Sozialministerium und Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität stellen regionale Prognosen vor
Die Generation der Babyboomer geht nach und nach in Rente. Sie hinterlässt große Lücken im Arbeitsmarkt, die nur teilweise durch jüngere Arbeitskräfte geschlossen werden können. Das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität hat im Auftrag des Hessischen Sozialministeriums Prognosen erstellt, welche Zahlen bis 2028 in den unterschiedlichen Regionen und Berufsfeldern zu erwarten sind. Gegenmaßnahmen sind möglich – und offenbar dringend geboten.
FRANKFURT. Der
Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie haben verglichen mit dem
demographischen Wandel nur geringe Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Hessen.
Durch den altersbedingten Austritt vieler Beschäftigter der
Babyboomer-Generation entstehen große Lücken, die durch die geringere Zahl an
jungen Menschen, die neu in den Arbeitsmarkt eintreten, nur bedingt geschlossen
werden können. Fachkräftemangel ist die Folge. In Hessen ist diese Entwicklung
regional unterschiedlich ausgeprägt, und auch die verschiedenen Berufe sind
unterschiedlich stark betroffen. Ein genaues Bild der zu erwartenden Lage
zeichnen die regionalen Berufsprognosen, die durch das Institut für Wirtschaft,
Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität im Auftrag des Hessischen
Ministeriums für Soziales und Integration erstellt werden. Damit
habe man „Transparenz geschaffen, um die Entwicklung neuer bzw. das
Nachschärfen bestehender Fachkräftestrategien und ihre Ausrichtung auf
mittelfristige Entwicklungen zu ermöglichen“, sagt Kai Klose, Hessischer
Minister für Soziales und Integration.
Die Prognosen (ab 16:30 Uhr unter www.hessische-berufsprognosen.de)
sind heute der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Danach fehlen in Hessen im
Zeitraum von 2021 bis 2028 insgesamt 200.000 Fachkräfte – gut 130.000
Fachkräfte mit Berufsabschluss und knapp 70.000 Fachkräfte mit
Hochschulabschluss. Das Potenzial von Personen ohne Abschluss, die nach einer
Nachqualifizierung möglicherweise Fachkraftaufgaben übernehmen können, ist
demgegenüber mit rund 20.000 Personen denkbar gering. Die Option der
Nachqualifizierung besteht ohnehin nur in den Großstädten, denn in den ländlich
geprägten Regionen des Landes fehlt es auch an Personen ohne Berufsabschluss.
Grundsätzlich gilt, je weiter man sich von urbanen Gebieten entfernt, desto
größer ist der Mangel an Arbeits- und Fachkräften.
Was die unterschiedlichen Branchen angeht, trifft der
Fachkräftemangel besonders stark die Sozialberufe. Den Prognosen zufolge werden
bis 2028 im Bereich Gesundheit 13.000 und im Bereich Erziehung mehr als 16.000
Beschäftigte fehlen. Die Lücken sind hier besonders groß, weil in den kommenden
Jahren nicht nur viele Beschäftigte altersbedingt ausscheiden werden, sondern
auch, weil sich der Bedarf an Gesundheits- und Erziehungsleistungen weiter
erhöhen wird. Denn die Zahl älterer Menschen, die Gesundheitsdienstleistungen
benötigen, steigt an, und durch den weiteren Ausbau der Kindertagesbetreuung
werden auch mehr Erzieherinnen benötigt. Ein passgenaues
Kinderbetreuungsangebot ermöglicht es Frauen, umfangreicher erwerbstätig werden
zu können – ebenfalls ein wichtiger Baustein beim Kampf gegen den
Fachkräftemangel. Auch bei Handwerks- und IT-Berufen hat Fachkräftegewinnung
und -sicherung Priorität, in Zusammenhang mit Energiewende und Digitalisierung
ist auch dort ein Aufwuchs zu erwarten.
Und der Höhepunkt der altersbedingten Austritte der
Babyboomer-Generation ist 2028 noch längst nicht erreicht. „Den Peak erwarten
wir erst in zehn Jahren. Aber auch ab 2033 werden die Austritte nur langsam
zurückgehen. Selbst im Jahr 2040 werden die altersbedingten Austritte aus dem
Erwerbsleben noch um 10.000 Personen höher als heute liegen“, erklärt Dr.
Christa Larsen, Leiterin des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK)
der Goethe-Universität. Die hessischen Arbeitsmärkte würden, so Larsen, bis
weit in die 2040er-Jahre hinein maßgeblich durch die demografische Entwicklung
bestimmt werden.
Um die hessische Wirtschaft für diese Herausforderung zu rüsten,
bedarf es schnell gezielter Strategien für deren Abmilderung. Regionale
Strategien könnten gezielt helfen, Fachkräfte zu sichern. Dafür braucht es ein
gutes Zusammenspiel aller Arbeitsmarktakteure. Die Stabstelle
Fachkräftesicherung in Hessen, die am Hessischen Ministerium für Soziales und
Integration angesiedelt ist, leistet hier im Auftrag der Hessischen
Landesregierung wesentliche Unterstützung. 2023 wird jeder Kreis und jede
kreisfreie Stadt die Möglichkeit bekommen, eine fachlich fundierte
Zukunftswerkstatt durchzuführen. Eine solche Werkstatt dient dazu, zum Bedarf passende
Maßnahmen zu entwickeln bzw. bereits bestehende passgenau fortzuschreiben.
„Wir können stolz darauf sein, dass die Goethe-Universität
gemeinsam mit dem Land Hessen Transparenz zur Fachkräftelage schafft und eine
darauf abgestimmte Fachkräftesicherung entwickelt wird. Damit kann unsere
Kooperation einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung und damit zur
Stabilität des Wirtschaftsstandorts Hessen leisten“, sagte Prof. Bernhard
Brüne, Vizepräsident der Goethe-Universität Frankfurt am Main, in seinem
Grußwort.
Die Prognosen zur Entwicklung von Berufen zwischen 2021 und 2028
können am heutigen Donnerstag, 19. Januar, von 16.30 Uhr an unter www.hessische-berufsprognosen.de
heruntergeladen werden.
Weitere Informationen und Anmeldung
Dr.
Christa Larsen
Institut
für Wirtschaft, Arbeit und Kultur (IWAK) der Goethe-Universität
Telefon
069 798- 22152
E-Mail
c.larsen@em.uni-frankfurt.de