Mär 6 2009

NMR-Experimente erstmals in natürlicher Umgebung möglich

Proteinstruktur in der lebenden Zelle bestimmt

FRANKFURT. Die Funktion eines Proteins hängt sowohl von seiner Struktur ab, als auch von den Molekülen, mit denen es in seiner Umgebung wechselwirkt. Bisher konnten jedoch nur isolierte Proteine untersucht werden. Einem internationalen Forscherteam der Tokyo Metropolitan University, der Goethe-Universität und des Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) ist es nun erstmals gelungen, die Struktur von Proteinen in ihrer natürlichen Umgebung, der lebenden Zelle, zu ermitteln. Mithilfe der magnetischen Kernspinresonanz (NMR-Spektroskopie) konnten die Forscher die Struktur eines Proteins im Innern des Darmbakteriums Escherichia coli aufklären. „Damit haben wir ein grundlegendes Ziel der Molekularbiologie erreicht“ erklärt Prof. Peter Güntert vom Biomolekularen Magnetresonanzzentrum (BMRZ) der Goethe-Universität. Die Forschungsergebnisse erscheinen am 5. März 2009 in der Fachzeitschrift Nature.

Gewöhnlich werden Proteine für die Strukturbestimmung aus der Zelle extrahiert, gereinigt und dann als Kristalle oder in Lösung untersucht. Die NMR-Spektroskopie registriert Signale von Wasserstoffkernen, die in organischen Molekülen in großer Zahl vorkommen. Misst man in einer lebenden Zelle, ist es schwierig, zwischen dem interessierenden Protein und den zahlreichen anderen Proteinen in der „Ur-Suppe“ des Zytoplasmas zu unterscheiden. Die japanischen Forscher um Prof. Yutaka Ito lösten dieses Problem, indem sie das Gen für das zu untersuchende Protein aus einem Bakterium in das Modellsystem Escherichia coli einschleusten. Dort wurde das Protein, das vermutlich der Bindung von Schwermetallen dient, in hoher Konzentration produziert (über-exprimiert).

Der Messerfolg beruht auf der „in-cell“ NMR-Spektroskopie, die bereits vor einigen Jahren von Prof. Volker Dötsch am BMRZ der Goethe-Universität entwickelt wurde. Dötsch hatte die Signale aus der lebenden Zelle bestimmten Proteinen zuordnen können, weil er sie vorher mit schweren Stickstoff-Atomen (N-15) markiert hatte. Allerdings ließ sich aus diesen Daten noch keine dreidimensionale Struktur errechnen. „Für ein mehrdimensionales NMR Spektrum benötigt man eine Messzeit von durchschnittlich zwei Tagen“, erklärt Peter Güntert, „leider überleben die Zellen in einem NMR-Gerät ohne Sauerstoff und Nährstoffe nur fünf bis sechs Stunden“. Die drastische Verkürzung der Messzeit auf ein Zehntel der eigentlich benötigten Dauer konnten Güntert und seine Mitarbeiter kompensieren, indem sie das vollständige Spektrum mit rechnerischen Methoden rekonstruierten. Davon ausgehend berechneten sie mit Software, die in der eigenen Arbeitsgruppe entwickelt wurde, eine detaillierte dreidimensionale Struktur des Proteins im Innern von E. coli Zellen.

Die Strukturbestimmung von Proteinen mit in-cell NMR-Spektrosokpie eröffnet neue Wege, mit atomarer Auflösung zu untersuchen, wie Proteine an biologischen Prozessen in lebenden Systemen teilnehmen. Sie trägt zum grundlegenden Verständnis der molekularen Grundlage des Lebens bei und kann die Entwicklung neuer, gezielter wirkender Arzneimittel unterstützen.

Prof. Peter Güntert leitet seit Juli 2007 die von der VolkswagenStiftung mit über 1,4 Millionen Euro unterstützte Lichtenberg-Professur für NMR-based Computational Structural Biology an der Goethe-Universität.

Veröffentlichung: Sakakibara, D., Sasaki, A., Ikeya, T., Hamatsu, J., Hanashima, T., Mishima, M., Yoshimasu, M., Hayashi, N., Mikawa, T., Wälchli, M., Smith, B. O., Shirakawa, M., Güntert, P. & Ito, Y. Protein structure determination in living cells by in-cell NMR spectroscopy. Nature (March 5, 2009).

Informationen Prof. Peter Güntert, Biomolekulares Magnetresonanzzentrum, Institut für Biophysikalische Chemie und Frankfurt Institute for Advanced Studies, Campus Riedberg, Tel.: (069)-798-29621, guentert@em.uni-frankfurt.de