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DFG fördert Kolleg-Forschungsgruppe „Polyzentrik und Pluralität vormoderner Christentümer“ an der Goethe-Universität
FRANKFURT. Welche Rolle spielen Religionen für die
Organisation von Gesellschaften, für ihre Konflikte und ihren Zusammenhalt?
Diese Frage ist nicht nur politisch hochaktuell, sondern auch relevant für die
historische Forschung. Eine neue, von der DFG geförderte Kolleg-Forschungsgruppe
mit dem Titel „Polyzentrik und Pluralität vormoderner Christentümer“
richtet den Blick auf frühere Formen des Christentums. Sprecherinnen der
Kolleg-Forschungsgruppe sind Birgit Emich, die an der Goethe-Universität die
Professur für Geschichte der Frühen Neuzeit innehat, und Dorothea Weltecke,
Professorin für Mittelalterliche Geschichte an der Goethe-Universität.
Kein Zweifel: Die verschiedenen
Strömungen des Christentums haben die Geschichte Europas und der Welt
mitgestaltet: Sie prägten die Sinnhorizonte und Praktiken der Menschen über
viele Jahrhunderte, sie brachten die Institution der Kirche hervor, die für die
Entwicklung des Rechts und für die Herausbildung weltlicher
Herrschaftsstrukturen von großer Bedeutung war, und sie trugen wesentlich zur
Vernetzung der zunehmend globalen Welt bei.
Wie aber lässt sich diese
Geschichte in ihrer Vielfalt und Dynamik erfassen? Die bisherige Forschung hat
die Zustände des 19. Jahrhunderts mit zentralisierten Großkirchen und einer
Dominanz des europäischen Christentums oftmals auch in die Vergangenheit
rückprojiziert: Christentum wurde demnach meist als etwas Einheitliches und
Europäisches verstanden. Die Kolleg-Forschungsgruppe will nun ihren Blick
stärker auf die titelgebende „Polyzentrik und Pluralität vormoderner
Christentümer“ richten.
Ziel der
Kolleg-Forschungsgruppe ist es, die Vielfalt der Christentümer terminologisch
wie konzeptionell neu zu fassen und ein Modell zu entwerfen, das die
Vorstellungen historischer Dynamik im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit
grundlegend erweitert. Methodischer Ausgangspunkt ist der Begriff der
„Christentümer“, der den Kirchen, d.h. den Institutionen mit ihren Apparaten
und Hierarchien, zur Seite gestellt wird. Christentümer, so die Definition,
sind Interaktionsgemeinschaften, die sich auf Jesus Christus beziehen und sich
als Gruppe nach außen abgrenzen. Wo sich die Interaktion zwischen den Akteuren
verdichtet, bilden sich Zentren, wo sie ausdünnt, entstehen Grenzen. Diese
Zentren und Grenzen sind in Bewegung, und genau diese Dynamik ist es, mit der
die Christentümer die historische Entwicklung mitgestalten.
Diese Perspektive ermöglicht
es, die historisch wirkmächtigen Kirchen in ihrer historischen Vielfalt
darzustellen und ihnen gleichzeitig einen neuen Platz in der transkulturellen
Geschichte der Christentümer zuzuweisen: Denn indem anders als in
traditionellen kirchengeschichtlichen Ansätzen die Akteure und ihre
Interaktionen in den Mittelpunkt gerückt werden, zeigt sich eine Vielfalt von
Beziehungen und Gemeinsamkeiten, die sich zu Christentümern verdichten und
neben oder auch quer zu den Kirchen verlaufen.
Mit diesem mehrschichtigen
Ansatz können Birgit Emich und Dorothea Weltecke zufolge historische Modelle
entwickelt werden, die postkolonialen Überlegungen Rechnung tragen,
überkonfessionelle Zusammenhänge erfassen und den Beitrag der Christentümer zur
globalen Vernetzung deutlicher als bisher herausarbeiten.
Diesem Anliegen wird sich das Frankfurter Kolleg widmen. Unter der Leitung von Birgit Emich und Dorothea Weltecke werden vier Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gemeinsam mit Fellows aus dem In- und Ausland und aus verschiedenen Disziplinen an der Entwicklung eines neuen Modells für die Geschichte der Christentümer in der Zeit von 700 bis 1800 arbeiten. Das Projekt ist zunächst auf vier Jahre bewilligt und wird mit ca. 3 Millionen Euro gefördert. Es startet mit seinem Fellow-Programm im Oktober 2020.
Informationen: Prof. Dr. Birgit Emich, https://www.geschichte.uni-frankfurt.de/43090711/Emich_Birgit; Prof. Dr. Dorothea Weltecke, https://www.geschichte.uni-frankfurt.de/66156354/Dorothea_Weltecke
Vortrag im Rahmen der Ausstellung „Selbst Denken“ in der Universitätsbibliothek Frankfurt
FRANKFURT. Begleitend zur
Schopenhauer-Ausstellung „Selbst Denken“ in der Universitätsbibliothek
Frankfurt hält der Philosoph Michael Fleiter einen Vortrag, in welchem er
Bezüge zwischen der Stadt Frankfurt und Schopenhauers Philosophie beleuchtet.
Die Ausstellung „Selbst Denken“ zum 200-jährigen Jubiläum von Schopenhauers
Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ ist an diesem Tag von 13 bis 20
Uhr geöffnet. Eine Anmeldung für den Vortrag oder die Ausstellungsbesichtigung
ist nicht nötig.
Vortrag:
Michael Fleiter, „Schopenhauers Frankfurt - eine Stadt im Spiegel seiner
Philosophie“
Donnerstag, 16. Januar 2020, 18.00 Uhr; Eingangshalle der
Universitätsbibliothek Frankfurt am Main; Bockenheimer Landstr. 134-138, 60325
Frankfurt am Main.
Als Arthur Schopenhauer sich 1833 in Frankfurt am Main niederließ, war die Wahl
des Wohnortes für ihn äußerst wichtig. Auf dem Deckel seines Rechnungsbuches
notierte er als Vorzüge der Stadt: Modernität, Internationalität, die Freiheit
großstädtischen Lebens und vor allem eine Vielzahl naturwissenschaftlicher
Institutionen, die er für die Fortführung seiner philosophischen Arbeit
benötigte. Er nutzte die Informationen über die neuesten wissenschaftlichen
Erkenntnisse, die er sich im Naturhistorischen Museum und im Physikalischen
Kabinett, in Bibliotheken und Lesesälen aneignete, um seine zuvor entstandene,
metaphysische Willensphilosophie mit Ergebnissen zeitgenössischer
Naturwissenschaft zu untermauern.
Die Ansichten des Philosophen irritierten die meisten Zeitgenossen. Dass der
Mensch − triebgesteuert und an die natürliche Gesetzmäßigkeit seiner physischen
Ausstattung gebunden − in naher Verwandtschaft mit dem Tier steht; dass in der
Welt nicht göttliche Vorsehung, sondern ein blinder Lebenswille vorwaltet:
Solche und ähnliche Einsichten empfanden viele als ernüchternd und kränkend und
nur wenige waren bereit, dem Querdenker zu folgen. Stattdessen ersann man eine
Fülle von Anekdoten, die in erster Linie Eigentümlichkeiten der Person
betrafen. Schopenhauers philosophische Bedeutung und die Rolle, die Frankfurt
in diesem Zusammenhang spielte, blieben weitgehend ausgespart.
Der Vortrag lässt das von Anekdoten geprägte Bild außer Acht, stattdessen setzt er Ort und Werk zueinander in Beziehung. Auf diese Weise wird die moderne Entwicklung des Stadtbildes sichtbar wie ihr wissenschaftlicher, auf bürgerlichen Stiftungen basierender Rang. Zugleich rücken Kernpunkte der Schopenhauerschen Philosophie in den Fokus, welche die Geschichte der Wissenschaft und Philosophie in Frankfurt fortschreiben − eine Geschichte von ungebrochener Aktualität.
Infos zur Ausstellung: https://www.ub.uni-frankfurt.de/ausstellung/selbst-denken.html
Weitere
Informationen:
Jessica
Zülch, Veranstaltungsmanagement, Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg,
Bockenheimer Landstraße 134-138, 60325 Frankfurt am Main, Tel: (069) 798 29571,
E-Mail: events@ub.uni-frankfurt.de
Bündelung und Vernetzung der verschiedenen Disziplinen mit Schwerpunkt Italien
FRANKFURT. Geschichte und Kunstgeschichte, Sprach- und Literaturwissenschaft, Musikwissenschaft und Politologie – in all diesen Fächern ist Italien ein Thema. An der Goethe-Universität haben sich die unterschiedlichen Disziplinen jetzt zusammengeschlossen, um unter dem Dach eines Italienzentrums noch stärker miteinander kooperieren zu können.
„Die Kolleginnen und Kollegen, die sich mit Italien befassen,
hatten auch schon bisher das eine oder andere Projekt gemeinsam“, sagt
Christine Ott, Professorin für italienische Literaturwissenschaft an der
Goethe-Universität, die das Zentrum gemeinsam mit dem Historiker Prof.
Christoph Cornelißen leitet. Schon jetzt gebe es mehrere große
Drittmittelprojekte an der Goethe-Universität, die sich mit Geschichte und
Kultur Italiens befassten. Auch ein binationaler Studiengang wird angeboten, so
dass Absolventen am Ende sowohl einen deutschen als auch einen italienischen
Abschluss vorweisen können. Das Italienzentrum soll den Wissenschaftlern nun
darüber hinaus dabei helfen, sich noch besser interdisziplinär miteinander zu
vernetzen – und damit die Sichtbarkeit der Forschung nach außen zu erhöhen. Die
beteiligten Wissenschaftler bringen ihre Kontakte zu unterschiedlichen
italienischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Rom, Venedig, Trient
und Florenz ein. Darüber hinaus soll es drei Vorträge im Jahr geben, die sich
auch an ein externes Publikum richten, sowie Konferenzen und
fächerübergreifende Lehrveranstaltungen.
„Das neue Zentrum gibt uns verstärkt Möglichkeit, Gespräche unter
Italienspezialisten zu führen und Forscherpersönlichkeiten aus dem Ausland
einzuladen“, freut sich Professorin Ott, die selbst die einzige Professur für
italienische Literaturwissenschaft an der Goethe-Uni innehat und sich auf die
zusätzlichen Möglichkeiten des Austauschs freut. Bislang muss sich das Zentrum
aus den Mitteln der beteiligten Institute finanzieren. Mit im Boot ist auch die
deutsch-italienische Vereinigung, die auch bei der Präsentation des Zentrums
beim Europasommer in diesem Jahr mitwirken wird. PD Dr. Caroline Lüderssen, die
Vorsitzende der Vereinigung und selbst Italianistin, engagiert sich mit ihrer
Institution für das Zentrum. Beteiligte Wissenschaftler sind außer Christine
Ott und Christoph Cornelißen Prof. Claudius Wagemann (Politikwissenschaft),
Prof. Hans Aurenhammer (Kunstgeschichte), Prof. Vinzenz Hediger
(Filmwissenschaft), Prof. Günther Wassilowsky (Katholische Theologie), Prof.
Birgit Emich (Geschichtswissenschaft), Prof. Hartmut Leppin
(Geschichtswissenschaft), Prof. Cecilia Poletto (Sprachwissenschaft), Prof.
Jacopo Torregrossa (Romanistik), Dr. Philip Stockbrugger, Dr. Lena Schönwälder,
PD Dr. Magnus Ressel sowie Dr. Marco Cavarzere.
Bei der Eröffnung des Zentrums Mitte Dezember sagte der
italienische Generalkonsul Andrea Estéban Samà seine Unterstützung zu.
Festredner war der Historiker Carlo Ginzburg, der u.a. in Bologna und Pisa
gelehrt hat und als Begründer der Mikrogeschichte gilt. In einer berührenden
Rede sprach er über die Anfänge seiner Methodik und erinnerte an seinen Vater,
Leone Ginzburg, der von der SS in Rom ermordet wurde. „Mein Vater war in Russland in einer jüdischen Familie
geboren, er wurde Italiener, er starb als Europäer“, schloss Ginzburg seine
Rede: „Ich habe es für richtig gehalten, heute und hier an ihn zu erinnern, in
einem so schwierigen und wichtigen Augenblick für Italien, für Deutschland und
für Europa“.
Informationen: Prof. Dr. Christoph Cornelißen,
Historisches Seminar, Fachbereich 08, Campus Westend, Telefon 069 798-32519,
E-Mail cornelissen@em.uni-frankfurt.de
/Prof. Dr. Christine Ott, Institut für Romanische Sprachen und Literaturen,
Fachbereich 10, Campus Westend, Telefon 069 798-32014, E-Mail c.ott@em.uni-frankfurt.de
Bei Wiederkäuern reagiert ein Bakterium mit zwei unterschiedlichen Atmungsketten auf schwankenden Salzgehalt
FRANKFURT. Kühe können sich an Nahrung mit unterschiedlichem Kochsalzgehalt anpassen. Wie sie das machen, war bislang ein Geheimnis. Jetzt haben Forscher der Goethe-Universität im Mikrobiom des Pansens ein Bakterium entdeckt, das einen neuen Typ von Zellatmung hat.
Die Kuh kann Gras nur mithilfe von Milliarden Mikroorganismen in
ihrem Pansen verwerten. Ein ganzer Zoo von Bakterien, Archaeen und Protozoen
arbeitet dort wie am Fließband: Zuerst spalten diese Einzeller die Cellulose,
einen Vielfachzucker, auf. Andere Bakterien
vergären die freigesetzten Zucker zu Fettsäuren, Alkoholen und Gasen wie
Wasserstoff und Kohlendioxid. Schließlich verwandeln methanogene Archaeen diese
beiden Gase zu Methan.
Eine durchschnittliche Kuh produziert etwa 110 Liter Methan pro
Tag. Durch das Wiederkäuen entweicht es aus dem Maul, wird aber auch wieder mit
Nahrungsbrei und vermischt. Dadurch kann der Kochsalzgehalt des Grasbreis stark
schwanken (zwischen 60 – 800 milli-Mol Natriumchlorid (NaCl) pro Liter).
Wie sich die Bakterien des Pansens an diese stark schwankenden
Kochsalzkonzentrationen anpassen, hat eine deutsch-amerikanische Forschergruppe
jetzt herausgefunden:„Bioinformatische Analysen der Genome von Pansenbakterien
führten unseren amerikanischen Kollegen Tim Hackmann zu der Vermutung, dass
einige Pansenbakterien zwei unterschiedliche Atmungsketten haben. Eine davon
funktioniert mit Natriumionen, die andere ohne“, erklärt Prof. Volker Müller
von der Abteilung Molekulare Mikrobiologie und Bioenergetik an der
Goethe-Universität. Müller schlug seiner Doktorandin Marie Schölmerich deshalb
vor, einen typischen Vertreter im Mikrobiom von Wiederkäuen zu untersuchen: das
Bakterium Pseudobutyrivibrio ruminis.
Marie Schölmerich hat zusammen mit der Bachelorstudentin Judith
Dönig und dem Masterstudenten Alexander Katsyv das Bakterium kultiviert.
Tatsächlich konnten sie beide Atmungsketten nachweisen. Wie die Forscher in der
aktuellen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)
berichten, wird während der Zuckeroxidation der Elektronenüberträger Ferredoxin
(Fd) reduziert. Reduziertes Ferredoxin treibt beide Atmungsketten an.
Die eine Atmungskette besteht aus dem Enzymkomplex
Fd:NAD-Oxidoreduktase (Rnf- Komplex). Er transportiert Natriumionen unter
Aufwendung von Energie aus der Zelle. Bei ihrem Wiedereintritt treiben die
Natriumionen eine ATP-Synthase an, so dass ATP entsteht. Diese Atmungskette
arbeitet nur in Gegenwart von Natrium-Ionen.
Fehlen Natrium-Ionen, bildet das Bakterium eine alternative Atmungskette mit einem anderen Enzymkomplex: Die Ech-Hydrogenase oder synonym Fd:H+-Oxidoreduktase produziert Wasserstoff und pumpt Protonen aus der Zelle. Treten diese über eine zweite ATP-Synthase, die Protonen, aber keine Natriumionen akzeptiert, wieder in die Zelle ein, entsteht ebenfalls ATP.
„Bis
heute ist dies das erste Bakterium, bei dem diese beiden einfachen, komplett
unterschiedlichen Atmungsketten nachgewiesen wurden. Unsere bioinformatischen
Analysen legen aber nahe, dass sie auch bei anderen Bakterien zu finden sind“,
erklärt Marie Schölmerich. „Diese
Anpassungsstrategie scheint also weiter verbreitet zu sein“, lautet ihre
Vermutung.
Interessanterweise wurden die beiden Enzymkomplexe (Rnf-und
Ech-Komplex) auch in evolutionsbiologisch alten Bakterien gefunden. Die
Arbeitsgruppe von Prof. Müller hat sie eingehend untersucht, aber immer nur
einen der beiden Enzymkomplexe gefunden, nie beide zusammen. „Jetzt
werden wir mit Methoden der synthetischen Mikrobiologie Hybride von Bakterien
herstellen, die beide Komplexe enthalten, um diese für biotechnologische
Prozesse zu optimieren. Dadurch kann man den zellulären ATP-Gehalt erhöhen.
Dann lassen sich wertvollere Produkte herstellen“, erklärt Prof. Müller.
Geplant ist, die Atmungsketten einzusetzen, um durch die Fermentation von
Synthesegasen Wertstoffe zu gewinnen. Dies ist Gegenstand der Untersuchungen in
einem BMBF-geförderten Projekt.
Ein Bild zum Download finden Sie unter: http://www.uni-frankfurt.de/84412971
Bildtext: Das Bakterium Pseudobutyrivibrio ruminis (grün), ein
typisches Pansenbakterium, gewinnt Energie über zwei unterschiedliche
Atmungsketten. Die eine benötigt Natriumionen, die andere Wasserstoffionen
(H+). So passt es sich optimal an die schwankende Kochsalzkonzentration der
Nahrung an. Grafik: Goethe-Universität/ Kuh:
Shutterstock
Publikation: Schölmerich, M.C., Katsyv, A.,
Dönig, J., Hackmann, T., Müller,
V. (20XX). Energy conservation involving two respiratory
circuits. Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A., in press.
Informationen: Prof. Volker Müller, Molekulare
Mikrobiologie und Bioenergetik, Campus Riedberg, Tel.: (069) 798-29507; VMueller@bio.uni-frankfurt.de.
„Forschung Frankfurt“ zum Thema „Von Herzen“: Liebeskummer und Trauer können die Gesundheit stark beeinträchtigen
FRANKFURT. „Gebrochene Herzen“ – dieses Sprachbild ist nicht nur
metaphorisch zu verstehen. Einschnitte im Leben wie der Verlust des Partners
können durchaus auch gesundheitliche Folgen haben – bis hin zum erst in
jüngerer Zeit entdeckten „Broken Heart Syndrom“, das einem Herzinfarkt gleicht.
Wie es dazu kommt, damit befassen sich Psychologen, Psychosomatiker und
Kardiologen an der Goethe-Universität. Darüber lesen Sie in der jüngsten
Ausgabe des Wissenschaftsmagazins der Goethe-Universität „Forschung Frankfurt“,
das diesmal das Schwerpunktthema „Von Herzen“ hat.
Seelischer Schmerz gehört zum Leben dazu,
kaum jemand bleibt davon verschont. Doch während Zeit bei den meisten Menschen
tatsächlich Wunden heilt, durchleben manche den Schmerz besonders intensiv und
ausdauernd. Aber was, wenn die Gedanken nur noch um das Verlassensein kreisen?
Wenn das eigene Leben zu entgleiten droht, weil man antriebsarm und deprimiert
ist? Menschen, die es nicht schaffen, den Verlust eines geliebten anderen zu
verwinden, können professionellen Rat und Hilfe in einer psychologischen Praxis
in Anspruch nehmen – zum Beispiel beim Zentrum für Psychotherapie der
Goethe-Universität unter der Leitung von Prof. Ulrich Stangier. Dr. Heike
Winter leitet und koordiniert das Ausbildungsprogramm am Zentrum an der
Varrentrappstraße. In der Verhaltenstherapie-Ambulanz könnten die Psychologen
feststellen, ob es sich um eine Anpassungsstörung oder eine Depression handele,
so Winter, – oder ob der Betreffende mit ein wenig Unterstützung und ohne
weitere Behandlung aus diesem Loch kommen könne.
Physiologisch betrachtet, wirkt sich
Kummer wie eine extreme Stresssituation aus – was auch zu physischen
Beeinträchtigungen führen kann, unter Umständen sogar zu massiven
Herzbeschwerden. In der Medizin ist das „gebrochene Herz“ als „Broken-Heart-Syndrom“
inzwischen eine etablierte Diagnose. „Die Symptome reichen von leichten
Funktionseinschränkungen, aber auch bis zu starken Funktionsstörungen bis zum
Schock mit einem notwendigen Aufenthalt auf der Intensivstation“, sagt Prof.
Stephan Fichtlscherer, stellvertretender Direktor an der Klinik für
Kardiologie, Angiologie und Nephrologie am Universitären Herzzentrum der
Uniklinik. Symptome wie Engegefühl, Luftnot und Schmerzen sind normalerweise
ein klarer Hinweis auf einen Herzinfarkt, diese Beschwerden treten auch bei dem
Broken-Heart-Syndrom auf, jedoch ohne dass sich Verengungen oder Verschlüsse
der Herzkranzgefäße feststellen ließen.
Auch andere Krankheiten stehen in Zusammenhang mit Kummer und Stress. Dr. Moritz de Greck, Privatdozent und Leiter des Bereichs Psychosomatik an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Goethe-Universität, sieht vor allem Patienten mit anderen psychosomatischen Erkrankungen, die oft eine lange Vorgeschichte haben. Das Trauerereignis bringe meist das Fass nur zum Überlaufen, hat de Greck beobachtet. Psychosomatische Erkrankungen seien dann das Ende einer langen Entwicklung, ausgelöst durch einen schmerzhaften Einschnitt im Leben. Der Patient hat Schmerzen, die er auf eine körperliche Erkrankung zurückführt. In Wirklichkeit ist da aber kein körperlicher Befund. „Wenn der Notarzt zweimal da war, ohne etwas festzustellen, kommen die Patienten dann oft irgendwann zu uns“, so de Greck. Als ärztlicher Psychotherapeut entscheidet er situativ und störungsspezifisch, welcher therapeutische Ansatz der richtige ist. Wichtig ist, dass die verschiedenen Disziplinen bei der Therapie zusammenwirken und sich gemeinsam um das Wohl der Kranken kümmern.
Mehr zu diesem Thema lesen Sie im Beitrag von Dr. Anke Sauter, der in der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2019) erschienen ist. Die Ausgabe kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im Web: www.forschung-frankfurt.de.
Goethe-Universität ist mit Zentrum für Biomolekulare Magnetresonanz als einer von 23 europäischen Partnern am Projekt iNEXT-Discovery beteiligt
FRANKFURT. Die
Struktur von großen Biomolekülen zu entschlüsseln, ist entscheidend für viele
Innovationen im Bereich Gesundheit, Umwelt und nachhaltige Technologien. Da die
Strukturforschung teure Apparate wie NMR-Spektrometer benötigt, fördert die
Europäische Union spezialisierte Zentren. Von Februar 2020 an fließen weitere
10 Millionen Euro in das Projekt iNEXT-Discovery. Das Zentrum für Biomolekulare
Magnetresonanz (BMRZ) an der Goethe-Uni ist wieder dabei.
Gegenwärtig umfasst das iNEXT-Konsortium 23 Partner aus 14 europäischen Ländern. Es ist das erste Forschungsinfrastruktur-Projekt, das verschiedene Methoden der Strukturbiologie kombiniert: Röntgenspektroskopie, Magnetresonanz-Spektroskopie (NMR), Elektronenmikroskopie und biophysikalische Methoden. Mit ihnen lässt sich die dreidimensionale Struktur biologischer Makromoleküle entschlüsseln, so dass man ihre Funktion in der komplexen Maschinerie des Lebens verstehen kann. Ziel ist die Entwicklung neuer Medikamente, verbesserter Impfstoffe, neuer Biomaterialien, Biotreibstoffe oder Enzyme für die Nahrungsproduktion.
Das BMRZ an der Goethe-Universität stellt Forschenden in ganz
Europa seine Expertise in der NMR-Spektroskopie zur Verfügung. Bereits jetzt
nutzen Besucher aus dem Ausland täglich die Geräte, um die Strukturen von
Proteinen, RNA und DNA zu ermitteln. Außerdem ist es Partnern aus der Industrie
möglich, über Kooperationsverträge teilzunehmen, etwa, um gezielt nach
Wirkstoffen zu suchen. Für Forschende, die bisher wenig Erfahrung mit NMR
haben, werden in den kommende vier Jahren eigene Trainingsprogramme aufgesetzt.
„Am BMRZ geben wir europäischen Wissenschaftlern Zugang zu den
derzeit leistungsfähigsten NMR-Technologien. In der nächsten Förderperiode wird
ein 1,2 Gigahertz NMR-Spektrometer bereitstehen“, sagt Prof. Harald Schwalbe,
Mitglied des Vorstands von iNEXT-Discovery. „Wir erwarten, dass ab 2020
jährlich 20 Nutzergruppen aus ganz Europa kommen werden, um unsere Geräte zu
nutzen und von unserer Erfahrung zu profitieren. So tragen wir gemeinsam zu
spannender Wissenschaft bei.“
Informationen: Prof. Harald Schwalbe, BMRZ, Institut für Organische Chemie
und Chemische Biologie, Tel.: 069-798-29737; Email: schwalbe@nmr.uni-frankfurt.de
Leukämie und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben eine gemeinsame Ursache
FRANKFURT. Vermutlich findet man bei fast jedem
60-Jährigen Klone mutierter Blutzellen. Je nach Art der Mutation bedeutet das
ein erhöhtes Leukämierisiko. Neu ist, dass mutierte Blutzellen auch
Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen können. Das berichten Forscher der
Goethe-Universität in der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“.
„Jede Sekunde entstehen im
Knochenmark fünf Millionen neue Blutzellen, die alternde Zellen ersetzen.
Gelegentlich erfährt eine Blutstammzelle eine Mutation, die ihr
Überlebensvorteile bringt, so dass sie mehr direkte Nachkommen erzeugt“,
erläutert der Stammzellenforscher Prof. Michael Rieger, Universitätsklinik
Frankfurt. Die Ansammlung veränderter (mutierter) Zellen nennt man einen Klon;
dessen Entstehung klonale Hämatopoese.
„Nach allem, was wir bisher
wissen, sind die meisten Menschen, bei denen klonale Hämatopoese auftritt,
völlig gesund“, sagt Leukämiespezialist Prof. Hubert Serve, Direktor der Klinik
für Hämatologie und Onkologie an der Universitätsklinik Frankfurt. Aber ganz harmlos
seien diese Klone nicht, denn oft sind die Mutationen identisch mit denen, die
bei Patienten mit Leukämien auftreten. Doch erst durch die Kombination mehrerer
Mutationen wird aus einer harmlosen Blutzelle eine bösartige Leukämiezelle.
Dabei spielen Umweltfaktoren wie Rauchen, Ernährung und Bewegung eine wichtige
Rolle.
Relativ neu ist die Erkenntnis,
dass Menschen mit Genveränderungen im Blut verstärkt an Atherosklerose leiden
und häufiger einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden. Erst vor wenigen
Monaten entdeckte ein interdisziplinäres Team aus Ärzten und Wissenschaftlern
am Universitätsklinikum Frankfurt, dass bei Menschen mit chronischer
Herzinsuffizienz nach einem Infarkt auch gehäuft Klone mutierter Blutzellen
nachweisbar sind. Patienten mit den beiden häufigsten Mutationen hatten eine
deutlich schlechtere Prognose, auch beim Einsatz einer künstlichen Herzklappe
per Katheterverfahren. Der Krankheitsverlauf wurde dabei von der Größe des
mutierten Blutzellklons beeinflusst.
Seitdem arbeiten die
Frankfurter Forscher mit Hochdruck daran, die zugrunde liegenden Mechanismen zu
entschlüsseln. Eine wichtige Rolle scheint dabei das Immunsystem zu spielen.
Einige Mutationen, die zu genveränderten Blutzell-Klonen führen, wirken sich
auch auf die Fresszellen (Makrophagen) des Immunsystems aus. Diese setzen dann
vermehrt entzündungsfördernde Stoffe (Zytokine) frei, was wiederum
Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Atherosklerose, Aortenklappenverengung und
Herzschwäche verschlimmert. Zusätzlich verstärken die Zytokine auch die Bildung
weiterer mutierter Blutzellen, was einen fatalen Kreislauf in Gang setzt.
Inzwischen vermuten die
Forscher, dass die klonale Hämatopoese auch der Grund dafür ist, dass Patienten
nach einer überstandenen Krebserkrankung häufiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen
entwickeln. Denn nach erfolgreicher Leukämie-Therapie bleiben in den meisten
Fällen mutierte Stammzellen zurück. Deshalb gewinnt die kardiologische
Überwachung ehemaliger Krebspatienten zunehmend an Bedeutung.
Momentan werden die mutierten
Blutzell-Klone nur als Begleitbefund bei Patienten mit Bluterkrankungen
festgestellt. Denn mit der zu ihrer Feststellung notwendigen DNA-Sequenzierung
ist ein großer Aufwand verbunden. „Der Test ist zur Früherkennung
von Blutkrebs und für die Prognose von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch erst
dann sinnvoll, wenn vorbeugende Maßnahmen klinisch etabliert sind“, gibt Prof.
Andreas Zeiher, Direktor der Kardiologie am Universitätsklinikum, zu bedenken.
Derzeit suchen die Forscher intensiv nach klinischen Parametern, die auf
klonale Hämatopoese hindeuten.
Eines ist bereits jetzt klar:
die klonale Hämatopoese ist als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
ebenso bedeutend wie Rauchen, Übergewicht und Bluthochdruck. So wundert es
nicht, dass die Forschung auf diesem Gebiet derzeit intensiv betrieben wird und
die Erkenntnisse rasch zunehmen. Im Exzellenzcluster Cardio-Pulmonary
Institute, an dem die Goethe-Universität, die Universität Gießen und das Max
Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim beteiligt sind,
wird als eine der nächsten Fragen untersucht, ob die klonale Hämatopoese auch
zu chronisch-entzündlichen Lungenerkrankungen beiträgt.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2019) kann von
Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im Web: www.forschung-frankfurt.de.
Informationen: Prof. Dr. Michael Rieger, Medizinische Klinik II, Campus
Niederrad, Tel.: 069: 6301-84297, Email: m.rieger@em.uni-frankfurt.de
Der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe erklärt in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Forschung Frankfurt“, warum der Kapitalismus gegenüber anderen System überlegen ist
FRANKFURT. Beim „kalten Herz“
mag man zunächst an das berühmte Märchen von Wilhelm Hauff denken, in dem der
Köhler Peter Munk aus Habgier sein Herz gegen einen kalten Stein eintauscht.
Der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe hat das Motiv zum Titel seines Buches
über die Geschichte des Kapitalismus gemacht. In der „Kälte“ dieser Form des
Wirtschaftens, so Plumpe, liege nun genau auch ihre Stärke: Indem der
Kapitalismus allein Nützlichkeitskalkülen folge, sei er besonders
leistungsfähig.
Im Interview mit Forschung Frankfurt spricht Plumpe über die Genese des
Kapitalismus in der frühen Moderne und spricht über Entwicklungen bis in die
Gegenwart. Die Kritik am Privateigentum sei schon sehr alt und reiche bis zur
Bergpredigt zurück; großer Besitz entfalte aber erst im Kapitalismus eine ganz
andere Dynamik, indem aus einem großen Vermögen ein Produktivkapital werde.
Erst bei der Massenproduktion von Gütern rechne sich die Nutzung dieses
Kapitals, so Plumpe. Die Wirtschaftsform basiere darauf, dass der Einzelne, der
sein Vermögen investiert, auf eigene Rechnung handele. Der Kapitalismus sei
dadurch „zentrumslos“, er lasse auch ein Scheitern zu. Die menschliche
Produktivität steige an, solange das Wissen zunehme. Das Neue könne dabei
durchaus auch zerstörerisch wirken: Produkte würden ersetzt, Qualifikationen
alterten.
Mit der Durchsetzung der kapitalistischen Massenkonsumgesellschaft seit den
späten 70er Jahren seien zugleich auch die handlungs- und Wahlmöglichkeiten
junger Leute gestiegen, die nun aus einer Kultur der Bevormundung entfliehen
konnten, ohne das materielle Überleben der Familie zu gefährden. Dass die
Protestkultur der 60er Jahre auch nur in Form eines „marktkonformen Protestes“
stattfinden konnte, sei für viele sicherlich eine Enttäuschung gewesen, so
Plumpe; doch der Kapitalismus sei auch „kalt“ gegenüber der Kritik an ihm.
Die Finanzkrise sei zwar ein schlimmer Einbruch, aber keine Systemkrise der
Wirtschaftsform gewesen. Plumpe macht hier eher politische Ursachen dafür
verantwortlich, dass die Risiken deregulierter Finanzmärkte systematisch
unterschätzt, ihre positiven Folgen überschätzt worden seien.
Werner Plumpe ist seit 1999 Professor für Wirtschaftsgeschichte an der
Goethe-Universität; seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Unternehmens- und
Industriegeschichte des 19. Jahrhunderts und in der Geschichte des ökonomischen
Denkens und der ökonomischen Theorien. Werner Plumpe: Das kalte Herz.
Kapitalismus: Die Geschichte einer andauernden Revolution. Berlin: Rowohlt
2019.
Weitere
Themen
in der neuen Ausgabe von Forschung Frankfurt:
Vorbeugen ist besser als heilen: Interview mit dem Epidemiologen und
Systemmediziner Prof. Philipp Wild, Deutsches Zentrum für
Herz-Kreislauf-Forschung, zum Einfluss von Umweltfaktoren auf die
Herzgesundheit.
Vom Herz zum Schmerz: Kummer als Auslöser von Krankheit und Leiden.
Klappe – die zweite: Herzklappenaustausch in einer halben Stunde dank modernem
Katheter-Verfahren.
„Meine herzkranken Kinder haben mich gerettet“ – Porträt des Kinderkardiologen
Prof. Dietmar Schranz.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2019) kann von
Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im
Web: www.forschung-frankfurt.de
Dr. Tobias Freimüller erhält den Rosl und Paul Arnsberg-Preis der Stiftung Polytechnische Gesellschaft
FRANKFURT. Dr.
Tobias Freimüller, stellvertretender Direktor des Fritz-Bauer-Instituts an der
Goethe-Universität, hat gestern den Rosl und Paul Arnsberg-Preis der Stiftung
Polytechnische Gesellschaft des Jahres 2019 erhalten. Mit der alle drei Jahre
vergebenen Auszeichnung werden herausragende Forschungsarbeiten zur Geschichte
der jüdischen Bürger Frankfurts gewürdigt.
Tobias Freimüller wurde mit dem Preis für seine Studie zur
Geschichte jüdischen Lebens in Frankfurt nach 1945 gewürdigt, mit der er 2019
am Fachbereich Philosophie und Geschichtswissenschaften an der
Goethe-Universität habilitiert worden ist. Das Buch erscheint im Frühjahr 2020
unter dem Titel „Frankfurt und die Juden. Neuanfänge und Fremdheitserfahrungen
1945-1990“ als erster Band der Reihe „Studien zur Geschichte und Wirkung des
Holocaust“ im Wallstein-Verlag.
„Die Arbeit zeichnet ein hochdifferenziertes Bild des komplexen
Verhältnisses von Jüdinnen und Juden untereinander und zur nichtjüdischen
deutschen Gesellschaft nach der Schoah“, lobte die Jury unter Vorsitz von Prof.
Dr. Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums und Honorarprofessorin an
der Goethe-Universität, ihre Wahl. Freimüllers Arbeit habe das Potenzial, zum
Standardwerk zu werden.
Frankfurt am Main war vor 1933 die deutsche Stadt mit dem höchsten
jüdischen Bevölkerungsanteil, ihre Jüdische Gemeinde war nach Berlin die
zweitgrößte in Deutschland. Im Finanzwesen, in Bildung und Wissenschaft, aber
auch in einer Vielzahl von Vereinen und Stiftungen prägten Juden die Stadt
Frankfurt in besonderer Weise. Bei Kriegsende im Frühjahr 1945 war diese
vielfältige Kultur durch die Verfolgung, Deportation und Ermordung der Juden
völlig zerstört. Statt einstmals rund 30.000 jüdischen Frankfurterinnen und
Frankfurtern hielten sich nur noch etwa 100 bis 200 in der zerstörten Stadt
auf.
Zu den wenigen Überlebenden, aus deren Kreis die Jüdische Gemeinde
schnell wieder gegründet wurde, kam eine große Zahl jüdischer „Displaced
Persons“ (DP) hinzu, die aus Osteuropa geflohen waren und in dem amerikanischen
Hauptquartier Frankfurt am Main einen ersten Fluchtpunkt ihres weiteren Lebens
sahen. Von hier aus hofften sie, nach Amerika, nach Palästina oder in andere
Länder ausreisen zu können. Da dieser Weg aber vorerst versperrt war, lebten
tausende der jüdischen DPs einige Jahre in einem eilig errichteten Lager in
Frankfurt-Zeilsheim. Gleichzeitig kehrten erste überlebende Frankfurter
Jüdinnen und Juden aus dem Exil zurück, dazu ausdrücklich ermutigt von
Oberbürgermeister Walter Kolb.
Tobias Freimüller zeichnet in seiner Habilitationsschrift nach,
wie es in den folgenden Jahren gelang, allmählich wieder Institutionen und
einen sozialen Raum für jüdisches Leben in Frankfurt zu etablieren. Die Stadt
dient dabei einerseits als typisches Beispiel für die jüdische
Nachkriegsgeschichte in der Bundesrepublik, als ein Ort, an dem wie unter einem
Brennglas die Konfliktlagen jüdischer Nachkriegsgeschichte aufscheinen.
Aber Frankfurt war auch ein Sonderfall. Hier entstand unter dem
Schutz der amerikanischen Besatzungsmacht rasch ein Netz jüdischer
Institutionen und später eine intellektuelle Szene, deren Leuchtturm das aus
dem Exil zurückgekehrte Institut für Sozialforschung war. Gleichwohl blieb das
Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden in Frankfurt besonders konfliktreich.
Höhepunkte dieser Auseinandersetzungen waren die aufsehenerregende Blockade der
Uraufführung des Theaterstücks „Der Müll, die Stadt und der Tod“ von Rainer
Werner Fassbinder durch die Jüdische Gemeinde im Herbst 1985 und der
Börneplatzkonflikt 1987.
Wo und in welcher Form existierte nach dem Ende des
Nationalsozialismus noch ein lokales jüdisches Gedächtnis in Frankfurt, an das
man anknüpfen konnte? Wie ging man mit noch erhaltenen jüdischen
Erinnerungsorten in der Topographie der Stadt um? Wie gelang die Integration
der nach Kriegsende aus Osteuropa geflohenen Holocaustüberlebenden und warum
artikulierte sich gerade in Frankfurt die „zweite Generation“ von Jüdinnen und
Juden seit den 1960er Jahren so vernehmlich?
Deutsch-jüdische Nachkriegsgeschichte erscheint am Frankfurter
Beispiel als eine vielfältige Geschichte von Migration, Konflikt und
intellektuellem Neubeginn, aus der sich in den 1980er Jahren schließlich ein
neues jüdisches Selbstbewusstsein entwickelte.
Der Rosl und Paul Arnsberg-Preis der Stiftung Polytechnische
Gesellschaft wurde 2008 ins Leben gerufen und wurde nun zum sechsten Mal
vergeben. Er wird international ausgeschrieben und ist herausragenden
Forschungen zur Geschichte des jüdischen Lebens in Frankfurt gewidmet. Der
Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.
Bilder zum Download finden Sie unter folgendem Link: www.uni-frankfurt.de/84238080
Bildtext: Für seine Arbeit über die Geschichte des Frankfurter Judentums
ist Tobias Freimüller am Donnerstag mit dem Rosl und Paul Arnsberg-Preis der
Stiftung Polytechnische Gesellschaft ausgezeichnet worden. (Foto: Stiftung
Polytechnische Gesellschaft/Dominik Buschardt)
Informationen: Dr. Tobias Freimüller,
Stellvertretender Direktor am Fritz-Bauer-Institut, An-Institut der
Goethe-Universität, Campus Westend, Telefon 069/798 322-31, E-Mail freimueller@em.uni-frankfurt.de, Homepage www.fritz-bauer-institut.de
Einzelzelltechniken erlauben neue Einsichten auf Zellebene
FRANKFURT. Wie erholt sich das Herz nach einem
Infarkt? Was unterscheidet junge Herzen von alten? Diese Fragen wollen Forscher
mithilfe neuer Technologien beantworten, die verschiedenste Zelltypen und ihre
Aktivitäten bis auf die Ebene von Proteinen und Genen verfolgen. In der
aktuellen Ausgabe von Forschung Frankfurt erklärt Prof. Stefanie Dimmeler,
Sprecherin des Exzellenzclusters „Cardio-Pulmonary Institute“, wie diese
Erkenntnisse kranken Herzen künftig besser bei der Regeneration helfen könnten.
Herz und Gefäße bilden ein
hochkomplexes Organsystem, in dem unterschiedlichste Zelltypen reibungslos
zusammenarbeiten müssen. Die Endothelzellen, die alle Blutgefäße auskleiden,
stabilisieren zusammen mit den Gefäßmuskelzellen die Gefäße und regulieren den
Blutdruck. Für das Herzpumpen sind wiederum die Herzmuskelzellen
verantwortlich. Was passiert aber in kranken oder altersschwachen Herzen? Das
konnten Herzbiologen bisher nur auf der Ebene von Geweben untersuchen. Biologisch relevante
Vorgänge, die sich auf der Zellebene abspielen, könnten aber ebenfalls eine
Rolle spielen.
Nun gewähren neu entwickelte Verfahren zur
Analyse einzelner Zellen erstmals Einblicke in die tatsächliche Vielfalt der
Zellen im Herz-Kreislauf-System. Sie erlauben es, gleichzeitig eine Vielzahl an
aktiven Genen oder Proteinen in einzelnen Zellen zu analysieren. Um all diese
Daten sinnvoll zusammenzuführen und interpretieren zu können, nutzen Forscher
Ansätze aus der künstlichen Intelligenz. Maschinenlernverfahren helfen Stefanie
Dimmeler und Wesley Aplanalp vom Institut für kardiovaskuläre Regeneration,
Zellen mit ähnlichen Eigenschaften zusammenzufassen und nach ihren
Eigenschaften und Funktionen zu ordnen.
„Diese Methoden können wir in
Krankheitsmodellen anwenden, um erstmals zu untersuchen, wie einzelne Zellen
auf Risikofaktoren oder Erkrankungen reagieren“, erklärt Dimmeler. „Wir möchten
beispielsweise wissen, ob sich alle Zellen gleichzeitig verändern, oder ob es
nur einzelne Zellen oder Zellgruppen sind, die dann Nachbarzellen durch
fehlerhafte Kontakte schädigen.“
Von besonderer Bedeutung ist, dass die
Einzelzell-Technologie auch auf kleine menschliche Gewebestücke, wie Biopsien,
anwendbar ist. Zusammen mit vielen internationalen Forschern trägt Dimmeler die
Informationen zusammen, um erstmals einen Atlas des kranken Herzens anfertigen
zu können. Erst kürzlich trafen sich Experten aus aller Welt in Frankfurt um
gemeinsam über die neuen Technologien und die gewonnenen Erkenntnisse zu
diskutieren. Wie umfangreich die Daten sind, die zunächst gesammelt werden
müssen, lässt sich durch einen Vergleich mit dem bereits veröffentlichten
Zellatlas der gesunden Maus ermessen: Dieser umfasst 100 000 Zellen von 20
Organen und Geweben.
Zur Erstellung des menschlichen Zellatlas
wurde im Oktober 2016 in London das Konsortium „Human Cell Atlas“ gegründet.
„Bei manchen Zellarten, die beim Menschen in hoher Zahl vorkommen, reicht
bereits eine kleine Stichprobe, aber um seltene Zellen wie Stammzellen oder
auch komplexe Veränderungen bei Erkrankungen feststellen zu können, müssen sehr viele Zellen analysiert werden“,
erklärt Dimmeler. Daher hat die Chan Zuckerberg Initiative von Facebook-Gründer
Mark Zuckerberg und seiner Frau, der Kinderärztin Priscilla Chan, das Projekt
im Juni 2019 zusätzlich mit 68 Millionen Dollar gefördert.
Die Arbeitsgruppe von Dimmeler
arbeitet zusammen mit dem Kardiologen Prof. Andreas Zeiher und dem
Herzchirurgen Prof. Thomas Walther daran, die Einzelzellbiologie im kranken und
alten Herzen des Menschen aufzuklären. Insbesondere versucht das Team, anhand
von menschlichem Blut und kleinen Gewebestückchen, die bei Herzoperationen
anfallen, zu verstehen, wie der Herzinfarkt und die dann folgende Narbenbildung
die Zusammensetzung und die Kommunikation der Zellen im Herzen verändern. Gibt
es möglicherweise seltene, bisher unbekannte Populationen von Stamm- oder
Vorläuferzellen? Wie verändern sich die Entzündungszellen im Blut herzkranker
Patienten? Und was passiert, wenn die Entzündungszellen ins Herz einwandern?
Während die menschlichen Proben
noch gesammelt werden, haben Dimmeler und ihre Mitstreiter an Mäusen bereits
festgestellt, dass einzelne Zellpopulationen sich im Alter verändern.
Nachfolgende bioinformatische Analysen zeigten zudem eine Veränderung der Gene,
die für die Kommunikation der Zellen untereinander verantwortlich sind. „Wir
konnten im alten Herzen eine Kommunikationsstörung nachweisen. Im jungen Herzen
unterstützen sich die Zellen gegenseitig: Zwischen den Herzmuskel- und
Gefäß-bildenden Zellen liegen Zellen des Bindegewebes, sogenannte Fibroblasten.
Sie schütten Botenstoffe aus, die die Gefäßzellen positiv beeinflussen. Im
Alter werden dagegen andere Botenstoffe gebildet, die zu einer eingeschränkten
Durchblutung des Herzens führen könnten“, erklärt die Biologin.
Die Forscher am
Cardio-Pulmonary Institute, an dem auch die Universität Gießen und das Max
Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung beteiligt sind, hoffen, dass die
Einzelzelltechnologien künftig dazu beitragen werden,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen besser zu verstehen. Darauf aufbauend möchten sie
neue therapeutische und diagnostische Verfahren entwickeln.
Ein Bild zum Download finden Sie unter: www.uni-frankfurt.de/84147011
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2019) kann von
Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im
Web: www.forschung-frankfurt.de.
Antworten gibt es bei der MainStudy 2020 an der Goethe-Universität
FRANKFURT. Am 22. und 23.
Januar können Schülerinnen und Schüler an der Goethe-Universität im Rahmen der
MainStudy 2020 einen Einblick in die unterschiedlichsten Studiengänge nehmen
und damit wichtige Fragen für ihre Berufs- und Studienentscheidung klären: Wie
sieht es eigentlich an einer Uni aus? Welches Studium ist das richtige für
mich? Ist mein Traum-Fach wirklich das, was ich mir darunter vorstelle?
Bald ist es wieder so weit: Tausende von Schülerinnen und Schülern der gymnasialen Oberstufen und der Fachoberschulen aus dem Rhein-Main-Gebiet werden Mitte 2020 ihr (Fach-)Abitur machen und müssen sich entscheiden, wie sie ihre berufliche Zukunft gestalten wollen. Die Auswahl ist riesig (rund 18.000 Studiengänge in Deutschland) und unübersichtlich und die jungen Menschen oft mit der Entscheidung überfordert. Was hier wirklich hilft, sind Erfahrungen und Eindrücke aus erster Hand. Deshalb öffnet die Goethe-Universität am 22. und 23. Januar wieder Ihre Türen zur „MainStudy“ und ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern an zwei Tagen die Universität und ihre Fachbereiche live zu erleben. Dabei erwartet die Schüler ein vielfältiges Programm aus Vorträgen zu Studiengängen, Campusführungen, Experimenten und Gesprächsrunden mit Studierenden. Dies gibt den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, die Universität intensiver zu erkunden und vielleicht auch schon den ersten Kontakt zu Studierenden oder Professor/innen des Wunschfaches aufzunehmen. Die Angebote der Bundesagentur für Arbeit runden die beiden Tage mit zahlreichen Vorträgen zur Berufspraxis und übergreifenden Themen zu Entscheidungsfindung und Überbrückungsmöglichkeiten zwischen Abitur und Studium ab.
Veranstaltungen
22. Januar 2020, 8.45 Uhr bis 16.00 Uhr, Campus Westend: Vorstellung der
geistes-, gesellschafts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fächer.
23. Januar 2020, 8.45 Uhr bis 16.00 Uhr, Campus Riedberg: Vorstellung der
Naturwissenschaften.
Eingebettet
sind die beiden Veranstaltungstage an der Goethe-Universität in die insgesamt
viertägige Veranstaltung „MainStudy“ der Hochschulen der Region Frankfurt vom
20. bis 23. Januar 2020. Neben der Goethe-Universität sind Gastgeber die
Frankfurt University of Applied Sciences, die Hochschule für Musik und
Darstellende Kunst und die Hochschule für Gestaltung Offenbach. Schülerinnen
und Schüler und alle Interessierten sind herzlich eingeladen, die
Goethe-Universität zur „MainStudy“ zu besuchen. Eine Anmeldung ist nicht
erforderlich.
Programm: http://www.mainstudy.uni-frankfurt.de
Weitere
Informationen:
Marion Gröger, Studien-Service-Center, Goethe-Universität Frankfurt, Tel.:
(069) 798-17288, m.groeger@em.uni-frankfurt.de
Till van Rahden, Historiker an der Université de Montréal, diskutiert mit der Frankfurter Politikwissenschaftlerin Nicole Deitelhoff über sein Buch „Demokratie. Eine gefährdete Lebensform“
BAD HOMBURG. Lange galt die liberale Demokratie als selbstverständlich. Nun steckt sie in der Krise: Immer mehr Bürgerinnen und Bürger distanzieren sich von der Politik, die Volksparteien verlieren an Bindekraft, digitale Kurznachrichten ersetzen zunehmend die öffentliche Debatte. Weltweit erscheinen Studien, die sich mit den Ursachen der aktuellen Anfechtungen der Demokratie befassen. In seinem im November 2019 im Campus-Verlag erschienenen Buch Demokratie. Eine gefährdete Lebensform wechselt der Historiker Till van Rahden die Perspektive: „Statt darauf zu starren, wie Demokratien sterben, geht dieses Buch der Frage nach, was sie am Leben erhält.“ In fünf Kapiteln wirft der Autor Schlaglichter auf die Geschichte der Bundesrepublik, um so die kulturellen und sozialen Voraussetzungen der Demokratie herauszuarbeiten, die im Alltagsleben und in öffentlichen Debatten zum Tragen kommen. Er analysiert etwa das „Lächeln der Verfassungsrichterin“ bei der Verkündung des „Stichentscheid-Urteils“ 1959, die Kinderladenbewegung in den frühen 1970er Jahren oder die Debatten um die Schließung des Offenbacher Parkbades in den frühen 1990er Jahren.
Zur Diskussion über die Thesen des Buches lädt das Forschungskolleg Humanwissenschaften sehr herzlich
am Montag, 16. Dezember, um 19 Uhr
ins Forschungskolleg
(Am Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg vor der Höhe)
ein. Die Frankfurter Politikwissenschaftlerin und Leiterin des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung Prof. Nicole Deitelhoff wird mit Till van Rahden über sein Verständnis von der „Demokratie als Lebensform“ sprechen. Prof. Johannes Völz, Professor für Amerikanistik mit dem Schwerpunkt „Demokratie und Ästhetik“ an der Goethe-Universität und Mitglied im Direktorium des Forschungskollegs, wird das Gespräch moderieren.
Die Buchvorstellung mit anschließender Diskussion ist Teil der Reihe »Das Forschungskolleg Humanwissenschaften stellt vor: …«. Mit dem Ziel, wissenschaftliche Bücher in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und zu diskutieren, lädt das Kolleg Angehörige der Rhein-Main-Universitäten sowie Gäste des Kollegs ein, um über ihr Buch, dessen Hintergründe sowie die Fragen, die sie zu diesem Werk motivierten, zu sprechen. Geleitet wird die Reihe von Professor Dr. Dr. Matthias Lutz-Bachmann, dem Direktor des Forschungskollegs Humanwissenschaften.
Anmeldung:
Um vorherige Anmeldung unter info@forschungskolleg-humanwissenschaften.de wird gebeten.
Information: Iris Helene Koban, Geschäftsführung, Forschungskolleg Humanwissenschaften (Tel.: 06172-13977-10; Email: i.koban@forschungskolleghumanwissenschaften.de); Beate Sutterlüty, Wissenschaftskommunikation, Forschungskolleg Humanwissenschaften (Tel.: 06172-13977-15; Email: b.sutterluety@forschungskolleghumanwissenschaften.de); www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de
Mediävistin Franziska Wenzel über das Herz im Minnesang – Gerade erschienen: „Forschung Frankfurt“ zum Thema „Von Herzen“
FRANKFURT. Das Herz ist ein wichtiges Organ, ein pulsierender Muskel, von dem das Leben abhängt. Als Symbol steht es vor allem für die Liebe und andere tiefe Empfindungen. Der Übergang vom Herzen nach medizinischem Verständnis zum Herzen als sprachlichem Bild war in der Literatur des Mittelalters noch fließend. Darüber schreibt in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins der Goethe-Universität „Forschung Frankfurt“ die Mediävistin Franziska Wenzel. Das Schwerpunktthema lautet diesmal: „Von Herzen“.
Das Sprachbild vom „gebrochenen Herzen“ – bis heute wird es häufig bemüht. Im Minnesang des Mittelalters kann es jedoch verblüffend konkret gemeint sein: Etwa wenn die Liebenden am gebrochenen Herzen lebensgefährlich erkranken, wie das im »Herzmaere« Konrads von Würzburg, einem Autor aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, der Fall ist. Einer solchen Konkretisierung, so Franziska Wenzel in ihrem Beitrag, liege eine ungewöhnliche Verbindung von Sprache, Vorstellung und körperlichem Zustand zugrunde. Die Mediävistin zeigt anhand zahlreicher Beispiele, wie bilderreich die Sprache des Mittelalters war und welche zentrale Rolle das Herz dabei spielte.
Viele dieser Sprachbilder basierten auf der Vorstellung eines körperlichen Innenraums, so Wenzel: Das Herz als ein Gehäuse, in dem man wohnen, das man begehen, erobern und beherrschen kann. Der Ursprung dieser Vorstellung sei biblischer Natur und knüpfe an die Vorstellung von der Gegenwart Gottes im Herzen des Menschen an. Solche Verräumlichungen seien v.a. in der lyrischen Liebesdichtung anzutreffen. Häufig komme auch das Sprachbild vom Herzenstausch vor, das oft mehrdeutig verwendet wird – metaphorisch, symbolisch, ironisch, aber durchaus auch wörtlich. Was Fragen aufwirft: Was bewirkt das weibliche Herz in der Brust eines Mannes?
In fast allen Kulturen existent ist Wenzel zufolge das Motiv vom verspeisten Herzen. Es kommt zum Beispiel in Erzählungen vor, in denen der eifersüchtige Ehemann den Liebhaber tötet und sich an der Ehefrau rächt, indem er ihr das zubereitete Herz als Speise vorsetzt. In anderen Texten stirbt der Liebhaber in der Fremde und lässt sein Herz zur Geliebten zurückschicken. Der Ehemann fängt den Boten zufällig ab und setzt das Herz, von seinem Koch zubereitet, der Ehefrau vor. Dieses populäre Motiv wurde bis ins 20. Jahrhundert vielfach literarisch verarbeitet. Es findet sich etwa in der »Vita nuova« Dante Alighieris (um 1290), im »Decamerone« Giovanni Boccaccios (um 1350), bei Jörg Wickram in »Gabriotto und Reinhart« (1551), bei Georg Philipp Harsdörffer in der barocken Dichtung »Das gefressene Hertz« (1654) und später in Ludwig Uhlands »Der Kastellan von Couci« (1812) sowie in Stendhals »Le Rouge et le Noir« (1830).
Die Autorin, die seit diesem Jahr an der Goethe-Universität forscht und lehrt, legt anschaulich dar, welche sprachliche Kraft die Minnelyrik in all ihrer Bildhaftigkeit entfaltete. Im »Herzmaere« Konrads von Würzburg etwa treten in großer Verdichtung sprachbildliche, konkrete und symbolische Erscheinungen des Herzens nebeneinander. Das metaphorische Herz wird zum konkret gebrochenen Herzen, das sich als Organ dem Körper entnehmen und zur Erinnerung einbalsamieren lässt; das sich aber zugleich auch als Minnesymbol verschicken lässt, das als erkaltetes Organ zum Tod führt. Das fleischliche Herz kann zubereitet und verspeist werden – eine Form der nicht zu steigernden menschlichen Nähe.
Mehr zu diesem Thema lesen Sie im Beitrag von Prof. Franziska Wenzel, der in der aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2019) erschienen ist. Die Ausgabe kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im Web: www.forschung-frankfurt.de.
Informationen: Prof. Dr. Franziska Wenzel, Professur für Ältere deutsche Literatur, Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik, Fachbereich 10, Telefon 069 798-32687; E-Mail frwenzel@em.uni-frankfurt.de
Neues aus der Fischöl-Fettsäuren-Forschung und zum Einfluss der Ernährung
FRANKFURT. Ein zu
hoher Cholesterinspiegel kann heutzutage medikamentös gut behandelt werden.
Doch inzwischen ist bekannt, dass weit mehr Stoffwechselprozesse bei der
Entstehung von Herz- und Gefäßerkrankungen im Spiel sind. Viele lassen sich
über die Ernährung beeinflussen, wie Forscherinnen und Forscher in der
aktuellen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ berichten. Schwerpunkt ist die
Forschung im Exzellenzcluster „Cardio-Pulmonary Institute“.
Wussten Sie, dass antibakterielles Mundwasser zu Bluthochdruck führen kann? Bakterien im Speichel produzieren Enzyme, die Nitrat aus der Nahrung zu Nitrit reduzieren. In dieser Form kann der Körper es weiter in Stickoxid (NO) umwandeln. NO hat eine Schlüsselfunktion für die Gesundheit der Entdothelzellen, mit denen die Innenwände der Gefäße ausgekleidet sind. Führt man den Körper andererseits mehr Nitrate mit der Nahrung zu, z.B. in Form von Rote Beete-Saft, könnte sich das bei bestimmten Patientengruppen als blutdrucksenkend auswirken. Es gibt Studien, wonach die Gabe von nichtorganischem Nitrat und Rote Beete-Saft mit einem signifikanten Rückgang des systolischen Blutdrucks verbunden ist. Dieser Befund sollte jedoch in weiteren Untersuchungen verifiziert werden.
Eine zweite, bisher unterschätzte Verbindung ist der Schwefelwasserstoff
(H2S), bekannt durch den Geruch von faulen Eiern. Im Körper wird die Synthese
von H2S durch eine Reihe von Enzymen gesteuert, wobei die Cystathioninlyase
(CSE) die wichtigste im Herz-Kreislauf-System ist. Bei Patienten mit
beschädigten und fehlerhaft funktionierenden Endothelzellen nimmt die
CSE-Aktivität ab. Der Grund dafür könnten Gefäßentzündungen sein, wie
Sofia-Iris Bibli aus dem „Institute for Vascular Signaling“ von Prof. Ingrid
Fleming kürzlich herausgefunden hat. Für die Therapie werden derzeit H2S-Spender
entwickelt.
Und wie steht es mit Diäten, die mit Omega-3-Fettsäuren
(Fischölen) angereichert sind? Zunächst hatten Studienergebnisse gezeigt, dass
diese Ernährungsform allgemein vor Diabetes und Herzerkrankungen schützt.
Neuere klinische Studien konnten hingegen keinen signifikanten Nutzen von
Fischölergänzungen nachweisen. Ingrid Fleming zufolge liegt das daran, dass die
verschiedenen Studien nicht die optimale Konzentration jeder Omega-3-Fettsäure
bestimmt haben bzw. das Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren, das für
den Schutz erforderlich ist. Zweitens schwankt die Qualität der rezeptfreien
Ergänzungsmittel auf dem Markt stark. Die Analyse der meistverkauften
Fischöl-Nahrungsergänzungsmittel in den USA ergab beispielsweise einen hohen
Anteil an anderen Fettsäuren. Zudem können Fischöle eine Mischung aus EPA und
DHA enthalten. Schützende Effekte sind jedoch nur von EPA bekannt.
Wie Fischöle ihre entzündungshemmende Wirkung entfalten ist
derzeit schwer zu beantworten. Man weiß bisher nur, dass EPA und DHA leicht in
Zellen und Gewebe eingebaut werden und dadurch die Membraneigenschaften, die
Übermittlung von Signalen und die Genexpression verändern. Aus EPA entsteht
außerdem das entzündungshemmende Resolvin E1, das nachweislich Entzündungen in
verschiedenen Krankheitsmodellen aufzulösen hilft.
Fettsäuren sind außerdem für das Herz eine wichtige Energiequelle.
Mit über 75 Prozent gewinnt es den allergrößten Teil seiner Energie aus ihnen,
nur zwischen 10 und 20 Prozent stammen von Glukose. Es gibt Studien, die
zeigen, dass bei einigen Menschen mit Herzfehlern das Herz mehr Energie aus
Glukose statt aus Fettsäuren gewinnt. Das Herz bekommt dann zwar immer noch
genug Energie, kann aber trotzdem nicht mehr richtig funktionieren. „Dieser Stoffwechsel-Vorgang
ist wichtig. Wir wissen aber noch nicht genau, wie und warum er abläuft“,
erklärt der Pharmakologe Dr. Jiong Hu, der für seine Forschung am „Institute
for Vascular Signaling“ einen Advanced Grant des Cardio-Pulmonary Institute
bekommen hat.
Schließlich kann auch die Bakterienflora im Darm die Entwicklung
von Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen beeinflussen. So begünstig
eine Ernährung, die viel rotes Fleisch enthält, die Entstehung von
Atherosklerose, denn rotes Fleisch enthält reichlich L-Carnitin, das von
Darm-Mikrobiota in Trimethylaminoxid (TMAO) umgewandelt wird. TMAO begünstigt
Atherosklerose. Eine vegetarische oder veganer schützt hingegen die Gefäße.
Fleming vermutet, dass es künftig zur Entwicklung einer Welle von Probiotika
kommen wird, die die Darmflora und die Bildung von Stoffwechselprodukten
verändern sollen, um das Herz zu schützen.
Weitere Themen in der neuen Ausgabe von Forschung Frankfurt:
Vorbeugen ist besser als heilen
Interview mit dem Epidemiologen und Systemmediziner Prof. Philipp
Wild, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, zum Einfluss von
Umweltfaktoren auf die Herzgesundheit
Vom Herz zum Schmerz: Kummer als Auslöser von Krankheit und
Leiden
Klappe – die zweite: Herzklappenaustausch in einer halben Stunde
dank modernem Katheter-Verfahren
„Meine herzkranken Kinder haben mich gerettet“ – Porträt
des Kinderkardiologen Prof. Dietmar Schranz
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2019) kann von
Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im
Web: www.forschung-frankfurt.de.
Informationen:
Prof. Ingrid Fleming, Institute for Vascular Signaling, Tel.: 069: 6301-6972; -6052, Email: fleming@em.uni-frankfurt.de
Tina Turner steht in diesem Jahr im Fokus der Weihnachtsvorlesung
FRANKFURT. Auch
in diesem Jahr laden die Pharmazeuten Prof. Theo Dingermann und Prof. Dieter
Steinhilber wieder zu einer Weihnachtsvorlesung auf den Campus Riedberg ein. In
ihrem Vortrag geht es diesmal um Tina Turner, die Rocksängerin mit der
rauchigen Stimme. „Nierenversagen – wenn die Entgiftung des Körpers versagt“
lautet der Titel der Vorlesung, die
am
Dienstag, 17. Dezember, um 11 Uhr c.t.
im
Biozentrum, Raum B1 (Campus Riedberg)
stattfindet. Dingermann und Steinhilber werden in Rahmen der
Traditionsreihe, bei der die gesundheitlichen Leiden prominenter Musiker im
Mittelpunkt stehen, auf das Leben und Leiden, aber auch auf das künstlerische
Schaffen der Sängerin eingehen.
In Deutschland bekommen rund 80.000 Patienten regelmäßig eine Dialyse, wobei über die Hälfte der Patienten älter als 65 Jahre sind. Deren Diagnose lautet Niereninsuffizienz: Dabei sind die Nieren nicht mehr in der Lage, ihrer Entgiftungsfunktion nachzukommen. Die häufigsten Ursachen für eine Niereninsuffizienz sind langjähriger Diabetes und unbehandelter Bluthochdruck. Ohne Behandlung ist eine Niereninsuffizienz tödlich, aber auch bei entsprechender Therapie mittels Dialyse haben die Patienten eine deutlich reduzierte Lebenserwartung. Die einzige kurative Therapie besteht in der Nierentransplantation. Der Mangel an Spendernieren führt jedoch dazu, dass die niereninsuffizienten Patienten immer länger an der Dialyse hängen und dass damit ihre Lebenserwartung sinkt.
Tina Turner, eine der herausragenden Rocksängerinnen unserer Zeit,
hat in ihrem Leben viel Licht, aber auch viel Schatten gesehen. Sie wurde mit
Ruhm überschüttet, gilt als „simply the best“, stand jedoch auch dem Tod schon
sehr nahe. Tina Turner litt an Bluthochdruck, und drei Wochen nach ihrer
zweiten Hochzeit im Jahr 2013 erlitt sie einen Schlaganfall. 2016 folgte der
nächste Schock: Turner erhielt die Diagnose Darmkrebs, später versagten ihre
Nieren. Wegen der Niereninsuffizienz musste sie vier Jahre lang zur Dialyse.
Als sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechterte, wurde ihr 2017 im Alter
von 77 Jahren eine Niere transplantiert. Ihr zweiter Ehemann, der Kölner
Musikproduzent Erwin Bach, spendete ihr eine seiner beiden Nieren.
In ihrem Vortrag stellen Theo Dingermann und Dieter Steinhilber
einerseits die einzigartige Karriere von Tina Turner vor und zum anderen die
Möglichkeiten zur Prävention und Therapie der Niereninsuffizenz.
Informationen: Dr. Ilse Zündorf, Institut für Pharmazeutische Biologie
Goethe-Universität
Frankfurt a.M., Max-von-Laue-Str. 9, 60438 Frankfurt, Tel. (069) 79829648, zuendorf@em.uni-frankfurt.de.
Verkehrsdezernent Klaus Oesterling stellte bei einer Pressekonferenz verschiedene Linien-Varianten einer U4-Verlängerung vor, die den Campus Westend mit einbeziehen.
FRANKFURT. Die Chancen für die Realisierung einer U-Bahn Haltestelle auf dem Campus Westend sind gestiegen. Bei einer Pressekonferenz hat Stadtrat Klaus Oesterling gestern verschiedene Streckenvarianten für eine künftige U4-Linienführung von Bockenheim über Ginnheim zum Riedberg vorgestellt. Dabei wurde deutlich, dass auch die im März 2019 durch die Goethe-Universität öffentlich vorgestellte neue Streckenvariante mit einer U4-Haltestelle mitten auf dem Campus Westend zwischen Hörsaalzentrum und RuW-Gebäude in der Machbarkeitsstudie bei den weiteren Planungen berücksichtigt wird.
Universitätspräsidentin
Prof. Dr. Birgitta Wolff: „Wir sind dankbar, dass Verkehrsdezernent Klaus
Oesterling unsere Argumente für eine bessere Anbindung des Campus Westend an
den öffentlichen Nahverkehr gehört hat und diese in die aktuellen Planungen
einfließen lässt. Sollte die Vision einer eigenen Campushaltestelle Realität
werden, könnte man den Campus Westend künftig vom Hauptbahnhof aus in ca. sechs
Minuten Fahrzeit erreichen, statt heute in 17 bis 20. Die Campusvariante wäre
auch ein starkes Signal der Stadt Frankfurt gegenüber ihrer
Stiftungsuniversität, die in Frankfurt eine der Einrichtungen mit dem höchsten
Publikumsverkehr überhaupt darstellt und künftig zusammen mit weiteren
Einrichtungen auf dem Campus noch um weitere 10.000 potentielle ÖPNV-Nutzer
wachsen wird.“
Auch
der Verkehrsreferent des AStA, Sebastian Heidrich, betonte: „Die Planungen
gehen endlich in die richtige Richtung. Für die heute schon deutlich mehr als
30.000 Studierenden auf dem IG Farben-Campus und tausende Mitarbeitende stellte
eine wirksame ÖPNV-Anbindung eine enorme Erleichterung dar. Der heute von den
meisten Studierenden genutzte U-Bahnhof Holzhausenstraße ist schon längst nicht
mehr in der Lage, die wachsenden Menschenmengen zu bewältigen. Immer wieder
kommt es aufgrund der Überlastung zu gefährlichen Szenen am Bahnsteig. Wenn man
diesen Zustand beenden will, gibt es zu einer U4-Anbindung des IG Farben-Campus
keine Alternative.“ Heidrich betonte auch, dass es aus Klimaschutzgründen
geboten sei, mit attraktiven Angeboten des ÖPNV möglichst viele Menschen zum
Umstieg zu bewegen.
Oesterling
kündigte bei der Pressekonferenz an, bis Mitte 2020 nunmehr drei bis vier (von
bisher 10) Varianten weiter auf ihre Wirtschaftlichkeit hin untersuchen zu
lassen. Mit den Ergebnissen ist Mitte nächsten Jahres zu rechnen. Außerdem
kündigte er ein Gutachten an, mit dem festgestellt werden soll, ob der
Wasserhaushalt der Bäume des Grüneburgparks durch eine U4-Unterquerung
beeinflusst würde.
Weitere
Hintergründe, Daten und Fakten zur Verkehrssituation am Campus Westend und der
Notwendigkeit einer U4-Erweiterung über den Campus finden Sie unter:
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/wp-content/uploads/2019/03/PraesentationU4-2_nl.pdf
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/wp-content/uploads/2019/03/GU-Factsheet-U.pdf
Im neuen UniReport sprechen Studierende und Lehrende über Fächer, die als „klein“ gelten, aber zur Vielfalt und zum Reichtum der Wissenschaftslandschaft ganz entscheidend beitragen.
FRANKFURT. Die Bezeichnung “Kleine
Fächer“ orientiert sich in der Regel daran, wie stark
das Fach innerhalb der deutschen Hochschullandschaft vertreten ist. Das
quantitative Kriterium, also die Zahl der Professuren je Standort, sagt aber
nur wenig über die Bedeutung der Fächer. Wie der Afrikanist Prof. Axel
Fleisch im neuen UniReport betont, deckt beispielsweise sein „kleines“ Fach das
riesige Themenspektrum eines ganzen Kontinents ab. Mit einer AG „Kleine Fächer“
haben sich an der Goethe-Universität Fächer von der Afrikanistik über Judaistik
und Lusitanistik bis hin zur Theaterwissenschaft zusammengeschlossen. Im Rahmen
des bundesweiten Projektes „Kleine-Fächer-Wochen an deutschen Hochschulen“ hoffen
Studierende wie Lehrende, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die „Kleinen
Fächer“ keine Randerscheinungen abbilden.
Punkten können die Kleinen Fächer nicht nur mit einem guten
Betreuungsverhältnis. Auch die beruflichen Perspektiven sind recht gut, bieten
die Fächer doch jenseits des Mainstreams viel Raum, einerseits eigenen
Interessen nachzugehen und andererseits kooperative Lern- und
Kommunikationsformen kennen zu lernen und zu praktizieren. „Wir haben im
Austausch mit Personalchefs vernommen, dass man es durchaus zu schätzen weiß,
wenn Studierende nicht einfach nur schnell die Module durchstudieren, sondern
den Mut haben, sich ein eigenes Profil und Netzwerke aufzubauen.
Ellenbogendenken und Einzelkämpfertum führt heute nicht weiter. Auch im
Hinblick auf die großen Herausforderungen unserer Zeit muss man im Team
arbeiten und kooperativ denken können“, betont Axel Fleisch.
Die weiteren Themen im UniReport 6/Dezember 2019:
Der
UniReport 6/2019 steht zum kostenlosen Download bereit unter http://www.unireport.info/83974260.pdf
Die amerikanische Holocaustforscherin Prof. Deborah Lipstadt spricht im Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität
FRANKFURT. Nicht allein
in Deutschland, sondern weltweit häufen sich in jüngster Zeit Fälle
antisemitisch motivierter Diskriminierung und Gewalt, deren ideologische
Grundlagen vielfältig und komplex sind. In ihrem 2018 in deutscher Sprache im
Berlin Verlag erschienenen Buch „Der neue Antisemitismus“ spürt die renommierte
amerikanische Historikerin und Holocaustforscherin Deborah Lipstadt den
Ausdrucksformen dieses erschreckend virulenten Hasses in Europa, den USA und im
Nahen Osten nach und erklärt die Ursachen seines Wiederaufstiegs auch jenseits
rechtsradikaler und islamistischer Milieus. Sie zeigt auf, was Juden und
Nichtjuden wissen müssen, um dem neuen Antisemitismus etwas entgegensetzen zu
können, und warnt vor den universalen Folgen eines Hasses, der sich rasant
ausbreitet. „Juden sind so etwas wie der Gradmesser der Gesellschaft. Wer sie
angreift, greift alle demokratischen und multikulturellen Werte an“, so
Lipstadt.
Zum Vortrag von Deborah Lipstadt über „Contemporary Antisemitism. Old Text in a New Binding“ mit anschließender Diskussion lädt das Forschungskolleg Humanwissenschaften
Am Dienstag,
10. Dezember, um 19 Uhr
ins
Forschungskolleg
(Am
Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg vor der Höhe)
ein. Der Vortrag findet in englischer Sprache statt.
Deborah Lipstadt ist Professorin für Moderne Jüdische Geschichte
und Holocaust-Studien an der Emory University in Atlanta (USA). Ihre
Forschungen sind immer wieder auf ein großes öffentliches und politisches
Interesse gestoßen. Internationale Aufmerksamkeit erlangte ihre Geschichte der
Holocaustleugnung (auf Deutsch unter dem Titel „Leugnen des Holocaust.
Rechtsextremismus mit Methode“ 1996 in Hamburg erschienen): Der britische
Holocaustleugner David Irving verklagte Lipstadt wegen der ihn betreffenden
Aussagen vor einem Londoner Gericht. Im Urteil stellten die Richter fest, dass
Irving die historischen Fakten systematisch manipulierte, und es gab Lipstadt
in allen wesentlichen Punkten Recht. Im Mai 2018 wurde Deborah Lipstadt mit dem
Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik der Stadt Oldenburg
ausgezeichnet.
Die Einführung in den Vortrag übernimmt Prof. Christian Wiese,
Inhaber der Martin Buber-Professur für jüdische Religionsphilosophie an der
Goethe-Universität und Sprecher des LOEWE-Schwerpunktes „Religiöse
Positionierung. Modalitäten und Konstellationen in jüdischen, christlichen und
islamischen Kontexten“. Seit 2018 ist er zudem Mitglied im Wissenschaftlichen
Direktorium des Forschungskollegs Humanwissenschaften.
Weiterer Vortragstermin:
Im Rahmen der von der Martin Buber-Professur für jüdische
Religionsphilosophie veranstalteten Ringvorlesung „Religiöse Konflikte – Religion
und Konflikt – Religion und Gewalt“ wird Deborah Lisptadt bereits am Montag, 9.
Dezember, um 18 Uhr auf dem Campus Westend der Goethe-Universität sprechen
(Hörsaalzentrum 13).
Anmeldung:
Für die Veranstaltung am 10. Dezember in Bad Homburg wird um
vorherige Anmeldung unter info@forschungskolleg-humanwissenschaften.de gebeten. Für den Vortrag am 9. Dezember auf dem Campus Westend ist keine
Anmeldung erforderlich.
Information und Anmeldung: Beate Sutterlüty, Forschungskolleg
Humanwissenschaften, Wissenschaftskommunikation, Tel.: 06172-13977-15
(E-Mail: b.sutterluety@forschungskolleghumanwissenschaften.de)
Eva Kramberger, Martin Buber-Professur für
jüdische Religionsphilosophie (kramberger@em.uni-frankfurt.de)
Die Chaincourt Theatre Company präsentiert: „Machinal“ von Sophie Treadwell.
FRANKFURT. Die Chaincourt Theatre
Company stellt Ende Januar ihr neues Stück vor: „Machinal“ von Sophie
Treadwell. Insgesamt wirken 22 Studierende der Goethe-Universität sowohl auf
der Bühne als auch in den Kulissen in diesem anspruchsvollen Theaterstück mit.
James Fisk, Lektor für Englisch am Institut für England- und Amerikastudien,
führt zum wiederholten Male Regie und bringt seine mehrjährige Theatererfahrung
zum vollen Einsatz, um die Studierenden künstlerisch zu unterstützen. Die
kreative Umsetzung des Stückes durch Kostüme, Bühnenbild und Technik wird von
Studierenden des Fachbereichs 10 übernommen.
„Machinal“ ist ein seltenes Beispiel des amerikanischen avantgardistischen
Expressionismus und wurde von der Dramatikerin Sophie Treadwell geschrieben.
Basierend auf dem echten Fall der Ruth Brown Snyder, die am 12. Januar 1928
wegen Mordes auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde, hatte „Machinal“
seine Uraufführung am Broadway im Plymouth Theater am 7. September 1928. In den
Hauptrollen spielten die österreichische Schauspielerin Zita Johann und Clark
Gable, der später Rhett Butler in der Hollywood-Verfilmung von „Vom Winde
verweht“ wurde. In „Machinal“ folgen die Zuschauer der Figur der “Young Woman",
einer sanften Frau, die sich gefangen fühlt in einer emotional kalten und auf
Leistung ausgerichteten Welt. In neun Episoden wird dargestellt, wie die junge
Frau verzweifelt versucht, sich in diese Gesellschaft einzufügen und das tut,
was von ihr erwartet wird, jedoch immer wieder dabei scheitert. Unterdrückt von
ihrer Mutter und ihrem Ehemann, flieht sie schließlich in eine Affäre mit einem
mysteriösen Fremden, durch den sie zum ersten Mal wirkliche Lebensfreude
erfährt. Doch die Situation gerät außer Kontrolle, und die Maschine der
Gesellschaft droht die “Young Woman" endgültig zu zermalmen.
Obwohl
„Machinal“ nun schon über 90 Jahre alt ist, wirkt es immer noch erschreckend
aktuell in seiner Darstellung von Ängsten, Burnout, von unrealistischen
Erwartungen der Gesellschaft, unter denen Frauen zu leiden haben, und den
Gefahren einer vollkommen auf Profitgier ausgerichteten Welt. Für die Figur der
“Young Woman" ist es unmöglich, in der mechanisierten und kalten Welt der Moderne
zu leben, was sich im Stück besonders in den Dialogen widerspiegelt, die selten
flüssig sind, sondern immer wieder durch fast schon mechanisch redende Menschen
oder durch laute Geräusche der Maschinen unterbrochen werden.
Vorstellungen: Premiere am 31.
Januar 2020; weitere Aufführungen am 1., 6., 7. und 8. Februar 2020;
Vorstellungsbeginn ist jeweils um 19.30 Uhr im IG-Farben-Nebengebäude, Raum NG
1.741, Campus Westend der Goethe-Universität.
Karten: 10 €/5 €
(ermäßigt) erhältlich an der Abendkasse eine Stunde vor Vorstellungsbeginn oder
in „Zimmer 17“ (Raum IG 3.257, am Campus-Westend, Tel. 793 32550); montags
10.30-16.00 Uhr; dienstags 10.00-14.00 Uhr; mittwochs 10.00-13.30 Uhr u.
donnerstags 12.00-14.00 Uhr.
Kontakt: James Fisk,
Künstlerische Leitung des Chaincourt Theatre; fisk@em.uni-frankfurt.de; www.chaincourt.org
Im „South Hesse Oak Project“ (SHOP) erforschen Frankfurter Biologen, wie Klimaveränderungen den hiesigen Bäumen schaden
FRANKFURT. Forscher
vom Institut für Ökologie, Evolution und Diversität der Goethe-Universität
suchen im „South Hesse Oak Project“ (SHOP) nach Strategien, um einer Versteppung
des Waldes entgegenzuwirken, die als Folge des Klimawandels zu befürchten ist.
Nun stellen sie erste strategische Empfehlungen vor.
Nun
stellen sie erste strategische Empfehlungen vor:
Bereits
2007 begann an der Goethe-Universität der Arbeitskreis „Ökophysiologie der
Pflanzen“ mediterrane Eichenarten zu untersuchen. Das daraus entstandene
Projekt „Wald der Zukunft“ wurde 2009 zu Beginn des LOEWE-Zentrums BiK-F mit
dem Innovationspreis „Deutschland - Land der Ideen: Ausgezeichneter Ort 2009“ belohnt.
Mit externen Partnern entwickelte sich hieraus 2011 das SHOP.
Das
Projekt beschäftigt sich mit der Einbringung mediterraner Eichen als
Alternativbaumarten. „Die Eiche ist hierzulande einer der ökologisch
wichtigsten bestandsbildenden Bäume“, sagt Wolfgang Brüggemann,
Biologieprofessor und Leiter des SHOP. „Sie steht aber häufig auf extrem
trockenen Standorten und wird daher vom Klimawandel besonders stark betroffen
sein.“ Die alternativen Baumarten müssen nicht nur trockenresistenter als die
Stieleiche sein, sondern auch die hiesigen heute noch kalten Winter gut
überstehen. Außerdem ist es für die Wissenschaftler wichtig, dass die Arten
auch die ökologischen Funktionen der hier ausfallenden Arten übernehmen können.
„Um die Systeme nicht weiter zu schwächen, ist das Aufrechterhalten der Biodiversität
wichtig“, sagt Vera Holland, Post-Doc am Institut für Ökologie, Evolution und
Diversität.
Im
SHOP-Projekt – und dem 2017 daraus mit Partnern in Italien und Griechenland
entwickelten Kooperationsprojekt „Futureoaks-IKYDA“ – haben die Forscher zwischen
2009 und 2017 insgesamt mehr als 10.000 Eichen an vier Standorten in Südhessen
sowie in Griechenland und Italien gepflanzt. Über Jahre haben sie ihr Wachstum,
ihre Physiologie, Molekularbiologie und ihr ökologisches Potential studiert.
Die Ergebnisse ihrer Forschung belegen ein großes Potential für einige der
mediterranen Eichen, um als Alternativbaumarten an Extremstandorten gepflanzt
zu werden: etwa die Flaumeiche (Quercus pubescens) oder unter bestimmten
Bedingungen auch die immergrüne Steineiche (Quercus ilex).
„Auf
Basis modellgestützter Prognosen wird eine klimawandelbedingte Verschiebung der
Verbreitungsgrenzen mediterraner Arten in Richtung Mitteleuropa bereits seit
Jahren vorhergesagt“, sagt Vera Holland. „Der Klimawandel schreitet aber viel
schneller voran, als dass die natürliche Einwanderung dieser Baumarten damit
Schritt halten und schnell genug die Lücken füllen kann, die durch
Extremwetterereignisse entstehen. Die von uns propagierte Einbringung über eine
gestützte Migration würde demnach diesem Prozess vorgreifen und so verhindern,
dass es zu einem Rückgang der Waldgebiete, starkem Nachlassen der CO2-Speicherung
und starker Bodenerosion auf zwischenzeitlich entwaldeten Standorten käme“, so
die Biologin.
Informationen: Wolfgang Brüggemann,
Professor, Institut für Ökologie, Evolution und Diversität, Fachbereich
Biowissenschaften, Campus Riedberg, +49 (0)69-79842192, w.brueggemann@bio.uni-frankfurt.de