Hauff denken, in dem der Köhler Peter Munk aus Habgier sein Herz gegen einen kalten Stein eintauscht. Der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe hat das Motiv zum Titel seines Buches über die Geschichte des Kapitalismus gemacht. In der „Kälte“ dieser Form des Wirtschaftens, so Plumpe, liege nun genau auch ihre Stärke: Indem der Kapitalismus allein Nützlichkeitskalkülen folge, sei er besonders leistungsfähig.

Im Interview mit Forschung Frankfurt spricht Plumpe über die Genese des Kapitalismus in der frühen Moderne und spricht über Entwicklungen bis in die Gegenwart. Die Kritik am Privateigentum sei schon sehr alt und reiche bis zur Bergpredigt zurück; großer Besitz entfalte aber erst im Kapitalismus eine ganz andere Dynamik, indem aus einem großen Vermögen ein Produktivkapital werde. Erst bei der Massenproduktion von Gütern rechne sich die Nutzung dieses Kapitals, so Plumpe. Die Wirtschaftsform basiere darauf, dass der Einzelne, der sein Vermögen investiert, auf eigene Rechnung handele. Der Kapitalismus sei dadurch „zentrumslos“, er lasse auch ein Scheitern zu. Die menschliche Produktivität steige an, solange das Wissen zunehme. Das Neue könne dabei durchaus auch zerstörerisch wirken: Produkte würden ersetzt, Qualifikationen alterten.

Mit der Durchsetzung der kapitalistischen Massenkonsumgesellschaft seit den späten 70er Jahren seien zugleich auch die handlungs- und Wahlmöglichkeiten junger Leute gestiegen, die nun aus einer Kultur der Bevormundung entfliehen konnten, ohne das materielle Überleben der Familie zu gefährden. Dass die Protestkultur der 60er Jahre auch nur in Form eines „marktkonformen Protestes“ stattfinden konnte, sei für viele sicherlich eine Enttäuschung gewesen, so Plumpe; doch der Kapitalismus sei auch „kalt“ gegenüber der Kritik an ihm.
Die Finanzkrise sei zwar ein schlimmer Einbruch, aber keine Systemkrise der Wirtschaftsform gewesen. Plumpe macht hier eher politische Ursachen dafür verantwortlich, dass die Risiken deregulierter Finanzmärkte systematisch unterschätzt, ihre positiven Folgen überschätzt worden seien.

Werner Plumpe ist seit 1999 Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Goethe-Universität; seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Unternehmens- und Industriegeschichte des 19. Jahrhunderts und in der Geschichte des ökonomischen Denkens und der ökonomischen Theorien. Werner Plumpe: Das kalte Herz. Kapitalismus: Die Geschichte einer andauernden Revolution. Berlin: Rowohlt 2019.

Weitere Themen in der neuen Ausgabe von Forschung Frankfurt:
Vorbeugen ist besser als heilen: Interview mit dem Epidemiologen und Systemmediziner Prof. Philipp Wild, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, zum Einfluss von Umweltfaktoren auf die Herzgesundheit.
Vom Herz zum Schmerz: Kummer als Auslöser von Krankheit und Leiden.
Klappe – die zweite: Herzklappenaustausch in einer halben Stunde dank modernem Katheter-Verfahren.
„Meine herzkranken Kinder haben mich gerettet“ – Porträt des Kinderkardiologen Prof. Dietmar Schranz.

Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2019) kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.

Im Web: www.forschung-frankfurt.de