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Neuer Schwerpunkt am Forschungskolleg Humanwissenschaften untersucht die Potentiale und die Anfechtungen der Demokratie in der Atlantischen Welt
BAD HOMBURG, FRANKFURT. Seit einhundert Jahren sind die Begriffe „Atlantische Welt“ und „Demokratie“ eng miteinander verbunden. Dies geht auf den amerikanischen Publizisten Walter Lippmann zurück, der den Begriff „Atlantic World“ prägte, um eine transatlantische Gemeinschaft zu beschwören, die sich der Verteidigung von Demokratie und Freiheit verpflichtet fühlte. Diese „atlantischen“ Ideale aber wurden von jeher angefochten und bedroht. So zeigen die jüngsten Ereignisse in den USA die Fragilität wie auch die Stärke der Demokratie gleichermaßen: Am 6. Januar stürmte ein Mob das Kapitol, um die Legitimität der demokratischen Macht zu verhöhnen – und nur vierzehn Tage später wurde das Kapitol mit der Feier zur Inauguration des neuen Präsidenten zum Sinnbild für die Stärke und Offenheit der Demokratie in der Gegenwart.
Mit
diesen aktuellen Bildern vor Augen startet nun das Forschungskolleg
Humanwissenschaften einen neuen Forschungsschwerpunkt „Democratic Vistas.
Reflections on the Atlantic World“. „Damit möchte das Kolleg“, wie der
Direktor Prof. Matthias Lutz-Bachmann betont, „den Diskurs ‚über den Atlantik
hinweg' vertiefen – einen Diskurs, den das Kolleg seit seiner Gründung vor zehn
Jahren führt, zuletzt intensiv im Rahmen der Bad Homburg Conference im Oktober
2020, die sich der Zukunft der transatlantischen Beziehungen widmete.“
Das
Konzept des Forschungsschwerpunktes wurde federführend von Johannes Völz
entwickelt, Professor für Amerikanistik an der Goethe-Universität und seit 2019
Mitglied im Direktorium des Forschungskollegs Humanwissenschaften. „Mit dem
Titel des neuen Forschungsschwerpunktes greifen wir Gedanken von Walt Whitman
auf, die er 1871 in seinem Essay ‚Democratic Vistas' formulierte. Whitman
fasste die Demokratie als ein Experiment im Streben nach Freiheit und
Gleichheit auf. Doch Experimente könnten auch scheitern. Das Gespenst der
Tyrannei, so Whitman, ist die Kehrseite der kollektiven Selbstgestaltung. Genau
das können wir heute beobachten: Auf der einen Seite stehen die Populismen, die
Demokratien auf der ganzen Welt bedrohen, auf der anderen die starken und
beeindruckenden Befreiungsbewegungen, etwa in Belarus. Whitman wusste noch
etwas anderes: ‚Demokratie' bezeichnet nicht den Ist-Zustand eines politischen
Systems, sondern eine Aspiration, eben einen Ausblick auf eine andere Zukunft.
Die Demokratie zu beschwören, verlangt deshalb, seinen eigenen Blick zu weiten.
Das prägt auch unsere Sicht am Forschungskolleg: wir beschränken die
‚Atlantische Welt' nicht auf das Bündnis zwischen Nordamerika und Europa,
sondern beziehen sowohl die Nord-Süd-, als auch die Ost-West-Achse bewusst mit
ein“.
Unter der Leitung von Völz und seinem Frankfurter Kollegen Gunther Hellmann, Professor für Politikwissenschaft, bringt „Democratic Vistas“ eine interdisziplinäre Gruppe von Wissenschaftler*innen der Goethe-Universität sowie internationale und regionale Partner aus den Feldern Geschichte, Internationale Beziehungen, Recht, Literatur, Medienwissenschaft, Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Philosophie, politische Theorie, Religionswissenschaft, Sozialpsychologie und Soziologie zusammen.
Eröffnet wird der Forschungsschwerpunkt mit einer digitalen
Podiumsdiskussion am Donnerstag, dem 18. Februar 2021, um 17.00
Uhr. Masha Gessen (New York), Shalini Randeria (Wien) und Sławomir
Sierakowski (Warschau) diskutieren zum Thema „Democratic Vistas, Autocratic
Specters: Must We Reinvent Democracy?“
Weitere
Informationen
über den Forschungsschwerpunkt, seine Mitglieder und über die die
Eröffnungsveranstaltung finden sich auf der Webpage des Forschungskollegs
Humanwissenschaften: www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de
Kontakt
Iris
Helene Koban, Geschäftsführerin des Forschungskollegs Humanwissenschaften, Tel.
(06172) 13977-0; i.koban@forschungskolleg-humanwissenschaften.de; Prof. Dr. Johannes
Völz, voelz@em.uni-frankfurt.de.
Mehr als 2000 Groß- und Kleinspender ermöglichen zahlreiche Forschungsprojekte an Goethe-Universität und Universitätsklinikum Frankfurt zur Bewältigung der Pandemie
Knapp zehn Monate nach dem ersten Spendenaufruf von Goethe-Universität und Universitätsklinikum Frankfurt hat der Goethe-Corona-Fonds die angestrebte 5-Millionen-Euro-Marke überschritten. Die Idee des Goethe-Corona-Fonds stammt aus den ersten Tagen der Pandemie: Sofort und unbürokratisch sollten Forscherinnen und Forscher durch Spenden unterstützt werden, ihren Beitrag zur Bewältigung der Corona-Krise zu leisten. Kräfte bündeln und kompetent helfen – mehr als 2000 Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen haben dieses Ziel inzwischen unterstützt.
FRANKFURT. „Mir hat das
Spenden für die Forschung dabei geholfen, mich in den ersten Tagen der
Corona-Krise nicht mehr so ohnmächtig zu fühlen. Ich konnte etwas Sinnvolles
tun“, erklärt Raina Jockers, eine der mehr als 2000 Spenderinnen und Spender
für den Goethe-Corona-Fonds, ihre Initiative. So wie die Absolventin der
Goethe-Universität fühlen vermutlich viele. Mehr als die Hälfte der Spender
zahlte zwischen 10 und 100 Euro in den Fonds ein. Die kleinste Spende, eine „payback-Spende“,
lag bei 2 Cent, die größte umfasste nahezu eine Million Euro.
Die erstmals von der Universität genutzte gemeinnützige
Online-Spendenplattform betterplace.org erreichte nicht nur
Frankfurter Bürgerinnen und Bürger sowie regionale Stiftungen und Unternehmen.
Der Aufruf zog weite Kreise über das Rhein-Main-Gebiet hinaus – aus Hamburg und
München trafen ebenso Spenden ein wie aus den USA. Dass auf der
Spenden-Plattform regelmäßig über die Arbeit der Wissenschaftler berichtet
wird, mag manche motiviert haben, dabei zu bleiben: So speist ein anonymer
Spender den Corona-Fonds monatlich mit 20 Euro.
„In der Pandemie wollten wir mit dem helfen, was wir am besten
können: mit unserer Forschung“, sagt Prof Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Vizepräsident
der Goethe-Universität. „Also sind wir mit unserer Spendenkampagne einfach ins
kalte Wasser gesprungen und haben uns ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: 5
Millionen Euro Spendengelder. Dass wir nun, noch nicht einmal ein Jahr nach dem
ersten Spendenaufruf, die 5-Millionen-Marke erreicht haben, macht uns tief
dankbar. Viele private Spender, aber auch Stiftungen und Unternehmen haben sich
großzügig gezeigt. Sie haben Forschung unterstützt, die uns allen hilft, und so
andere Menschen in der Pandemie im Blick behalten. Das sollte uns wirklich Mut
machen für den langen Weg, der noch vor uns liegt.“
Den
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von Goethe-Universität und
Universitätsklinikum diente der Goethe-Corona-Fonds als Starthilfe.
Mittlerweile haben viele zusätzliche Mittel rund um die Erforschung von
SARS-CoV-2 eingeworben. Die Virologin Prof. Dr. Sandra Ciesek und die
Infektiologin Prof. Dr. Maria Vehreschild beispielsweise sind heute Teil des
EU-geförderten CARE-Konsortiums. Sandra Ciesek gehört dank ihrer Erfolge in der
Arzneimittelforschung inzwischen zu den prominentesten Corona-Forscherinnen
Deutschlands. Maria Vehreschild sammelte als eine der Ersten systematisch
klinische Daten und Proben von COVID-19 Patienten und belieferte mit ihren
Proben Impf- und Medikamentenforscher in ganz Deutschland; inzwischen ist ihre
Datenbank in einer gesamtdeutschen Biobank aufgegangen.
Doch auch Forscherinnen und Forscher aus sozial- und
geisteswissenschaftlichen Fachgebieten haben vom Goethe-Corona-Fonds profitiert.
Mehr als 40 Projekte werden inzwischen gefördert – darunter auch das
Corona-Krisentelefon und Studien des Psychologen Prof. Dr. Ulrich Stagnier zu
den psychischen Folgen der Pandemie.
Das jüngste vom Corona-Fonds geförderte Projekt widmet sich der
Arbeitssituation der besonders beanspruchten Pflegefachpersonen sowie Ärztinnen
und Ärzte in der COVID-19-Versorgung in hessischen Kliniken. Das
Kooperationsprojekt von Universitätsklinikum Frankfurt und der Evangelischen
Hochschule in Darmstadt überprüft zunächst die Auswirkungen auf die
Beschäftigten. Aus den Ergebnissen sollen Empfehlungen für Führungskräfte und
Beschäftigte der Pflege sowie konkrete Angebote der betrieblichen
Gesundheitsförderung abgeleitet werden. Aktuell startet die Auswertung der ersten
Teilstudie des Projektes.
Weitere
Spenden möglich unter: https://www.goethe-corona-fonds.betterplace.org und
Spendenkonto:
Landesbank Hessen-Thüringen
IBAN:
DE95 5005 0000 0001 0064 10
Verwendungszweck:
Goethe-Corona-Fonds
Internationales Forscherteam untersucht die Bindungskinetik von Kinase-Hemmern – Cell Chemical Biology, DOI: 10.1016/j.chembiol.2021.01.003
Wie sich die Passform bestimmter Wirkstoffe optimieren lässt, damit sie länger an ihre Zielproteine binden und damit eine stärkere pharmakologische Wirkung entfalten, haben jetzt Wissenschaftler:innen der Goethe-Universität Frankfurt zusammen mit Kolleg:innen aus Darmstadt, Heidelberg, Oxford und Dundee (UK) am Bespiel so genannter Kinase-Hemmstoffe untersucht. Solche Stoffe werden vielfach in der Krebstherapie eingesetzt. Das Ergebnis: Besonders lange dauert die „Umarmung“ von Hemmstoff und Protein, wenn sich das Protein an den Hemmstoff „anschmiegt“. Künftig wollen die Forscher:innen mit Computersimulationen die Bindedauer von Substanzen vorhersagen.
FRANKFURT. Viele
Krebsmedikamente blockieren in Krebszellen Signale, mit deren Hilfe sich
entartete Zellen unkontrolliert vermehren und aus dem Gewebeverband herauslösen.
So führt zum Beispiel die Blockade des Signalproteins FAK, einer sogenannten
Kinase, dazu, dass bestimmte Brustkrebszellen weniger beweglich werden und
somit weniger stark metastasieren. Das Problem: Wenn FAK durch einen Hemmstoff
blockiert wird, wird das nahe verwandte Signalprotein PYK2 viel aktiver und
übernimmt so einen Teil der Aufgaben von FAK. Ideal wäre daher ein Hemmstoff,
der in gleicher Weise sowohl FAK wie auch PYK2 möglichst langanhaltend
inhibiert.
Ein internationales Team um den Pharmakochemiker Prof. Stefan
Knapp von der Goethe-Universität hat eine Reihe eigens synthetisierter
FAK-Hemmstoffe untersucht. Alle Hemmstoffe banden ungefähr gleich schnell an
das FAK-Signalprotein. Sie unterschieden sich jedoch in der Dauer der Bindung:
Der wirksamste Hemmstoff blieb am längsten mit dem FAK-Signalprotein verbunden.
In biochemischen und molekularbiologischen Analysen sowie
Computersimulationen fand das Forschungsteam heraus, dass hierfür die Art der
Wechselwirkung zwischen FAK-Signalprotein und Hemmstoff verantwortlich ist.
Durch die Bindung des Wirkstoffs verändert das FAK-Signalprotein seine Form und
bildet an einer der Kontaktstellen eine bestimmte, wasserabweisende Struktur
aus. Diese veränderte (induzierte) FAK-Struktur bindet besonders gut an eine
ebenfalls wasserabweisende Struktur des Hemmstoffs, vergleichbar einer innigen
Umarmung.
Das Schwesterprotein PYK2 hingegen bleibt vergleichsweise steif,
und obwohl der wirksamste FAK-Hemmstoff auch PYK2 blockierte, war sein Effekt
hier deutlich schwächer.
Den Forscher:innen gelang es, das Bindungsverhalten der
Inhibitoren in Computersimulationen zu modellieren und so eine Methode zu
entwickeln, mit deren Hilfe sich künftig in der pharmazeutischen Forschung
Wirkstoffkandidaten optimieren lassen.
Prof. Stefan Knapp erklärt: „Weil wir jetzt die molekularen
Mechanismen der Interaktion von potenten Hemmstoffen dieser zwei Kinasen besser
verstanden haben, hoffe wir, künftig anhand von Computersimulationen die
Verweildauer potenzieller Wirkstoffe besser vorhersagen zu können. Die
Verweildauer von Wirkstoffen wurde bisher nur wenig beachtet. Diese Eigenschaft
hat sich jedoch als wichtiger Parameter für die Entwicklung von effektiven
Wirkstoffen entpuppt, die nicht nur spezifisch, sondern auch langanhaltend ein
oder mehrere Zielproteine – wie im Fall von FAK und PYK2 – hemmen sollen.“
Publikation: Benedict-Tilman
Berger, Marta Amaral, Daria B. Kokh, Ariane Nunes-Alves, Djordje Musil, Timo
Heinrich, Martin Schröder, Rebecca Neil, Jing Wang, Iva Navratilova, Joerg
Bomke, Jonathan M. Elkins, Susanne Müller, Matthias Frech, Rebecca C. Wade,
Stefan Knapp: Structure-kinetic relationship reveals the mechanism of
selectivity of FAK inhibitors over PYK2. Cell Chemical Biology https://doi.org/10.1016/j.chembiol.2021.01.003
Die Arbeiten sind im Rahmen des Public
Private Partnerships K4DD (Kinetics for Drug Discovery) der Innovative
Medicinces Initiatives (IMI) entstanden. https://www.k4dd.eu/home/
Bilder
zum Download:
Mit
und ohne Bildbeschriftung: http://www.uni-frankfurt.de/96999809
Bildtext:
Oben:
Lange Bindungsdauer. Ein Inhibitor (links: Stäbchenmodell) bindet an das Signalprotein
FAK (rechts: ein Teil des FAK-Proteins dargestellt als Kalottenmodell mit
Halbkugeln). Die strukturellen Veränderungen in FAK verursachen
wasserabweisende Kontakte (gelb, so genanntes DFG-Motiv) und eine lang
anhaltende Bindung.
Unten:
Kurze Bindungsdauer. Das PYK2-Signalprotein ändert seine Struktur nicht, was zu einer
schnellen Dissoziation des Inhibitors führt. Grafik: Knapp Laboratory,
Goethe-Universität Frankfurt
Weitere
Informationen
Prof. Dr.
Stefan Knapp
Institut
für Pharmazeutische Chemie
Goethe-Universität
Frankfurt
knapp@pharmchem.uni-frankfurt.de
Elvira Mass erhält renommierte Auszeichnung für Erkenntnisse zur Organentwicklung bei der Maus
Die Weichen für die Gesundheit der Organe werden offensichtlich schon im frühen Embryo gestellt. Die diesjährige Nachwuchspreisträgerin hat gezeigt, dass spezialisierte Immunzellen aus dem Dottersack die Entwicklung der Organe begleiten und zeitlebens zur Gesunderhaltung beitragen. Damit bestimmen diese Zellen mit über das Funktionieren der Organe. Für Elvira Mass liegt in der eingeschränkten Funktion dieser Zellen eine mögliche Ursache für viele Erkrankungen.
FRANKFURT am MAIN. Der mit 60.000 Euro dotierte
Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis 2021 geht an die
Entwicklungsbiologin Professorin Elvira Mass vom Life and Medical Sciences
Institut (LIMES) der Universität Bonn. Die Preisverleihung in der Paulskirche,
die traditionell am 14. März, dem Geburtstag von Paul Ehrlich, mit einem
Festakt gefeiert wird, fällt in diesem Jahr wegen der Coronavirus-Pandemie aus.
Die Ehrung der Nachwuchspreisträgerin wird im kommenden Jahr zusammen mit den
Preisträgern 2022 nachgeholt werden.
Damit die Organe gesund und leistungsfähig bleiben,
muss das Gewebe ständig nach Auffälligkeiten durchforstet werden. Bis vor
wenigen Jahren galt die Auffassung, dass diese Aufgabe von Immunzellen aus dem
Knochenmark übernommen wird. Mass hat in einer Reihe eleganter Experimente
gezeigt, dass diese Zellen auf Vorläuferzellen im Dottersack zurückgehen, der
den Embryo bis zur Ausbildung der Placenta ernährt und dann abgebaut wird. Die
Vorläuferzellen wandern aus dem Dottersack in die entstehenden Organe,
begleiten deren Entwicklung und bleiben auch nach der Geburt ein Leben lang
präsent. Woher sie diese Langlebigkeit nehmen, ist bislang ein Rätsel.
Bei den Immunzellen handelt es sich um sogenannte
Gewebe-Makrophagen, also um Fresszellen des angeborenen Immunsystems. Ihre
primäre Aufgabe besteht darin, aufzuräumen und alles zu beseitigen, was nicht
zu einem gesunden Organ gehört. Allerdings produzieren sie auch Botenstoffe und
schaffen Nährstoffe herbei, sodass sie auch dafür sorgen, dass Neues entsteht.
„Die besondere Leistung von Elvira Mass besteht in
einem wichtigen Perspektivenwechsel beim Blick auf die Funktion von Organen“,
schreibt der Stiftungsrat unter Vorsitz von Professor Thomas Boehm, Direktor am
Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg, in seiner
Begründung. „Wer sich für die Frage interessiert, wie sich Organe entwickeln
und was sie gesund erhält, schaut jetzt nicht mehr nur auf das Knochenmark,
sondern ebenso auf den Dottersack und damit auf eine ganz andere Population von
Makrophagen. Das hat auch Konsequenzen für die Medizin, denn Organerkrankungen
könnten auch auf eine Fehlfunktion der Makrophagen-Vorläuferzellen aus dem
Dottersack zurückgehen“, so der Stiftungsrat weiter.
Dass dies tatsächlich der Fall ist, hat Mass für
einige Organe der Maus gezeigt, zum Beispiel für das Gehirn, wo die ansässigen
Makrophagen Mikroglia heißen. Der Hinweis auf eine relevante Fehlfunktion kam
aus der Medizin. Es gibt eine Form von Krebs, bei dem sich die
Gewebe-Makrophagen unkontrolliert vermehren und bei der die Kranken mit der
Zeit Anzeichen für eine Neurodegeneration oder eine Bewegungsstörung
entwickeln. Diesen als Histiozytosen bezeichneten Tumoren liegt meistens eine
spezielle Mutation zugrunde. Mass hat diese Mutation bei Mäusen in die
Vorläuferzellen im Dottersack geschleust und verfolgt, wie sich die Tiere
entwickelten. Dabei zeigte sich, dass die mutierten Mikroglia-Zellen nicht mehr
ihren angestammten Aufgaben nachgehen, sondern die Nervenzellen in ihrer
Nachbarschaft attackieren und beseitigen. Das führte bei den Mäusen früher oder
später zu Lähmungen und passt damit zum klinischen Bild einer Histiozytose.
Mit der ihr kürzlich
zugesprochenen, begehrten Förderung des Europäischen Forschungsrates wird die
Nachwuchspreisträgerin in Zukunft untersuchen, welche Umweltfaktoren die
epigenetische Prägung in den Vorläuferzellen des Dottersacks derart verändern,
dass sich daraus Konsequenzen für die Gesundheit der Organe ergeben. Dafür wird
sie unter anderem den Einfluss von Nanoplastik-Partikeln auf die Makrophagen
untersuchen. Teilchen, die kleiner als 500 Nanometer sind, gelangen über die
Plazenta ins Blut des Embryos und könnten damit auch der Fürsorge-Funktion der
Gewebe-Makrophagen schaden.
Kurzbiographie Professorin Dr. Elvira Mass
Elvira Mass (34) studierte
Biologie an der Universität Bonn und promovierte am dortigen Life and Medical
Sciences Institut (LIMES). 2014 wechselte sie in das Labor von Frederic
Geissmann ans King's College in London und folgte ihm wenige Monate später an
das Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York. Von dort kehrte sie
2017 als Gruppenleiterin an das LIMES-Institut der Universität Bonn zurück.
2019 wurde sie W2 Professorin für „Integrated Immunology“ an der Universität
Erlangen-Nürnberg. 2020 wechselte sie auf eine W2/W3-Professur ans
LIMES-Institut. Mass ist mehrfach ausgezeichnet worden. 2020 erhielt sie den
Heinz Maier Leibnitz-Preis. Dies ist der bedeutendste Preis zur Förderung des
wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland.
Der
Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis
Der
2006 erstmals vergebene Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis
wird von der Paul Ehrlich-Stiftung einmal jährlich an einen in Deutschland
tätigen Nachwuchswissenschaftler oder eine in Deutschland tätige
Nachwuchswissenschaftlerin verliehen, und zwar für herausragende Leistungen in
der biomedizinischen Forschung. Das Preisgeld von 60.000 Euro muss
forschungsbezogen verwendet werden. Vorschlagsberechtigt sind Hochschullehrer
und Hochschullehrerinnen sowie leitende Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen an deutschen Forschungseinrichtungen. Die Auswahl der
Preisträger erfolgt durch den Stiftungsrat auf Vorschlag einer achtköpfigen
Auswahlkommission.
Die
Paul Ehrlich-Stiftung
Die Paul
Ehrlich-Stiftung ist eine rechtlich unselbstständige Stiftung, die
treuhänderisch von der Vereinigung von Freunden und Förderern der
Goethe-Universität verwaltet wird. Ehrenpräsidentin der 1929 von Hedwig Ehrlich
eingerichteten Stiftung ist Professorin Dr. Katja Becker, Präsidentin der
Deutschen Forschungsgemeinschaft, die auch die gewählten Mitglieder des
Stiftungsrates und des Kuratoriums beruft. Vorsitzender des Stiftungsrates der
Paul Ehrlich-Stiftung ist Professor Dr. Thomas Boehm, Direktor am Max-Planck-Institut
für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg, Vorsitzender des Kuratoriums ist
Professor Dr. Jochen Maas, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung,
Sanofi-Aventis Deutschland GmbH. Prof. Dr. Wilhelm Bender ist in seiner
Funktion als Vorsitzender der Vereinigung von Freunden und Förderern der
Goethe-Universität zugleich Mitglied des Stiftungsrates der Paul
Ehrlich-Stiftung. Der Präsident der Goethe-Universität ist in dieser Funktion
zugleich Mitglied des Kuratoriums.
Weitere Informationen
Alle Unterlagen der Pressemappe sowie
ein Foto von Professorin Elvira Mass sind unter www.paul-ehrlich-stiftung.de zur Verwendung hinterlegt. Den
ausführlichen Lebenslauf, ausgewählte Veröffentlichungen und die
Publikationsliste erhalten Sie von Dr. Hildegard Kaulen, Telefon: +49 (0)
6122/52718, E-Mail: h.k@kaulen-wissenschaft.de
Hintergrundinformation zur Verleihung des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreises 2021 an Professorin Dr. Elvira Mass (PDF)
Michael R. Silverman und Bonnie L. Bassler werden für Entdeckungen zur bakteriellen Kommunikation geehrt
Bakterien sind keine Einzelkämpfer.
Die Bildung eines Biofilms zum Schutz vor der Immunattacke des Wirtsorganismus
oder die Synthese eines Giftstoffs zum Angriff auf den Wirt gelingen nur im
Team, nicht als Einzelleistung eines individuellen Bakteriums. Die Einzeller
kommunizieren daher miteinander und handeln erst dann gemeinsam, wenn sie eine
Zellzahl erreicht haben, die Aussicht auf Erfolg verspricht. Die nötige
Information dazu tauschen Bakterien über die von den Preisträgern entdeckten
Sprachmoleküle und deren Übermittlungswege aus. Wer also gegen unerwünschte
Bakterien vorgehen will, kann deren Absprachen erlauschen und gezielt
durchkreuzen.
FRANKFURT am MAIN. Der mit 120.000 Euro dotierte Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2021 geht in diesem Jahr an die Amerikanerin Bonnie L. Bassler von der Princeton University und dem Howard Hughes Medical Institute und den Amerikaner Michael R. Silverman, Emeritus des Agouron Institute in La Jolla. Die beiden werden für ihre bahnbrechenden Entdeckungen zum „Quorum Sensing“ ausgezeichnet. Dieser Begriff bezeichnet die Strategie der bakteriellen Kommunikation. Die Preisverleihung in der Paulskirche, die traditionell am 14. März, dem Geburtstag von Paul Ehrlich, mit einem Festakt gefeiert wird, fällt in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie aus. Die Ehrung wird im kommenden Jahr zusammen mit den Preisträgern 2022 nachgeholt.
„Silverman und Bassler haben
gezeigt, dass kollektives Verhalten nicht nur die Regel unter vielzelligen
Organismen ist, sondern auch unter Bakterien“, schreibt der Stiftungsrat der
Paul Ehrlich-Stiftung in seiner Begründung. „Auch Bakterien verständigen sich
untereinander, belauschen sich gegenseitig, treffen Absprachen und koordinieren
damit ihr Verhalten. Die allgegenwärtige Kommunikation unter Bakterien stellt
eine erst durch die Preisträger erkannte Achillesferse dar, die neue Ansätze
liefert, Mikroben zu bekämpfen. Statt Bakterien mit Antibiotika zu töten,
können nun Substanzen entwickelt werden, die die bakterielle Kommunikation
unterbinden. Die Forschung der Preisträger hat damit eine erhebliche Relevanz
für die Medizin“, so der Stiftungsrat weiter.
Bakterien sind äußerst
kommunikativ. Sie senden und empfangen Signale, um herauszufinden, ob sie
allein oder mit vielen Artgenossen vor Ort sind. Gleichzeitig interessieren sie
sich auch dafür, ob noch andere Arten anwesend sind und wer das Sagen hat: sie
oder die anderen. Für diese Kommunikation wurde der Begriff Quorum Sensing
geprägt. Um die Zahl an Bakterien in einer bestimmten Umgebung zu messen, sezernieren
Bakterien bestimmte Sprachmoleküle, deren Konzentration mit der Anzahl der
Bakterien zunimmt. Überschreitet die Konzentration einen bestimmten
Schwellenwert, setzt ein gruppenspezifisches Verhalten ein, das einer
Bakteriengemeinschaft neue Eigenschaften verleiht. Durch die Arbeit der
Preisträger wissen wir heute, dass dieses Phänomen in der gesamten Welt der
Bakterien verbreitet ist.
Silverman hat in den
1980er-Jahren das erste Quorum-Sensing-System bei dem marinen Bakterium Vibrio
fischeri entdeckt. Es gelang ihm, die Information für Bildung des
Sprachmoleküls Autoinducer-1 und dessen Rezeptor auf andere Bakterien zu
übertragen und damit genetisch zu definieren. Vibrio fischeri sorgt mit
diesem Sprachmolekül dafür, dass ein Zwergtintenfisch nachts blau-grün leuchtet
und dadurch im Mondlicht keinen verräterischen Schlagschatten im flachen
Meerwasser wirft. Allerdings erzeugt Vibrio fischeri dieses Licht erst
bei hoher Zellzahl. Gemessen wird sie über die Freisetzung von Autoinducer-1,
dessen Konzentration direkt mit der Zahl der anwesenden Bakterien in dem
Leuchtorgan des Zwergtintenfischs korreliert. Wird ein bestimmter Schwellenwert
erreicht – und damit ein gewisses Quorum –, machen die Moleküle kehrt, wandern
zurück in die Bakterienzelle und sorgen dafür, dass das Licht angeschaltet wird
und der Tintenfisch leuchtet.
Als Bonnie Bassler Anfang der
1990er-Jahre die Existenz des Quorum Sensings bei dem Bakterium Vibrio
harveyi nachweisen wollte, stieß sie auf ein völlig neues Sprachmolekül,
dass sie Autoinducer-2 nannte. Sie konnte zeigen, dass dieses Molekül einen
anderen Nachrichtenwert hat. Es informiert nicht über das eigene Quorum,
sondern über das Quorum der Konkurrenz, denn Bakterien leben selten in
Reinkultur wie im Leuchtorgan des Zwergtintenfischs, sondern in Gemeinschaften
wie im Darm oder auf der Haut. Der Autoinducer-2 unterrichtet die Bakterien
darüber, ob andere Arten vor Ort sind und wer in der Überzahl ist. Letzteres
ergibt sich aus dem Verhältnis der Autoinducer-Moleküle zueinander. Damit war
gezeigt worden, dass Bakterien viele Sprachen beherrschen und sogar zwischen
Freund und Feind unterscheiden können – Leistungen, die wir vom Nerven- und
Immunsystem her kennen.
Heute weiß man, dass es Hunderte
von Sprachmolekülen und Quorum-Sensing-Systemen gibt. Bonnie Bassler hat in den
vergangenen Jahren zudem gezeigt, dass sich auch Viren und die Zellen der
Wirtsorganismen in dieses allgegenwärtige bakterielle Palaver einklinken und
das Quorum Sensing der Bakterien für ihre Zwecke nutzen. Sie entdeckte zum
Beispiel, dass der Schleim des menschlichen Darms von den Bakterien des
Mikrobioms dazu benutzt wird, ein Sprachmolekül zu bilden, das krankmachende
Bakterien auf Distanz hält. Damit verbündet sich der menschliche Darm über den
abgegebenen Schleim mit seinen nützlichen Bakterien im Kampf gegen schädliche
oder unerwünschte Keime. Es gibt also auch eine Kommunikation über die
verschiedenen Domänen des Lebens hinweg.
„Die Bedeutung der Entdeckungen
der beiden Laureaten für die Mikrobiologie und Medizin ist erst kürzlich in
ihrer ganzen Tragweite erkannt worden“, sagt Professor Thomas Boehm, Direktor
am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und
Vorsitzender des Stiftungsrates. „Erst nach Jahrzehnten zäher Forschungsarbeit
und nach vielen herausragenden Publikationen waren die Kritiker davon
überzeugt, dass nicht nur Vibrio fischeri und Vibro harveyi die
Kunst der bakteriellen Kommunikation beherrschen, sondern wohl alle Bakterien“,
so Boehm weiter. „Das hat nicht nur zu einem fundamentalen Perspektivenwechsel
in der Bakteriologie geführt, sondern ebenso zu gänzlich neuen Ansätzen in der
Antibiotika-Forschung“.
Kurzbiographie Professor Dr.
Bonnie L. Bassler Ph.D. (58)
Bonnie
Bassler ist Mikrobiologin. Sie studierte an der University of California
in Davis Biochemie und promovierte an der Johns Hopkins University in
Baltimore. Dem Labor von Michael Silverman am Agouron Institute in La Jolla
schloss sie sich 1990 als Postdoc an. Seit 1994 ist sie an der Princeton
University. Bonnie Bassler ist Mitglied der National Academy of Sciences, der
National Academy of Medicine und der Royal Society. Sie ist Forscherin am
Howard Hughes Medical Institute sowie Inhaberin der Squibb-Professur und
Leiterin des Instituts für Molekularbiologie an der Universität Princeton.
Präsident Obama berief sie für sechs Jahre ins National Science Board der
Vereinigten Staaten. Sie hat über zwanzig nationale und internationale
Auszeichnungen erhalten.
Kurzbiographie
Professor Michael R. Silverman, Ph.D. (77)
Michael Silverman ist ebenfalls Mikrobiologe. Er studierte Chemie und Bakteriologie an der University of Nebraska in Lincoln und promovierte 1972 an der University of California in San Diego. Zwischen 1972 und 1982 machte er entscheidende Entdeckungen zur Mobilität von Bakterien und zur Chemotaxis. Ab 1982 arbeitete er bis zu seinem Ruhestand am Agouron Institute in La Jolla, dessen Mitbegründer er ist.
Der Paul Ehrlich- und Ludwig
Darmstaedter-Preis
Der
Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis wird traditionell an Paul Ehrlichs
Geburtstag, dem 14. März, in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Mit ihm
werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geehrt, die sich auf den von
Paul Ehrlich vertretenen Forschungsgebieten besondere Verdienste erworben
haben, insbesondere in der Immunologie, der Krebsforschung, der Hämatologie,
der Mikrobiologie und der Chemotherapie. Finanziert wird der seit 1952
verliehene Preis vom Bundesgesundheitsministerium, dem Land Hessen, dem Verband
Forschender Arzneimittelhersteller e.V. und durch zweckgebundene Spenden
folgender Unternehmen, Stiftungen und Einrichtungen: Else
Kröner-Fresenius-Stiftung, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, C.H. Boehringer
Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Biotest AG, Hans und Wolfgang
Schleussner-Stiftung, Fresenius SE & Co. KGaA, F. Hoffmann-LaRoche Ltd.,
Grünenthal GmbH, Janssen-Cilag GmbH, Merck KGaA, Bayer AG, Verlagsgruppe Georg
von Holtzbrinck GmbH, AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG, die Baden-Württembergische
Bank, B. Metzler seel. Sohn & Co. und die Goethe-Universität. Die
Preisträger werden vom Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung ausgewählt. Eine
Liste der Stiftungsratsmitglieder ist auf der Internetseite der Paul
Ehrlich-Stiftung hinterlegt.
Die
Paul Ehrlich-Stiftung
Die
Paul Ehrlich-Stiftung ist eine rechtlich unselbstständige Stiftung, die
treuhänderisch von der Vereinigung von Freunden und Förderern der
Goethe-Universität verwaltet wird. Ehrenpräsidentin der 1929 von Hedwig Ehrlich
eingerichteten Stiftung ist Professorin Dr. Katja Becker, Präsidentin der
Deutschen Forschungsgemeinschaft, die auch die gewählten Mitglieder des
Stiftungsrates und des Kuratoriums beruft. Vorsitzender des Stiftungsrates der
Paul Ehrlich-Stiftung ist Professor Dr. Thomas Boehm, Direktor am
Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg, Vorsitzender
des Kuratoriums ist Professor Dr. Jochen Maas, Geschäftsführer Forschung &
Entwicklung, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH. Prof. Dr. Wilhelm Bender ist in
seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigung von Freunden und Förderern der
Goethe-Universität zugleich Mitglied des Stiftungsrates der Paul
Ehrlich-Stiftung. Der Präsident der Goethe-Universität ist in dieser Funktion
zugleich Mitglied des Kuratoriums.
Weitere
Informationen
Sämtliche
Unterlagen der Pressemappe und Fotos der Preisträger sind unter www.paul-ehrlich-stiftung.de zur Verwendung hinterlegt. Der Abdruck ist
kostenfrei. Die ausführlichen Lebensläufe, ausgewählte Veröffentlichungen und
die Publikationsliste erhalten Sie von Dr. Hildegard Kaulen, Telefon: +49 (0)
6122/52718, E-Mail: h.k@kaulen-wissenschaft.de
Hintergrundinformation zur Verleihung des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preises 2021 an Professor Dr. Michael Silverman und Professorin Dr. Bonnie L. Bassler (PDF)
Goethe-Universität ehrt mit dem Preis den Förderer, Romantikliebhaber und Arzt Klaus Heyne
FRANKFURT. Innovative Beiträge zur Erforschung der Romantik können 2021 erstmalig mit dem Klaus Heyne-Preis der Goethe-Universität Frankfurt ausgezeichnet werden. Der neue, mit 15.000 Euro dotierte Preis richtet sich an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aus dem In- und Ausland, die sich in ihrer Qualifikationsphase befinden und einen herausragenden wissenschaftlichen Beitrag zur Romantikforschung geleistet haben.
Ermöglicht wird der neue Wissenschaftspreis durch ein großzügiges
Vermächtnis des Kinderarztes Prof. Dr. Klaus Heyne (1927–2017), dessen
besondere Leidenschaft der Kunst und Literatur der deutschen Romantik galt. Die
Frankfurter Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Frederike Middelhoff sagt: „Wir
sind sehr dankbar, dass wir mit diesem Preis junge Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler fördern können. Auch für die Romantikforschung an der
Goethe-Universität ist der Preis ein besonderer Gewinn.“
Der Klaus Heyne-Preis, der von nun an alle zwei Jahre verliehen
werden soll, setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: 5.000 Euro werden
nicht-zweckgebunden verliehen; 10.000 Euro werden für die Veranstaltung einer
Tagung zur Romantikforschung zur Verfügung gestellt, die im Jahr 2022 an der
Goethe-Universität ausgerichtet werden soll und von der Frankfurter Professur
für Neuere Deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Romantikforschung unterstützt
wird.
Die Preisträgerin bzw. der Preisträger soll im Rahmen eines
Festakts im Oktober 2021 (geplant in Präsenz, wenn nötig digital organisiert)
ausgezeichnet werden.
Interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wenden sich bitte an:
Prof. Dr.
Frederike Middelhoff
W1-Professur für Neuere Deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt
Romantikforschung
Goethe-Universität
E-Mail middelhoff@em.uni-frankfurt.de
Homepage https://www.uni-frankfurt.de/Middelhoff
Reinhart-Koselleck Projekt über eine Million Euro für Geowissenschaftler der Goethe-Universität
Wie sich durch die Analyse der Karbonat-Zusammensetzung bestimmter Gesteine exakte Rückschlüsse auf die Temperatur vergangener Erdepochen ziehen lassen, untersuchen die Geowissenschaftler um Prof. Jens Fiebig von der Goethe-Universität. Eine kürzlich von ihnen entwickelte Methode könnte es künftig erlauben, vergangene Erdoberflächentemperaturen viel zuverlässiger zu bestimmen. Diese Methode soll nun zunächst validiert und dann auf vergangene Erdepochen angewendet werden, in denen der Gehalt des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre höher war als heute. Das Forschungsvorhaben wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Reinhart-Koselleck-Projekt mit mehr als einer Million Euro gefördert.
FRANKFURT. Kalk besteht
aus Kalzium und Karbonatgruppen, die sich wiederum aus den Elementen Sauerstoff
(chemisches Symbol: O) und Kohlenstoff (chemisches Symbol: C) zusammensetzen.
Sauerstoff und Kohlenstoff kommen in der Natur in verschiedenen Modifikationen
vor, die sich in ihrer Masse unterscheiden und als Isotope bezeichnet werden.
Wenn sich Kalk in Korallenriffen oder Tropfsteinen bildet, werden mit
abnehmender Temperatur zunehmend Karbonatgruppen aus dem Wasser abgeschieden,
die ein schweres Sauerstoffisotop (18O) enthalten. Diese
Temperaturabhängigkeit wurde - seit ihrer Entdeckung Ende der 40er-Jahre des
letzten Jahrhunderts - dazu verwendet, die Entwicklung der
Erdoberflächentemperatur im Verlaufe der Erdgeschichte zu rekonstruieren.
Oftmals lässt sich mit Hilfe einer solchen Analyse jedoch nicht eindeutig auf
den exakten Einfluss der Temperatur während der Kalkentstehung schließen, denn
auch die 18O-Menge des Wassers und der Mechanismus der
Karbonatentstehung (Mineralisationskinetik) beeinflussen die Häufigkeit dieser
Karbonatgruppe.
Ein wesentlicher Fortschritt in der Klimarekonstruktion wurde
Anfang der 2000er-Jahre am California Institute of Technology erzielt. Den
Wissenschaftlern gelang es, die Häufigkeit von Karbonatgruppen zu bestimmen,
die zwei schwere Isotope enthalten, 13C und 18O,
sogenannte „clumped isotopes“. Die Häufigkeit dieser Karbonatgruppe ist
ebenfalls abhängig von der Kristallisationstemperatur des Karbonats, aber
unabhängig vom 18O-Gehalt des Wassers. Eine Fehlerquelle dieses
Thermometers bestand aber weiterhin in der Tatsache, dass die
Mineralisationskinetik auch die Häufigkeit der „clumped isotopes“ beeinflussen
kann.
Prof. Jens Fiebig und seinem Team am Institut für
Geowissenschaften der Goethe-Universität ist es im vergangenen Jahr erstmals
gelungen, die Häufigkeit einer weiteren Karbonatgruppe zu bestimmen, welche
ebenfalls zwei schwere Isotope enthält, nämlich zweimal 18O. Mit der
Häufigkeitsanalyse dieser beiden sehr seltenen, jeweils zwei schwere Isotope
enthaltenden Karbonatgruppen kann nun erstmals der Einfluss der
Mineralisationskinetik sichtbar gemacht und von dem Einfluss der Temperatur
getrennt werden. Mit der 'dual clumped isotope'-Methode zur Karbonatanalyse
halten die Forscher nun womöglich eine Art Thermometer in den Händen, mit dem
sie die Erdoberflächentemperaturen vergangener Erdzeitalter in bislang
unerreichter Genauigkeit rekonstruieren könnten.
Prof. Jens Fiebig: „Die Unterstützung der DFG ermöglicht es uns,
unser neues Verfahren weiter zu validieren und gegebenenfalls die
Erdoberflächentemperaturen vergangener Erdepochen hochgenau zu bestimmen. In
einem ersten Schritt werden wir nun die exakte Temperaturabhängigkeit der
Häufigkeit der neu messbaren Karbonatgruppe bestimmen, um anschließend
sämtliche natürliche Karbonatarchive wie zum Beispiel Korallen, Tropfsteine und
Muscheln mit bekannter Entstehungstemperatur auf ihre Mineralisationskinetik zu
untersuchen. Auf diese Weise wollen wir Archive identifizieren, die für eine Rekonstruktion
vergangener Erdoberflächentemperaturen besonders geeignet sind. In einem
letzten Schritt sollen dann die genauen Erdoberflächentemperaturen für
verschiedene Hoch-CO2-Intervalle der Vergangenheit ermittelt werden.
Durch die exakte Rekonstruktion von Temperaturen der Erdgeschichte zu Zeiten,
in denen der CO2-Gehalt der Atmosphäre deutlich höher war als heute,
lassen sich eventuell auch moderne Klimamodelle verbessern und die Folgen des
menschengemachten Klimawandels präziser vorhersagen.“
Mit Reinhart Koselleck-Projekten eröffnet die Deutsche
Forschungsgemeinschaft Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich
durch besondere wissenschaftliche Leistungen ausgewiesen haben, die
Möglichkeit, in hohem Maße innovative und im positiven Sinn risikobehaftete
Projekte durchzuführen. Die Förderung erstreckt sich über einen Zeitraum von
fünf Jahren.
Weitere
Informationen zur
Entwicklung des erdgeschichtlichen Thermometers der Frankfurter
Geowissenschaftler: https://www.muk.uni-frankfurt.de/90891704/Exakte_Klimadaten_aus_der_Vergangenheit
Bilder
zum Download:
http://www.uni-frankfurt.de/96504537
Bildtext:
apl. Prof.
Dr. Jens Fiebig, Goethe-Universität Frankfurt. Foto: privat
Kontakt
apl. Prof.
Dr. Jens Fiebig
Institut
für Geowissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Tel:
+49 (0) 69 798 40182
Jens.Fiebig@em.uni-frankfurt.de
Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ der Goethe-Universität zum Thema Klimawandel erschienen
Der Artenforscher Matthias Schleuning vom Senckenberg
Biodiversität und Klima Forschungszentrum untersucht, wie ökologische
Gemeinschaften aus Pflanzen und Tieren auf Klimawandel und Landnutzung
reagieren. Warum dabei die spezialisierten Arten besonders gefährdet sind,
erklärt er in der aktuellen Ausgabe von Forschung Frankfurt. Unter dem Titel „Klimakrise“
versammelt das Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität ein facettenreiches
Spektrum von Forschungsprojekten, Einschätzungen und Analysen von Forscherinnen
und Forschern der Goethe-Universität. Das Heft ist online verfügbar unter www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de und kann
(für Journalisten kostenfrei) bestellt werden über presse@uni-frankfurt.de.
FRANKFURT. In einem der artenreichsten Gebiete der Erde erforscht Dr. Matthias Schleuning, Wissenschaftler am Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum und Privatdozent an der Goethe-Universität Frankfurt, wie Pflanzen- und Tierarten voneinander abhängen. Im Manú-Nationalpark der peruanischen Anden sind beispielsweise 90 Prozent der Bäume und Sträucher auf Tiere als Bestäuber und Samenausbreiter angewiesen.
Ändern sich die Lebensräume durch Rodungen oder höhere
Temperaturen, so weichen die Arten aus, häufig in höhere, kühlere Regionen. Das
Problem ist das Timing, denn die Samenausbreitung durch fruchtfressende Vögel
etwa ist ein komplexer und langfristiger Prozess. Besonders gefährdet sind
dabei die Pflanzen, die sich in ihrer Samenausbreitung auf bestimmte Tierarten
spezialisiert haben. Arten, dies zeigen Schleunings Arbeiten, können also nicht
nur aussterben, wenn sich die Lebensbedingungen für sie selber verschlechtern,
sondern auch, wenn ihr ökologisches Umfeld nicht mehr passt.
In weiteren Beiträgen der aktuellen Ausgabe von „Forschung
Frankfurt“ berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der
Goethe-Universität darüber, wie die knappe Ressource Wasser bereits heute als Waffe
in Konflikten eingesetzt wird, wie Klimamodelle von Warmzeiten der
Erdgeschichte präzisere Voraussagen unserer Klimazukunft erlauben oder wie
Stromspeicher am Grund von Tagebauseen überschüssigen Wind- und Sonnenstrom
zwischenspeichern könnten. Andere Beiträge gehen der Frage nach, warum es uns
so schwerfällt, unsere Lebensweise zu verändern.
Die aktuelle Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2020) kann von
Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de
Alle
Beiträge sind online erhältlich unter: www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de
Forschungsprojekt von Ostasienwissenschaftlerinnen unter der Federführung der Goethe-Universität gefördert
Die Volkswirtschaften China und Singapur gehören zu den dynamischsten Migrationsregionen der Welt. Aber auch Japan und Korea sind auf die Zuwanderung von Fachkräften angewiesen. Der Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte setzt in der Region jedes Jahr mehrere Millionen Menschen in Bewegung. Welche Rolle die Ausbildung bei der Mobilität spielt, untersuchen nun Ostasienwissenschaftlerinnen der Universitäten Frankfurt und Duisburg-Essen, der Freien Universität Berlin und des Max-Planck-Instituts zur Erforschung multiethnischer und multireligiöser Gesellschaften in Göttingen. Die von der Goethe-Universität koordinierte Nachwuchsgruppe erhält dazu im Rahmen der Förderinitiative „Kleine Fächer“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die kommenden vier Jahre insgesamt mehr als 2 Millionen Euro.
FRANKFURT.
Spezialistinnen und Spezialisten der IT-Branche, innovativer Start-ups oder von
Top-Universitäten - überalterte Gesellschaften in Industrienationen brauchen
ausländische Fachkräfte. Dies gilt für Deutschland ebenso wie für die
ostasiatischen Länder Südkorea, Singapur, China und vor allem Japan. Aufgrund
ihrer Lebensqualität sind diese Staaten attraktiv für qualifizierte Bewerber
und Bewerberinnen. Doch längst ist nicht ausgemacht, was im Wettstreit um die
besten Köpfe Erfolg verspricht: Was lockt etwa gut ausgebildete chinesische
Fachkräfte nach Japan, Südkorea oder Singapur? Was fördert, was hemmt die
Integration der qualifizierten Zuwanderer und Zuwanderinnen? Welche sozialen
Netzwerke entwickeln Arbeitsimmigranten? Welche Rolle spielt ihre Eigeninitiative
zur Weiterqualifikation, ihre Ethnie und Nationalität, ihr Geschlecht und ihre
Mehrsprachigkeit? Und was veranlasst die Fachkräfte, nach Jahren in ihre
Heimatregion zurückzukehren?
„Wenn die Einwanderungspolitik eines Landes zukunftsfähig sein
soll“, erklärt Projektleiterin Dr. Ruth Achenbach von der Goethe-Universität, „dann
müssen wir die Perspektiven der Migranten und Migrantinnen genau kennen.“ Ziel
des nun vom BMBF mit mehr als 2 Millionen Euro geförderten Forschungsprojekts
ist, die Rolle der Qualifikation der immigrierten Fachkräfte zu untersuchen.
Mit ihren Ergebnissen wollen die Wissenschaftlerinnen einen Betrag zu einer
nachhaltigen Einwanderungspolitik von Industrienationen leisten.
Zum wissenschaftlichen Team gehören neben Ruth Achenbach und Dr.
Joohyun Justine Park vom Interdisziplinären Zentrum für Ostasienstudien (Goethe
Universität) Dr. Helena Hof (MPI Göttingen) sowie Dr. Megha Wadhwa (Freie
Universität Berlin) und Dr. Aimi Muranaka (Universität Duisburg-Essen). Darüber
hinaus stehen die Wissenschaftlerinnen mit zahlreichen externen regionalen
Kooperationspartnern im Austausch.
Das Forschungsprojekt sieht eine dreijährige qualitative
Studienphase vor – in diesem Rahmen soll etwa die Situation ostasiatischer
Start-ups in Japan und Singapur sowie ostasiatischer Fachkräfte in Südkorea
untersucht werden; befragt werden ebenso Chinesinnen und Chinesen in Japan,
zurückgekehrte Fachkräfte in China und vietnamesische und indische
IT-Fachkräfte in Japan. Das Frankfurter Teilprojekt begleitet darüber hinaus
chinesische Absolventinnen und Absolventen der 20 besten japanischen
Universitäten vom job-hunting bis in die ersten Jahre auf dem Arbeitsmarkt.
Im letzten Förderjahr sollen die qualitativen Studien quantitativ
ausgewertet und nach Ländern verglichen werden. Dabei streben die
Wissenschaftlerinnen auch an, die dominierenden westlichen Konzepte der
internationalen Migrationsforschung zu korrigieren. Von Erfahrungen der
Migration nach Amerika und Europa geprägt gehen diese etwa bislang davon aus, dass
sich die ökonomische Situation im Herkunfts- und im Zuwanderungsland erheblich
unterscheidet. Dies ist bei der ostasiatischen Arbeitsmigration nicht zwingend
der Fall.
Die Ergebnisse der empirischen Forschung sowie der
Theorieentwicklung sollen nicht nur wissenschaftlich publiziert, sondern auch
einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden: etwa durch die
Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern in den Fächern Politik und Wirtschaft
und einen Dokumentarfilm.
Die Wissenschaftlerinnen versprechen sich von ihrem Projekt eine
Stärkung der „Kleinen Fächer“, indem das auf Regionen bezogene Wissen der
Forscherinnen mit aktuellen Forschungsfragen aus Soziologie, Politik- und
Wirtschaftswissenschaften verknüpft und somit die Sichtbarkeit der Kleinen Fächer
erhöht wird.
Weitere
Informationen
Dr.
Ruth Achenbach
Interdisziplinäres Zentrum für Ostasienstudien
Telefon
069/798-23284
E-Mail: izo@uni-frankfurt.de
DFG bewilligt dritte Förderphase des Fachinformationsdienstes Darstellende Kunst
FRANKFURT. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert den Fachinformationsdienst Darstellende Kunst (FID DK) für weitere 3 Jahre. Der FID DK wird seit 2015 an der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Frankfurt am Main aufgebaut. Mit der neuen Fördersumme in Höhe von 1.036.181 Euro kann der FID DK sein Ziel weiterverfolgen, Wissenschaftler*innen der Theater- und Tanzwissenschaft komfortable Zugänge zu bislang schwer erreichbaren Wissensressourcen über das FID-Portal www.performing-arts.eu zu ermöglichen. Zwischen den Akteuren aus der Wissenschaft sowie den Gedächtnisinstitutionen bildet der Fachinformationsdienst Darstellende Kunst somit eine koordinierende Schnittstelle.
Forschung und Lehre in den Theater- und Tanzwissenschaft beziehen sich auf
szenische Praktiken, wie Aufführungen, Performances und Festivals. Das
FID-Portal Darstellende Kunst stellt seinen Nutzer*innen aktuell die Daten von
730.000 Objekten (Bücher, Zeitschriften, Digitalisaten, AV-Medien etc.), 82.000
Ereignissen und 74.000 Personen (Schauspieler*innen, Regisseur*innen,
Tänzer*innen usw.) aus 19 verschiedenen Gedächtnisinstitutionen für ihre
Recherche zur Verfügung. Diese Bereitstellung hochwertiger Daten für die
Forschung sowie weitere datenbasierte Dienstleistungen wird der
Fachinformationsdienst Darstellende Kunst in seiner dritten Förderphase
ausbauen und erweitern: u.a. durch die Community und kollaborativ getriebene
Entwicklung einer Ontologie der Domäne Darstellende Kunst oder die
Visualisierung in Form einer Kartografie von Theaterbauten.
Der
FID DK ist Mitglied im Konsortium NFDI4Culture. Dessen Ziel ist die Entwicklung
einer bedarfsorientierten Infrastruktur für Forschungsdaten zu materiellen und
immateriellen Kulturgütern. Gemäß der von der Gemeinsamen
Wissenschaftskonferenz (GWK) 2018 verabschiedeten Vereinbarung zum Aufbau einer
Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) gilt es, den digitalen Schub für
die Fachcommunity zu unterstützen. Mit Workshops, Beratungsangeboten und
Best-Practice-Leitfäden werden die Vertreter*innen der Theater- und
Tanzwissenschaft im Umgang mit diesen neuen Formaten der Datenerhebung und
digitalen Tools geschult und in ihren Forschungsvorhaben und -projekten
unterstützt.
Kontakt: Franziska Voß, Fachinformationsdienst Darstellende Kunst, Universitätsbibliothek J. C. Senckenberg, Bockenheimer Landstraße 134-138, 60325 Frankfurt am Main, Tel.: (069) 798 39574, f.voss@ub.uni-frankfurt.de
Kontakt
für Pressefragen allgemein: Bernhard Wirth, Stabsstelle Ausbildung und
Öffentlichkeitsarbeit, Tel. +49 (69) 798 39223; Mail: b.wirth@ub.uni-frankfurt.de
„Forschung Frankfurt“ zum Thema Klimawandel zeigt die Bandbreite der in der Wissenschaft diskutierten pädagogischen Konzepte
Welche Rolle sollen Erziehung und Bildung bei der Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft spielen? Sollen Kinder und Jugendliche quasi subkutan zum klimafreundlichen Handeln erzogen werden? Damit befasst sich der Beitrag des Erziehungswissenschaftlers Helge Kminek in der jüngsten Ausgabe von „Forschung Frankfurt“, dem Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität.
FRANKFURT. Menschen
engagieren sich deutlich weniger für die Umwelt, wenn sie sich den Klimawandel
und dessen Folgen nicht vorstellen können. Das haben Wissenschaftler aus
Australien und Neuseeland herausgefunden. Folgerichtig fordern sie,
Schülerinnen und Schüler über deren Gefühle für das Thema Klimawandel zu
gewinnen. Zum Beispiel könnte das Betrachten von Filmaufnahmen des brennenden Regenwaldes
sie dafür sensibilisieren, welche Folgen der Konsum von Fertigprodukten mit
Palmöl für die Umwelt hat – nämlich die Rodung von Regenwald zugunsten von
Monokulturen –, und sie würden ihr Verhalten ändern.
Darf man junge Menschen auf diese Weise jedoch manipulieren, nur
weil es zum Besten der Menschheit wäre? Der Philosoph Julian Nida-Rümelin sagt
ganz klar: Nein. Die Vorstellung von Mündigkeit sei für unsere politische
Ordnung grundlegend.
Pädagogische Konzepte, die beispielsweise die Gefühle von Schülern
subtil ansteuern und zu verändern versuchen, stellten das Konzept von
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit infrage – und damit die Basis unseres
gesellschaftlichen Zusammenlebens. Nida-Rümelin plädiert für eine „Bildung zur
Autorschaft“.
Der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Dr. Helge Kminek geht in
seinem Beitrag in „Forschung Frankfurt“, dem Wissenschaftsmagazin der
Goethe-Universität, der Frage nach, wie Umweltbildung vor dem Hintergrund der
akuten Bedrohung unseres Planeten aussehen könnte, und skizziert die
unterschiedlichen Ansätze aus der Forschung. Mehr darüber lesen Sie in der vor
kurzem erschienenen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2020), die sich dem
Thema Klimakrise aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven widmet.
Die Ausgabe kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im Web: www.forschung-frankfurt.de.
unter www.aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung-frankfurt-englisch
finden Sie ausgewählte Beiträge in englischer Übersetzung.
Weitere
Informationen
Dr. Helge
Kminek
Institut für Pädagogik der Sekundarstufe (WE III)
Goethe-Universität
Telefon 069 798-36440
E-Mail kminek@em.uni-frankfurt.de
Neue Methoden zur Erforschung der Film- und Kinokultur aus Marburg, Mainz und Frankfurt
FRANKFURT. Einst war eine Filmvorführung ein flüchtiges Ereignis, das außer schönen Erinnerungen im Gedächtnis des Publikums keine Spuren hinterließ. Heute, im Zeitalter des Streaming, setzt jeder Film einen digitalen Fußabdruck im Reich der Daten. Und nicht nur das: Der Film selbst hat sich mit der digitalen Transformation grundlegend verändert und neue Formen und Formate entwickelt. Diese Umbrüche stellen das kleine Fach Filmwissenschaft vor große Herausforderungen – und bieten zugleich neue Chancen für Forschung und Lehre. In den kommenden fünf Jahren wird ein Team aus Filmwissenschaftlerinnen und Filmwissenschaftlern der Universitäten Marburg, Mainz und Frankfurt im „Digital Cinema-Hub“ (DiCi-Hub) erforschen, wie diesen Herausforderungen und Chancen begegnet werden kann. Das Projekt wird von der VolkswagenStiftung im Rahmen der Förderlinie „Weltwissen – Strukturelle Stärkung Kleiner Fächer“ mit 1 Million Euro gefördert.
Für die Filmwissenschaft stellt der Übergang zur digitalen Filmproduktion und -distribution in Verbindung mit der Emergenz digitaler Kommunikationsnetzwerke einen bedeutsamen Umbruch dar. Zunehmend erreichen Forscherinnen und Forscher ihre Gegenstände und Quellen in digitaler Datenform, oft verknüpft mit hoch entwickelten Metadaten. Auch das Internet bietet reichhaltige Datenschätze, die mit entsprechenden Werkzeugen geerntet und genutzt werden können. Bisher sind filmwissenschaftliche Daten – ihre Strukturen, Verknüpfungen und Möglichkeiten – von der Forschung wenig bearbeitet worden. Das Verbundprojekt DiCi-Hub der Universitäten Marburg, Mainz und Frankfurt will dies nun ändern.
„Um der zeitgenössischen Vielfalt der Netzwerke, Formate und Märkte von Bewegtbildern, ihrer globalen Herkunft und ihrer globalen Zirkulation angemessen Rechnung zu tragen, muss die Film- und Medienwissenschaft ihr Methodenspektrum, aber auch ihre Arbeitsweise anpassen“, so Prof. Dr. Malte Hagener von der Universität Marburg, einer der Antragsteller. Das kooperativ vorgehende Strategiekonzept zielt auf die Entwicklung neuer konzeptueller Grundlagen und Methoden für das „kleine Fach“ Filmwissenschaft: Etablierte (post-)hermeneutische Methoden sollen mit neuen digitalen Forschungsinstrumenten und Methoden verbunden werden. DiCi-Hub stellt drei Schlüsselbereiche der Filmkultur ins Zentrum - nämlich Netzwerke (Philipps-Universität Marburg), Formate (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) und Märkte (Goethe-Universität Frankfurt am Main).
„Die digitalen Tools und Methoden, die wir in enger Kooperation mit IT-Fachleuten entwickeln, werden dazu beitragen, ein neues Verständnis der Entwicklung und Dynamik von transnationalen Netzwerken der historischen und aktuellen Film- und Kinokultur zu gewinnen“, so Prof. Dr. Yvonne Zimmermann, die in Marburg zusammen mit Hagener für den Teilbereich „Netzwerke“ zuständig ist. Prof. Dr. Alexandra Schneider wird in Mainz den Teilbereich „Formate“ leiten. „Formate haben einen erheblichen Einfluss auf die ästhetischen Eigenschaften eines Films sowie wichtige Konsequenzen für die Modi des Zugangs, der Distribution aber auch für den ökologischen Fußabdruck von Medien – alles Phänomene, zu denen wir mithilfe von digitalen Methoden neue Zugänge gewinnen können“, sagt Schneider. In Frankfurt widmet sich Prof. Dr. Vinzenz Hediger dem Teilbereich Märkte. „Mit digitalen Methoden kann es uns gelingen, ein genaueres Bild von der Zirkulation von Filmen und den Präferenzen des Publikums jenseits der etablierten Institutionen wie Kinos, Festivals und Filmmuseen zu gewinnen“, sagt Hediger.
An allen drei Standorten sollen die entwickelten Methoden in die Lehre implementiert und Infrastrukturen weiterentwickelt werden. Die Universitäten arbeiten darüber hinaus im übergreifenden Modul Data Criticism/Data Literacy zum Thema Verlässlichkeit, Herkunft, Validität, Integrität und Dichte von Forschungsdaten zusammen. Dabei profitiert das Projekt von bereits bestehenden Forschungsprojekten an den drei Standorten und einschlägigen Forschungsverbünden, wie beispielsweise dem kürzlich gegründeten Marburg Center for Digital Culture and Infrastructure (MCDCI) der Philipps-Universität, das den digitalen Wandel aus geistes- und sozialwissenschaftlicher Perspektive erforscht. Die Projektleiterinnen und Projektleiter kooperieren darüber hinaus unter anderem seit 2017 im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs 2279 „Konfigurationen des Films“, dessen Doktorandinnen und Doktoranden von der Kooperation innerhalb von DiCi-Hub ebenfalls profitieren sollen.
Das Projekt wird durch die VolkswagenStiftung mit 1 Million Euro gefördert;
dazu kommen Eigenleistungen der drei beteiligten Universitäten, so dass
insgesamt 1,3 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Über einen Zeitraum von fünf
Jahren wird ein Team aus Filmwissenschaftlerinnen und Filmwissenschaftlern mit
IT-Experten Werkzeuge, Module und Tools entwickeln, die ebenso der Lehre wie
der Forschung dienen sollen.
Kontakt:
Prof.
Dr. Malte Hagener, Professor für Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt
Geschichte, Ästhetik und Theorie des Films, Institut für Medienwissenschaft,
Philipps-Universität Marburg, E-Mail: hagener@uni-marburg.de
Prof.
Dr. Yvonne Zimmermann, Professorin für Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt
Geschichte und Pragmatik visueller Medien, Institut für Medienwissenschaft,
Philipps-Universität Marburg, E-Mail: yvonne.zimmermann@uni-marburg.de
Prof.
Dr. Alexandra Schneider, Professorin für Filmwissenschaft mit Schwerpunkt
Mediendramaturgie, Institut für Film-, Theater-, Medien- und
Kulturwissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, E-Mail: a.schneider@uni-mainz.de
Prof.
Dr. Vinzenz Hediger, Professor für Filmwissenschaft, Institut für Theater-,
Film- und Medienwissenschaft, Goethe-Universität Frankfurt, E-Mail: hediger@tfm.uni-frankfurt.de
Forschung Frankfurt zum Thema Klimakrise: Wie sich Anleger im boomenden Markt Grüner Anleihen orientieren
Immer mehr Anleger wollen in Wertpapiere für explizit klimafreundliche Industrien und Projekte investieren. Ist der Klimaschutz damit in der Finanzwelt angekommen? Oder ist der Verdacht begründet, dass es sich bei Green Bonds lediglich um Green Marketing handelt, wenn nicht gar um „Greenwashing“? „Forschung Frankfurt, das Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität, berichtet über die Arbeit der Wirtschaftswissenschaftlerin Julia Kapraun, die zeigt, wie Anleger beim Kauf Grüner Anleihen nach Orientierung suchen.
FRANKFURT. Wer nicht
ökologisch wird, verliert ökonomisch – dieser Gedanke kommt inzwischen auch
Unternehmen und Finanzdienstleistern, die mit „grün“ ansonsten nicht viel im
Sinn haben. Denn spätestens nach dem Pariser Klimagipfel 2015 steht fest: Die
Internationalen Finanzströme sollen umgeleitet werden. Weg von Öl, Gas und
Kohle hin zu klimafreundlichen Projekten. Grüne Anleihen gelten als wichtige Katalysatoren,
wenn nicht gar als Dreh- und Angelpunkt bei der Umstellung der Weltwirtschaft
hin zu weniger Kohlenstoffverbrauch. Doch können sich Anleger sicher sein, dass
sie mit einer Grünen Anleihe auch wirklich ein grünes Projekt finanzieren?
Zweifel sind zumindest angebracht, wie Dr. Julia Kapraun in ihrer
Studie auf Grundlage aller Green Bonds mit verfügbaren Daten bis Ende 2018
nahelegt. Denn die Lage ist unübersichtlich: Jedes Unternehmen, jede Bank,
jedes Land kann die Kriterien für „Green bonds“ selbst bestimmen. Für von China
ausgegebene grüne Anleihen gilt etwa, dass die Hälfte des Bond-Volumens in
nachhaltige Projekte fließen muss; europäische Green-Bond-Standards schreiben
dagegen 95 Prozent vor. Die Wirtschaftswissenschaftlerin der Goethe-Universität
hat untersucht, wie Anleger im boomenden Grüne-Anleihen-Markt nach Orientierung
suchen. Ihre Studie zeigt, welche Kriterien darüber entscheiden, ob Anleger
Grüne Anleihen als glaubwürdig einschätzen, und welchen Preis sie für den
Klimaschutz zu zahlen bereit sind. Mehr darüber lesen Sie in der gerade
erschienen Ausgabe von „Forschung Frankfurt“ (2/2020), die sich dem
Thema Klimakrise aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven widmet.
Die Ausgabe kann von Journalisten kostenlos bestellt werden bei: ott@pvw.uni-frankfurt.de.
Im
Web: www.forschung-frankfurt.de. Unter www.aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung-frankfurt-englisch finden Sie ausgewählte
Beiträge in englischer Übersetzung.
Weitere
Informationen
Dr. Julia
Kapraun
Wiss.
Mitarbeiterin
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
House
of Finance
Goethe-Universität
Frankfurt
Theodor-W.-Adorno-Platz
3
60323
Frankfurt | Germany
Tel. +49
(0)69 798 33728
julia.kapraun@hof.uni-frankfurt.de
www.finance.uni-frankfurt.de
AIWG veröffentlicht Expertise zu islamischem Religionsunterricht
Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität hat heute ihre neue Expertise zum islamischen Religionsunterricht in Deutschland veröffentlicht. Die Publikation „Islamischer Religionsunterricht in Deutschland: Qualität, Rahmenbedingungen, Umsetzung“ bietet einen Überblick zu Lehrinhalten und rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem nehmen die Autorinnen und Autoren die konkrete Umsetzung des Schulfachs in ausgewählten Bundesländern in den Blick, darunter Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen.
FRANKFURT. Religionsunterricht
ist das einzige Fach, das im deutschen Grundgesetz verankert ist. Der Staat
steht also in der Verantwortung, strukturelle Rahmenbedingungen zu schaffen und
personelle Ressourcen bereitzustellen, damit Religionsunterricht in deutschen
Klassenzimmern stattfinden kann. Trotzdem haben muslimische Kinder bislang
nicht in allen Bundesländern die Möglichkeit, an einem „bekenntnisorientierten“
Unterricht in ihrer Religion teilzunehmen. Aktuell nehmen 60.000 Schülerinnen
und Schüler in Deutschland am islamischen Religionsunterricht beziehungsweise
am islamkundlichen Unterricht teil. Das ist nur ein Bruchteil aller
muslimischen Kinder und Jugendlichen an deutschen Schulen insgesamt, deren
Anzahl auf 580.000 geschätzt wird.
Politische Aspekte bestimmen Debatten zum islamischen
Religionsunterricht
Aus Sicht der Autorinnen und Autoren dominieren in den
Diskussionen über den islamischen Religionsunterricht vor allem rechtliche und
politische Aspekte: Welche islamischen Organisationen eignen sich als Gegenüber
für den Staat? Wie hoch ist das Risiko, dass sich ausländische Einrichtungen in
den Unterricht einmischen? Und welche Auswirkungen hätte es, wenn islamische
Organisationen als Religionsgemeinschaften anerkannt würden? Bei diesen
Debatten kommen Aspekte, die ebenso wichtig sind, oft zu kurz. Den Autorinnen
und Autoren zufolge sind das: die Qualität des Unterrichts, die Ausbildung von
Standards in der Lehrkräfteausbildung, die fehlende empirische
Unterrichtsforschung, der Auf- und Ausbau des islamischen Religionsunterrichts
sowie die positiven Effekte, die Religionsunterricht – unabhängig von
Konfession oder Glaubensrichtung – für eine Gesellschaft haben kann.
Dazu Dr. Fahimah Ulfat, Professorin für islamische Religionspädagogik
an der Universität Tübingen und Mitautorin der Expertise: „Der islamische
Religionsunterricht übt eine zentrale Anerkennungsfunktion von religiöser
Pluralität in Schule und Gesellschaft aus. Schüler_innen muslimischen Glaubens
können sich, ebenso wie ihre Mitschüler_innen christlichen Glaubens, im
Unterricht mit ihrer Religion kritisch und reflektiert auseinandersetzen. Ihre
Religion wird als Normalität im Kontext Schule anerkannt. Der islamische
Religionsunterricht ist in der Schule häufig der einzige Ort, an dem über Islam
und Menschen muslimischen Glaubens in einer wertschätzenden Art und Weise
gesprochen wird, aber auch an dem über viele religiöse und ethische Fragen, die
junge Muslim_innen in Deutschland beschäftigen, offen diskutiert wird. Der
Religionsunterricht leistet einen Beitrag zur Bildung, da er zur Aneignung von
Wissen, zum Verstehen, zur Perspektivenübernahme und somit zur
Handlungsfähigkeit im Sinne von Kommunikation und Partizipation befähigt. Diese
Kenntnisse und Fähigkeiten sind Grundlage für Haltungen wie Toleranz,
wechselseitiger Respekt und Anerkennung des Anderen. Dies sind entscheidende
Argumente für eine Beibehaltung und den Ausbau des islamischen
Religionsunterrichts in einer religionspluralen Gesellschaft.“
Warum steht islamischer Religionsunterricht bislang nicht in den
Lehrplänen aller Bundesländer?
Ein Grund dafür ist, dass die meisten Bundesländer aufgrund
religionspolitischer Bedenken islamische Religionsgemeinschaften bislang nicht
als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt haben. Deshalb gibt es – mit
Ausnahme des Religionsunterrichts der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Hessen, an dem
allerdings nur wenige Schüler teilnehmen, – in Deutschland keinen islamischen
Religionsunterricht, für den eine einzelne islamische Religionsgemeinschaft
verantwortlich ist.
Stattdessen werden entweder alternative Modelle praktiziert, in
denen mehrere islamische Organisationen in übergreifenden Kommissionen,
Beiräten oder über lokale Vertreterinnen und Vertreter eingebunden sind. Dies
ist zum Beispiel der Fall in Baden-Württemberg, Niedersachsen und
Nordrhein-Westfalen. Oder die Bundesländer erteilen eine in alleiniger
staatlicher Verantwortung stehende Islamkunde, wie etwa in Bayern oder
Schleswig-Holstein. Beide Modelle werfen jedoch verfassungsrechtliche Probleme
auf: „Einerseits sieht das Grundgesetz keinen Religionsunterricht vor, der ohne
anerkannte Religionsgemeinschaft erteilt wird. Andererseits ist die Gefahr
hoch, dass der Staat durch die Erteilung eines Islamkundeunterrichts gegen
seine Verpflichtung verstößt, religiös und weltanschaulich neutral zu sein.
Denn hier bestimmen staatliche Akteurinnen und Akteure de facto, welche Inhalte
einer Religion gelehrt werden sollen und welche nicht“, sagt Dr. Jan Felix
Engelhardt, Geschäftsführer an der AIWG und Mitautor der Expertise.
Die Autorinnen und Autoren:
Dr. Fahimah Ulfat ist Professorin für Islamische
Religionspädagogik am Zentrum für Islamische Theologie der
Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen
unter anderem die empirische Erforschung von Glaubens- und Wissenskonzepten
muslimischer Kinder und Jugendlicher, die wissenschaftliche Begleitung,
Erforschung und Weiterentwicklung des islamischen Religionsunterrichts sowie
die Erforschung der theologischen und pädagogischen Professionalität von
Lehrkräften für den islamischen Religionsunterricht.
Esra Yavuz hat Islamische Theologie sowie Mathematik,
Deutsch und Islamische Religion auf Lehramt studiert. Seit 2018 unterrichtet
sie diese Fächer an einer Grundschule in Frankfurt am Main. Sie ist Expertin
für islamischen Religionsunterricht in Deutschland mit praktischer Erfahrung in
Hessen sowie für interreligiöses Lernen im schulischen Kontext.
Dr. Jan Felix Engelhardt ist Geschäftsführer an der AIWG. Zu
seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Akademisierung muslimischer
Wissensproduktion in Deutschland und Europa sowie das Verhältnis zwischen
Theologie, Gesellschaft und Politik.
Über die Publikationsreihe „AIWG-Expertisen“ und „AIWG in puncto“:
Mit ihren Publikationsreihen „AIWG-Expertisen“ und „AIWG in
puncto“ möchte die AIWG Wissensbedarfe zum Islam in Deutschland decken,
Debatten versachlichen sowie Erkenntnislagen verbessern. Den von Expertinnen
und Experten erarbeiteten Wissensstand, ihre Einschätzung und Diskussionspunkte
stellt die AIWG in anschaulicher Form einer breiten Öffentlichkeit bereit. Die „AIWG-Expertisen“
präsentieren eine vertiefte Erörterung des jeweiligen Themas. „AIWG in puncto“ behandelt
eine konkrete Fragestellung in Kurzform und stellt thesenartige Einschätzungen
zur breiten Diskussion.
Über die AIWG
Die AIWG ist eine universitäre Plattform für Forschung und
Transfer in islamisch-theologischen Fach- und Gesellschaftsfragen. Sie
ermöglicht überregionale Kooperationen und Austausch zwischen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der islamisch-theologischen Studien
und benachbarter Fächer sowie Akteurinnen und Akteuren aus der muslimischen
Zivilgesellschaft und weiteren gesellschaftlichen Bereichen. Die AIWG wird
gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und durch die
Stiftung Mercator.
Publikation:
https://aiwg.de/publikationen-expertisen/
Weitere Informationen
Stefanie Golla
Koordinatorin Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft
Goethe-Universität
Telefon 069 79822-459
E-Mail golla@aiwg.de
Homepage https://aiwg.de/
Wissenschaftler:innen von Goethe-Universität und Universität Münster begleiten Modellbau des ALICE-Detektors im Teilchenbeschleuniger in Genf
Das deutsche Netzwerk der ALICE-Kollaboration am CERN lädt Jugendliche ab 16 Jahren und Studierende der ersten Semester ein, den Teilchendetektor ALICE mit Lego nachzubauen. Physiker:innen der Goethe-Universität Frankfurt und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster begleiten das Projekt. Vom 18. Januar an entwerfen die Teilnehmer:innen zunächst das Modell mit Konstruktionsprogrammen, im Juni soll der Lego-Detektor voraussichtlich in Frankfurt zusammengebaut werden. Mitmachen können junge Interessierte aus dem ganzen Bundesgebiet, da die Veranstaltungen online angeboten werden.
FRANKFURT / MÜNSTER (WESTF.) An der großen
Teilchenbeschleunigeranlage CERN in Genf gehen Wissenschaftler:innen aus der
ganzen Welt grundlegenden Fragen der Physik nach: Was ist Materie? Wie hat sich
das Universum entwickelt? Dazu lassen die Forscher:innen Atomkerne mit hohen
Geschwindigkeiten aufeinanderprallen und zerlegen sie in ihre elementaren
Bestandteile. Vermessen werden diese Materie-Bausteine mithilfe großer Teilchendetektoren.
Der ALICE-Detektor misst die Teilchen, die bei der Kollision von Blei-Ionen
entstehen – 900 Millionen Teilchen pro Sekunde. Eines der Forschungsziele ist
es, den Zustand von Materie kurz nach dem Urknall verstehen zu lernen.
Wie der 26 Meter lange und 16 Meter hohe ALICE-Detektor
funktioniert, können Physik-interessierte Schülerinnen und Schüler jetzt in
einem Online-Kurs erfahren, indem sie den Detektor nachbauen, maßstäblich und
mit Lego-Bausteinen. Ähnliche Detektor-Nachbauten gab es in der Vergangenheit
bereits für zwei weitere große CERN-Detektoren; das Modell für ALICE sollen die
Teilnehmer:innen jetzt gemeinsam entwickeln und dabei lernen, wie das große
ALICE-Original funktioniert und wie mit dem Detektor Forschungsfragen
beantwortet werden können.
Unterstützt werden sie dabei von Physiker:innen der
Goethe-Universität Frankfurt, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
und weiteren Forschenden aus dem deutschen ALICE-Netzwerk, die Wissen über
Teilchenphysik und das ALICE-Experiment, über Detektortechnologie und die
Zusammenarbeit in einer Forschungskollaboration vermitteln und auch für Fragen
zu Studium und Beruf zur Verfügung stehen.
Start: 18. Januar 2021, 16:00 Uhr
Anmeldung: https://indi.to/ALICE-Lego-Modell
Veranstaltungsposter
zum Download:
https://indico.cern.ch/event/980071/attachments/2161765/3647814/Poster_ALICE_LEGO_Workshop_v3.pdf
Bild zum Download:
http://www.uni-frankfurt.de/96043535
Bildtext:
Jugendliche
ab 16 Jahren und Studierende der ersten Semester können in einem
Online-Workshop den Teilchendetektor ALICE mit Lego nachzubauen. Copyright:
Fotograf: Julien Ordan/CERN. Montage: WWU
Weitere
Informationen
Marcus
Mikorski
Koordinator für den Deutschen ALICE-Forschungsschwerpunkt
Goethe-Universität Frankfurt
Tel: 069 798-47099
marcus.mikorski@cern.ch
Prof.
Dr. Christian Klein-Bösing
Institut
für
Kernphysik
Westfälische
Wilhelms-Universität Münster
Tel.:
0251 83-34973
Christian.Klein-Boesing@uni-muenster.de
Kooperation von Goethe-Universität mit University of Oklahoma
Ein internationales Wissenschaftsteam der Goethe-Universität Frankfurt und der University of Oklahoma hat erstmals Effekte der Quantenphysik an einem auseinanderbrechenden Heliumdimer gefilmt. Der Film zeigt die Überlagerung von Wellen zweier Ereignisse, die mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit gleichzeitig auftreten: Der Fortbestand und das Auseinanderbrechen des Heliumdimers. Die Methode könnte künftig erlauben, das Entstehen und den Zerfall quantenphysikalischer Efimov-Systeme experimentell zu verfolgen. (Nature Physics, DOI 10.1038/s41567-020-01081-3)
FRANKFURT. Wer sich in die Welt der Quantenphysik begibt, muss sich
auf Einiges gefasst machen, was in der Alltagswelt unbekannt ist: Edelgase
gehen Bindungen ein, Atome verhalten sich gleichzeitig wie Teilchen und wie
Wellen, und Ereignisse, die eigentlich einander ausschließen, lassen sich
gleichzeitig beobachten.
Reinhard Dörner und sein Team beschäftigen sich in der
Quantenwelt mit Molekülen, die es klassischerweise gar nicht geben dürfte:
Zweierverbindungen von Helium, sogenannte Heliumdimere. Denn Helium wird ja
gerade deshalb zu den Edelgasen gezählt, weil es eigentlich keine Verbindungen
eingeht. Wenn man das Gas jedoch auf nur 10 Grad über dem absoluten Nullpunkt
von minus 273 Grad Celsius abkühlt und dann durch eine kleine Düse in eine
Vakuumkammer strömen lässt, wodurch es noch kälter wird, dann bilden sich –
ganz selten – solche Heliumdimere. Es sind sicher die am schwächsten gebundenen
Moleküle im Universum, und entsprechend weit sind die beiden Atome im Molekül
voneinander entfernt. Während eine chemische Bindung gewöhnlicherweise rund 1 Ångström misst (0,1 Nanometer), sind es beim Heliumdimer im
Mittel mehr als 50 Mal so viel, 52 Ångström.
Solche Heliumdimere haben die Frankfurter Wissenschaftler
mit einem extrem starken Laserblitz bestrahlt und dadurch die Bindung zwischen
den beiden Heliumatomen minimal verdreht – was ausreichte, um die beiden Atome
auseinanderfliegen zu lassen. Daraufhin konnten die Wissenschaftler das
wegfliegende Heliumatom erstmals als Welle sehen und in einem Film aufzeichnen.
Der Quantenphysik zufolge verhalten sich Objekte
gleichzeitig wie ein Teilchen und eine Welle, was der Laie vielleicht von den
Lichtteilchen (Photonen) her kennt, die sich einerseits wie Wellen überlagen
und damit verstärken oder auslöschen können (Interferenz), andererseits aber
als „Sonnenwind“ zum Beispiel Raumsonden über deren Sonnensegel antreiben
können.
Dass die Forscher das wegfliegende Heliumatom im
Frankfurter Laser-Experiment als eine Welle überhaupt beobachten und filmen
konnten, lag daran, dass das Heliumatom nur mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit wegflog: Mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit war es noch
an seinen zweiten Heliumpartner gebunden, mit 2-prozentiger Wahrscheinlichkeit
flog es weg. Diese beiden Heliumatom-Wellen – Vorsicht: Quantenphysik! –
überlagerten sich, ihre Interferenz ließ sich messen.
Vorstellen kann man sich das nicht, aber die Vermessung
solcher „Quantenwellen“ lässt sich ausdehnen auf Quantensysteme mit mehreren
Partnern wie das Heliumtrimer aus drei Helium-Atomen. Das Heliumtrimer ist
interessant, da es einen exotischen sogenannten Efimovzustand bilden kann, sagt
Maksim Kunitski, Erstautor der Studie: „Solche Drei-Teilchen-Systeme wurden
1970 durch den russischen Theoretiker Vitaly Efimov vorhergesagt und zunächst
an Cäsiumatomen nachgewiesen. Vor fünf Jahren haben wir erstmals den
Efimovzustand im Heliumtrimer entdeckt. Unsere jetzt entwickelte Methode der
Laserpuls-Bestrahlung könnte es uns in Zukunft erlauben, die Entstehung und den
Zerfall von Efimov-Systemen zu beobachten und so quantenphysikalische Systeme
besser verstehen zu können, die experimentell nur schwer zugänglich sind.“
Publikation: Maksim
Kunitski, Qingze Guan, Holger Maschkiwitz, Jörg Hahnenbruch, Sebastian Eckart,
Stefan Zeller, Anton Kalinin, Markus Schöffler, Lothar Ph. H. Schmidt, Till
Jahnke, Dörte Blume, Reinhard Dörner: Ultrafast manipulation of the weakly
bound helium dimer. In: Nature Physics, https://doi.org/10.1038/s41567-020-01081-3
Bilder zum Download:
http://www.uni-frankfurt.de/95834340
Bildtext: Dr. Maksim
Kunitski am COLTRIMS-Reaktionsmikroskop an der Goethe-Universität Frankfurt,
mit dessen Hilfe die "Quantenwelle" beobachtet werden konnte. (Foto:
Uwe Dettmar für Goethe-Universität)
http://www.uni-frankfurt.de/95834284
Bildtext: Prof.
Reinhard Dörner (links) und Dr. Maksim Kunitzki vor dem
COLTRIMS-Reaktionsmikroskop an der Goethe-Universität Frankfurt, mit dessen
Hilfe die "Quantenwelle" beobachtet werden konnte. (Foto:
Goethe-Universität Frankfurt)
VolkswagenStiftung fördert Islamische Archäologie und Kunstgeschichte an der Goethe-Universität
Die archäologischen Wissenschaften an der Goethe-Universität erhalten Verstärkung: Mit Mitteln der VolkswagenStiftung wird eine neue Professur für Islamische Archäologie und Kunstgeschichte eingerichtet, zusätzliche Mittel fließen für Gastwissenschaftler, Forschungsprojekte und Infrastruktur.
FRANKFURT. „Die
Professur für Islamische Archäologie und Kunstgeschichte an der
Goethe-Universität wird eine große Besonderheit sein. Sie ist erst die dritte
Professur dieser Art in ganz Deutschland“, freut sich Prof. Dr. Dirk Wicke, der
in Frankfurt die Archäologie Vorderasiens lehrt, über die Bewilligung. Wicke
hat den zusätzlichen Forschungszweig im Rahmen des Programms „Weltwissen ‒ Strukturelle
Stärkung ‚kleiner Fächer'“ der VolkswagenStiftung beantragt, mit dem diese seit
2017 fachunabhängig strukturell unterrepräsentierte Wissensgebiete
mit hohem Innovationspotenzial fördert. Der Antrag, der nun bewilligt wurde,
umfasst neben der Einrichtung einer Professur für zunächst sechs Jahre ein
Programm für Gastwissenschaftler, die Anschubfinanzierung für
Forschungsprojekte und auch eine umfangreiche Unterstützung der Infrastruktur
am Institut. Für die ersten sechs Jahre stellt die Stiftung knapp eine Million
Euro bereit. Der Fortbestand der W2-Professur ist bereits durch Unipräsidium
und Fachbereich gesichert.
„Das ist eine sehr gute Nachricht“, freut sich auch
Universitätspräsidentin Prof. Dr. Birgitta Wolff. „Die Kleinen Fächer gehören
sehr prägend zum Profil der Goethe-Universität, manche von ihnen sind besonders
forschungsstark und sehr erfolgreich im Einwerben von Drittmitteln. Gerade die
Archäologie hat einen ausgezeichneten Ruf und ist bereits in mehreren auch für
Laien faszinierenden Themenfelder sehr gut unterwegs. Dass sie sich im Bereich
der islamischen Kunst zusätzlich positioniert, unterstützen wir auch Seitens
des Präsidiums gerne“, so Wolff weiter. „Die neue Professur fügt sich nahtlos
in den bereits seit Jahren bestehenden Fächerkanon und das
Bachelor-Master-Studienprogramm des Institutes ein. Zudem wird es viele
Anknüpfungspunkte an andere Disziplinen im Fachbereich und weit über die
Goethe-Universität hinaus geben“, ist Wicke überzeugt. Er erwarte einen
innovativen Forschungsschub, außerdem würden neue Impulse für eine stärkere
Internationalisierung gesetzt. Nach Ansicht des Frankfurter Archäologen gibt es
in Deutschland Nachholbedarf auf diesem Gebiet: In anderen Ländern sei der
islamischen Archäologie und Kunstgeschichte in den vergangenen Jahren wachsende
Aufmerksamkeit zuteilgeworden. Deutschland hinke bislang noch hinterher. An der
Goethe-Universität ist die islamische Kunst und Kultur im Rahmen der
vorderasiatischen Archäologie schon seit langem erforscht worden, die Arbeiten
kamen jedoch durch den Bürgerkrieg in Syrien letztlich zum Erliegen. Das Institut
verfügt mittlerweile jedoch über eine kleine altorientalische Studiensammlung.
Das Fach Islamische Archäologie und Kunstgeschichte beschäftigt
sich mit den materiellen Zeugnissen der islamischen Welt von etwa dem 7.
Jahrhundert nach Christus bis in die heutige Zeit in dem weiten geographischen
Rahmen von Marokko bis Indonesien und von Zentralasien bis zur Sahara. Es
verfolgt im Wesentlichen kulturhistorische Fragestellungen anhand der
materiellen Kultur des Islam und arbeitet eng mit historischen und philologischen
Disziplinen wie der Orientalistik oder den Islamischen Studien zusammen. Gerade
angesichts der politischen Unruhen im Nahen Osten zählen auch der Erhalt des
islamischen kulturellen Erbes und dessen Vermittlung in Gegenwart und Zukunft
zu den Aufgaben dieser Wissenschaft.
Bilder
zu
islamischen Archäologie und Kunstgeschichte zum Download: http://www.uni-frankfurt.de/95801886
Bildtext:
Abb.
1: Persische Glasmalerei, Qadjaren-Zeit (19. Jahrhundert n.Chr.). (Foto:
Birgitta Schödel/Altorientalische Sammlung der Goethe-Universität)
Abb.
2: Glasierte Keramik aus Kharab Sayyar, Syrien (9. Jh. n. Chr.)
(Foto:
Ausgrabungsprojekt Kharab Sayyar)
Abb.
3: Qasr al-Kharana, Jordanien (späters 7. Jh. n. Chr.)
(Foto:
Jutta Eichholz)
Abb.
4: Badende,Wandmalerei im Qusair `Amra, Jordanien (8. Jh. n. Chr.)
(Foto:
Jutta Eichholz)
Abb.
5: Frühislamische Badeanlage von Kharab Sayyar, Syrien (9. Jh. n. Chr.)
(Foto:
Ausgrabungsprojekt Kharab Sayyar)
Weitere Informationen
Prof. Dr.
Dirk Wicke
Professur für Vorderasiatische Archäologie
Institut für Archäologische Wissenschaften, Abteilung I,1
Goethe-Universität
wicke@em.uni-frankfurt.de
Loperamid könnte bei der Behandlung von Glioblastomen helfen
Forscher der Goethe-Universität Frankfurt hatten kürzlich in einem Artikel und einer Pressemitteilung über den Einfluss des Wirkstoffes Loperamid auf den Zelltod bei Hirntumorzellen berichtet. Es sind daraufhin an den Deutschen Hirntumorzentren zahlreiche Anfragen nach dem therapeutischen Einsatz von Loperamid bei Patienten mit Hirntumorerkrankungen eingegangen.
Es ist jedoch festzuhalten, dass die zugrundeliegende Forschungsarbeit lediglich auf Zellkulturmodellen basiert. Aus den Ergebnissen können auf keinen Fall Empfehlungen zur Behandlung des Menschen abgeleitet werden. Loperamid kann neben Darmträgheit vor allem bei höher dosiertem oder nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch schwere und lebensbedrohliche Nebenwirkungen verursachen.
Die Autoren des Forschungsartikels und des Schwerpunkts Neuroonkologie des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen (UCT) raten daher dringend von einem Einsatz von Loperamid bei Hirntumorpatienten (außerhalb der Indikation Durchfall) ab.
Prof. Dr. med. Christian Brandts
Direktor Universitäres Centrum für Tumorerkrankungen Frankfurt (UCT), Universitätsklinikum Frankfurt
Prof. Dr. med. Joachim Steinbach
Direktor des Dr. Senckenbergischen Instituts für Neuroonkologie, UCT, Universitätsklinikum Frankfurt
Sjoerd J. L. van Wijk, Ph.D.
Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie, UCT, Universitätsklinikum Frankfurt
In der Zellkultur wirkt das gängige Durchfallmittel Loperamid gegen Glioblastomzellen. Ein Forschungsteam der Goethe-Universität Frankfurt hat jetzt den Wirkmechanismus des Mittels aufgeklärt und damit gezeigt, wie der Wirkstoff die Behandlung von Hirntumoren unterstützen könnte, die schwer zu therapieren sind.
FRANKFURT. Hinweise
darauf, dass das Durchfallmittel Loperamid in der Therapie von Hirntumoren
eingesetzt werden könnte, fand die Arbeitsgruppe um Dr. Sjoerd van Wijk vom
Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie der
Goethe-Universität bereits vor zwei Jahren. Nun entschlüsselte sie den
Wirkmechanismus und eröffnet damit Optionen für neue Behandlungsstrategien.
Wenn Zellen sich selbst auffressen
Loperamid führt in bestimmten Tumorzellen zu einer Stressreaktion
im Endoplasmatischen Retikulum (ER), dem Zellorganell, das für wesentliche
Schritte der Proteinsynthese im Körper verantwortlich ist. Der Stress im ER
löst dessen Selbstverdau aus: Es vernichtet sich quasi selbst. Dieser als Autophagie
(„Selbstverdau“) bezeichnete Mechanismus ist auch im normalen Stoffwechsel manchmal
sinnvoll, um aus beschädigten oder überflüssigen Zellbestandteilen die
wertvollen Anteile zu recyceln und somit das Überleben der Zelle etwa bei
Nährstoffmangel zu sichern. Bestimmte Tumorzellen scheinen über Autophagie
jedoch so viel Material abzubauen, dass sie nicht mehr überlebensfähig sind.
„Unsere Experimente mit Zelllinien zeigen, dass Autophagie bei
Glioblastom-Hirntumoren die Behandlung unterstützen könnte“, so van Wijk. Das
Glioblastom ist eine sehr aggressive und meist tödliche Krebsform bei Kindern
und Erwachsenen, die schlecht auf Chemotherapeutika reagiert. Daher werden
dringend neue Therapieansätzen gesucht. Die Arbeitsgruppe um van Wijk identifizierte
jetzt einen wichtigen Faktor, der die ER-Stressreaktion mit dem Abbau des ER
(Retikulophagie) verbindet: Der „Aktivierende Transkriptions-Faktor“ ATF4 wird
sowohl bei ER-Stress als auch unter Loperamid-Einfluss vermehrt gebildet. Er
löst den Abbau der ER-Membranen und damit des ERs aus.
Durchfallmittel löst Zelltod in Glioblastomzellen aus
„Wenn wir umgekehrt ATF4 blockieren, sterben nach Zugabe von
Loperamid deutlich weniger Zellen einer Tumorzellkultur“, beschreibt van Wijk
die Kontrollergebnisse. Außerdem konnte die Arbeitsgruppe unter dem
Elektronenmikroskop die ER-Trümmer in Abbauzellen des Körpers nachweisen. „Der
ER-Abbau, also die Retikulophagie, trägt sichtbar zum Zelltod von
Glioblastom-Zellen bei“, so van Wijk. Zudem zeigte die Arbeitsgruppe, dass
Loperamid in einer weiteren Zelllinie (embryonalen Maus-Fibroblasten) nur
Autophagie, nicht jedoch den Zelltod auslöst. „Diese Autophagie ist in normalen
Zellen harmlos - auch für die Einnahme als Durchfallmittel, denn Loperamid
wirkt im Darm nur an besonderen Bindestellen und wird nicht wirklich
aufgenommen durch Darmzellen", erklärt der Forscher.
Wirkmechanismus auch für andere Krankheiten denkbar
Der Loperamid-induzierte Zelltod von Glioblastomzellen könnte
helfen, neue Therapieansätze für die Behandlung dieser schweren Krebserkrankung
zu entwickeln. „Unsere Erkenntnisse eröffnen aber auch neue spannende
Möglichkeiten für andere Krankheiten, bei denen der ER-Abbau gestört ist, etwa
Nervenzell- oder Demenz-Erkrankungen sowie weitere Tumorarten“, so van Wijk.
Bevor Loperamid allerdings tatsächlich bei der Behandlung von Glioblastomen
oder anderen Erkrankungen eingesetzt werden kann, ist noch einige Arbeit
notwendig. So muss beispielsweise untersucht werden, wie Loperamid ins Gehirn
transportiert werden und die Blut-Hirn-Schranke durchdringen kann. Hierfür
kommen möglicherweise Nanopartikel in Frage. Die Frankfurter Arbeitsgruppe will
nun weitere Retikulophagie-auslösende Substanzen identifizieren und
untersuchen, wie sich die Wirkung von Loperamid verstärken lässt.
Die Arbeitsgruppe um Sjoerd van Wijk wird durch die Frankfurter
Stiftung für krebskranke Kinder und den DFG-geförderten Sonderforschungsbereich
SFB1177 “Molekulare und funktionale Charakterisierung der selektiven
Autophagie" finanziell unterstützt. Die Arbeiten entstanden in Zusammenarbeit
mit Dr. Muriel Mari, Prof. Dr. Fulvio Reggiori (Universität von Groningen,
Niederlande) und Prof. Dr. Donat Kögel (Experimentelle Neurochirurgie,
Goethe-Universität Frankfurt).
Publikation: Svenja Zielke, Simon Kardo,
Laura Zein, Muriel Mari, Adriana Covarrubias-Pinto, Maximilian N. Kinzler, Nina
Meyer, Alexandra Stolz, Simone Fulda, Fulvio Reggiori, Donat Kögel und Sjoerd
van Wijk: ATF4 links ER stress with reticulophagy in glioblastoma cells.
Taylor & Francis Online https://doi.org/10.1080/15548627.2020.1827780
Bild zum
Download:
http://www.uni-frankfurt.de/95797718
Bildtext: In Zellen des Hirntumors Glioblastom löst das Durchfallmittel
Loperamid den Abbau des Endoplasmatischen Retikulums aus: Im Normalzustand ist
es in diesen Mikroskopie-Aufnahmen gelb gefärbt, den Abbauzustand leuchtet es
als rotes Signal (im Ausschnitt mit Pfeilen markiert). Balken linkes Bild: 20
Mikrometer, Balken rechtes Bild („Inset“): 5 Mikrometer. (Fotos: Svenja Zielke
et. al.)
Weitere
Informationen:
Dr. Sjoerd J. L. van Wijk PhD,
Institut
für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie
Goethe-Universität
Frankfurt
Tel.
+49 69 67866574
s.wijk@kinderkrebsstiftung-frankfurt.de
https://www.kinderkrebsstiftung-frankfurt.de/
Im Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ der Goethe-Universität kommen Volker Mosbrugger und Joachim Curtius zu unterschiedlichen Einschätzungen zum Klimawandel
Ab dem 25. Januar bietet die Goethe-Universität mit dem MainStudy-Webportal Informationen und Beratung bei der Studienwahl.