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Jahrzehnte altes Rätsel um Krebswirkstoff Nelarabin gelöst
Forscher aus Frankfurt stellen in Hefen Tsetse-Lockstoff zur Eindämmung der Schlafkrankheit her
FRANKFURT. Weil die Tsetse-Fliege die Schlafkrankheit übertragen kann, wird sie in Afrika mit Insektiziden bekämpft oder in Fallen gefangen. Biowissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt haben jetzt ein Verfahren entwickelt, mit dem der Lockstoff für die Fallen in einem biotechnologischen Verfahren in Hefen hergestellt werden kann. Künftig, so hoffen die Frankfurter Wissenschaftler, könnten die Lockstoffe kostengünstig vor Ort in ländlichen Gebieten Afrikas produziert werden. (Scientific Reports, DOI: 10.1038/s41598-020-66997-5)
Südlich der Sahara kommt die Tsetse-Fliege in weiten Teilen
Afrikas vor. Die Fliege ernährt sich von menschlichem und tierischem Blut.
Dabei kann sie Trypanosomen übertragen, kleine einzellige Organismen, die die
Fliege als Zwischenwirt nutzen und bei Mensch und Tier eine gefährliche
Entzündung des Lymph- und Nervensystems auslöst. Gegen diese Schlafkrankheit
gibt es keine Impfung, unbehandelt führt sie meist zum Tode. In der
Landwirtschaft, insbesondere der Rinderzucht, führt die Schlafkrankheit – hier
Trypanosomiasis genannt – zu großen Schäden durch krankes und verendendes Vieh.
Neben der Verwendung von Insektiziden gegen Tsetse-Fliegen werden
die Insekten in Fallen gefangen. Als Lockstoffe verwendet man unter anderem
Substanzen, die auch im Rinderurin vorkommen und Tsetse-Fliegen anlocken. Über
chemische Verfahren werden diese Substanzen (chemisch: 3-Ethyl-Phenol und
3-Propyl-Phenol, kurz 3-EP und 3-PP) aus Erdöl-Derivaten oder zum Beispiel aus
Extrakten von Cashew-Nussschalen synthetisiert. Beide Verfahren sind aber
aufwändig und für ländliche Gemeinschaften in Afrika nicht praktikabel und zu
teuer.
In einem Forschungsprojekt des LOEWE-Schwerpunktes MegaSyn ist es
Molekularbiologen der Goethe-Universität jetzt gelungen, 3-EP und 3-PP in
gentechnisch veränderter Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae)
herzustellen. Dabei nutzten sie einen Hefestamm, in dem sie zuvor einen neuen
Stoffwechselzweig eingeführt hatten und dessen Zuckerstoffwechsel verändert
wurde. Dadurch wurden die Hefen in die Lage versetzt, aus Zucker ähnlich hohe
Konzentrationen von 3-EP und 3-PP herzustellen, wie sie in Rinderurin
vorkommen.
Doktorandin Julia Hitschler vom Institut für Molekulare
Biowissenschaften an der Goethe-Universität erklärt: „Unsere Hefen könnten in
Afrika idealerweise in Nährlösungen auf der Basis von pflanzlichen
Abfallstoffen, Nahrungsmittel- oder Futterresten wachsen. Damit würde eine
Produktion der Lockstoffe annähernd kostenfrei möglich. Derzeit suchen wir
Partner, mit deren Hilfe wir unsere Hefen vor Ort testen und der Bevölkerung
zur Verfügung stellen können.“
Das Potenzial der neuen Hefen gehe sogar über die
Tsetse-Lockstoffe hinaus, ergänzt Prof. Eckhard Boles, Leiter des Projektes. In
Zukunft könnten auch andere Substanzen, die bisher aus Erdöl oder Kohle
gewonnen werden, durch die neuen Hefen hergestellt werden: „Unsere Hefen
könnten zur Erzeugung anderer Alkylphenole als 3-EP und 3-PP weiterentwickelt
werden. Solche Alkylphenole könnten zur Produktion von Schmieröladditiven oder
oberflächenaktiven Substanzen in Reinigungsmitteln genutzt werden.“
Publikation: Julia
Hitschler, Martin Grininger, Eckhard Boles: Substrate promiscuity of
polyketide synthase enables production of tsetse fly attractants 3-ethylphenol
and 3-propylphenol by engineering precursor supply in yeast. Scientific
Reports, https://doi.org/10.1038/s41598-020-66997-5
Informationen:
Prof. Dr. Eckhard Boles
Institut
für Molekulare Biowissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Tel:
+49 (0)69 798 29513
e.boles@bio.uni-frankfurt.de
http://www.bio.uni-frankfurt.de/boles
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EUbOPEN: 66 Millionen Euro für die Entwicklung offen zugänglicher chemischer Werkzeuge
FRANKFURT, INGELHEIM. Die effektivste Methode, um gezielt grundlegende biologische und krankheitsrelevante Prozesse aufzuklären, ist der Einsatz kleiner chemischer Werkzeuge, kleiner Moleküle, die die Proteinfunktion verändern. Das neue Verbundforschungsprojekt EUbOPEN hat sich zum Ziel gesetzt, solche chemischen Modulatoren für 1.000 Proteine zu entwickeln, also für ein Drittel aller Proteine im menschlichen Körper, die wahrscheinlich durch chemische Verbindungen modulierbar sind. Diese chemischen Werkzeuge werden für Wissenschaftler weltweit offen zugängig sein und es ermöglichen, die Hintergründe von Krankheiten zu erforschen und die Entwicklung neuer Therapien voranzutreiben. EUbOPEN wird von der Goethe-Universität Frankfurt und Boehringer Ingelheim gemeinsam geleitet.
Auch fast zwei Jahrzehnte nach der Sequenzierung des menschlichen
Genoms ist die Funktion der meisten Proteine, die durch das Genom kodiert
werden, noch nicht entschlüsselt. Daher ist unser Wissen über die Vorgänge in
der menschlichen Zelle begrenzt. Um die Funktion eines Proteins in einem
bestimmten Zelltyp zu untersuchen, nutzen Wissenschaftler häufig kleine
chemische Werkzeuge, die so spezifisch wie möglich das Zielprotein
beeinflussen. Dabei soll eine unbeabsichtigte Modulation anderer Proteine
vermieden werden. Derzeit steht nur ein sehr eingeschränktes Repertoire solcher
Moleküle zur Verfügung. Der Bedarf an selektiven und gut charakterisierten chemischen
Werkzeugen für die Grundlagen- und angewandte Forschung ist daher groß. Im
Idealfall wären solche Werkzeuge für jedes menschliche Protein verfügbar und
sollten allen Forschern offen und ohne Nutzungseinschränkungen zur Verfügung
stehen, um die Untersuchung von noch unerforschten krankheitsrelevanten
Prozessen zu ermöglichen.
Das Ziele der neu gegründeten öffentlich-privaten Partnerschaft
"Enabling and Unlocking biology in the OPEN" (EUbOPEN) ist die
Entwicklung und Verbreitung solch qualitativ hochwertiger und gut
charakterisierter Werkzeuge für einen wesentlichen Teil aller Proteine. Der
Forschungsverbund besteht aus 22 akademischen Einrichtungen und
Industriepartnern und startet im Mai 2020 mit einem Gesamtbudget von 65,8
Millionen Euro, das von der europäischen Innovative Medicines Initiative (IMI)
sowie in Form von Geld- und Sachleistungen vom Europäischen Dachverband der
Pharmaunternehmen und -verbände (EFPIA), assoziierten Partnern und
Nicht-EU-Partnern bereitgestellt wird.
Stefan Knapp, Professor für Pharmazeutische Chemie an der
Goethe-Universität Frankfurt und Koordinator des Forschungsverbunds, sagte: „Am
Ende des Projekts werden wir die größte und am besten charakterisierte, offen
zugängige Substanzbibliothek für die funktionelle Erforschung von
Proteinfunktionen entwickelt haben. Diese chemischen Verbindungen zusammen mit
den gewonnenen Forschungsdaten werden eine großartige Basis für die
Grundlagenforschung sein und zur Entdeckung neuer Mechanismen der Entstehung
von Krankheiten und zur Entwicklung neuartiger Medikamente beitragen.“
Mit Hilfe neuer Technologien wird EUbOPEN chemische Modulatoren
entwickeln und im menschlichen Gewebe testen. Die im Rahmen des Projekts
EUbOPEN gewonnenen Forschungsdaten und Reagenzien werden für jeden Nutzer offen
und ohne technische oder rechtliche Barrieren für Forschungszwecke zur
Verfügung gestellt. Die Nachhaltigkeit des Projekts wird durch zahlreiche
Partnerschaften, beispielsweise mit Chemikalienherstellern und
Biotech-Unternehmen sowie Anbietern von Online-Datenbanken sichergestellt.
EUbOPEN wird die Basis für weltweite Bemühungen zur Erzeugung chemischer
Modulatoren für die Gesamtheit aller Proteine sein.
Über den EUbOPEN-Forschungsverbund
Zum Forschungsverbund EUbOPEN gehören Universitäten, Forschungsinstitute,
Mitglieder des Europäischen Verbands der pharmazeutischen Industrie und
Verbände (EFPIA) sowie ein kleines und mittelständisches Unternehmen (KMU) an.
Insgesamt umfasst das Konsortium 22 verschiedene Partnerorganisationen. Prof.
Stefan Knapp von der Goethe-Universität Frankfurt ist der akademische
Koordinator und Adrian J. Carter von Discovery Research bei Boehringer
Ingelheim ist der EFPIA-Projektleiter. Weitere Partner sind: Bayer AG, Diamond Light Source,
EMBL-EBI, ETH Zürich, Fraunhofer IME, Georg-Speyer-Haus, Karolinska Institutet,
Leiden University Medical Center, McGill University, Ontario Institute for
Cancer Research, Pfizer, Royal Institute of Technology, Servier, Structural
Genomics Consortium, Takeda, University of Dundee, University of North
Carolina, University of Oxford und University of Toronto. Internet:
https://www.eubopen.org/
Innovative Medicines Initiative (IMI)
Die Innovative Medicines Initiative ist eine öffentlich-private
Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der pharmazeutischen
Industrie, vertreten durch den Europäischen Dachverband der Pharmaunternehmen
und -verbände, die European Federation of Pharmaceutical Industries and
Associations (EFPIA). IMI hat das Ziel, durch die Förderung von kooperativer
Forschung die Entwicklung von sicheren und wirksamen Arzneimitteln zu
beschleunigen. Internet: https://www.imi.europa.eu/
Informationen:
Goethe-Universität Frankfurt
Prof.
Dr. Stefan Knapp
EUbOPEN-Projektkoordinator
Institut
für Pharmazeutische Chemie
Goethe-Universität
Frankfurt
E-Mail:
knapp@pharmchem.uni-frankfurt.de
Dr.
Markus Bernards
Wissenschaftskommunikation
Tel:
+49 (69) 798 12498
bernards@em.uni-frankfurt.de
Boehringer Ingelheim
Dr.
Adrian Carter
EUbOPEN-Projektleiter
Boehringer
Ingelheim
E-Mail: adrian.carter@boehringer-ingelheim.com
Dr. Reinhard Malin
Head of Communications Innovation Unit
Tel:
+ 49 (6132) 77 90815
reinhard.malin@boehringer-ingelheim.com
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