​​​​​​​Pressemitteilungen ​​​​​​ ​ – April 2021

Unsere Pressemitteilungen informieren Sie über aktuelle Ereignisse aus der Universität. Dazu zählen neue Forschungsergebnisse, universitäre Themen und Veranstaltungsankündigungen. Sie wollen regelmäßig über Neuigkeiten aus der Goethe-Universität informiert werden? Abonnieren Sie unsere Pressemitteilungen.

Pressestelle Goethe-Universität

Theodor-W.-Adorno Platz 1
60323 Frankfurt 
presse@uni-frankfurt.de

 

Apr 27 2021
12:57

Die Cornelia Goethe Colloquien befassen sich im Sommersemester 2021 mit der Vieldeutigkeit von Geschlecht und Sexualität im Islam. 

Geschlecht und Sexualität im Islam

FRANKFURT. An sieben Terminen beschäftigt sich die Reihe „Whose Gender? Whose Sex? Zur Polyvalenz der Geschlechterverhältnisse im Islam“ mit dem Zusammenspiel von Religion und Gender und unterzieht antimuslimische Diskurse einer kritischen Befragung. Eröffnet wird die Colloquiumsreihe mit einer islamwissenschaftlichen Heranführung an islamischen Feminismus mit dem Online-Vortrag

„Islamischer Feminismus im Horizont des Genderdiskurses“
am Mittwoch, dem 28. April 2021, um 18 Uhr c.t.

von Katajun Amirpur. Die Professorin für Islamwissenschaften an der Universität zu Köln geht in ihrem Beitrag dem vielschichtigen Verhältnis zwischen Feminismus und Islam nach. Sie konzentriert sich dabei auf islamischen Feminismus und die kontroversen Auseinandersetzungen um diese Bewegung.

Das Cornelia Goethe Centrum für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse lädt in Kooperation mit der GRADE Center Gender, dem Gleichstellungsbüro der Goethe-Universität und der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität alle Interessierten herzlich ein. Der Eintritt ist frei.

Zur Teilnahme an der Veranstaltung ist eine Anmeldung erforderlich.

Anmeldung: https://uni-frankfurt.zoom.us/webinar/register/WN_TYrTiu_9RgicFNqA-dZ41A

Weitere Termine:

05.05.
Annelies Moors: On High Heels and Face-Veils. The Ambivalent Gendered Racialization of Muslims in the Netherlands (synchron | Anmeldung erforderlich)

12.05.
Ozan Zakariya Keskinkiliç: Von Haremsfantasien zum 'Geburten-Dschihad'. Sexualisierte Orient- und Islamdiskurse im historischen Vergleich. (synchron | Anmeldung erforderlich)

02.06.
Tanja Scheiterbauer: Frauenbewegungen im Maghreb in post-revolutionären Zeiten. (Neue) Kämpfe um Geschlecht und Sexualität. (synchron | Anmeldung erforderlich)

09.06.
Meltem Kulaçatan: Intersektionalität in der interventionsbasierten Forschung am Beispiel der muslimischen Zivilgesellschaft. Kommentar: Davide Torrente (synchron | Anmeldung erforderlich)

23.06.
Ali Ghandour: Muslimisch-Queere Momente. (synchron | Anmeldung erforderlich)

07.07.
Podiumsdiskussion. Panel: Saba Nur Cheema, Harpreet Cholia, Schirin Amir Moazami, Michael Tunç; Moderation: Anne Chebu. Islam und Geschlecht: Ein kritischer Blick auf Narrative des anti-muslimischen Rassismus. (Format wird noch bekannt gegeben)

Kontakt:
Lucas Schucht, Cornelia Goethe Centrum, Mail: schucht@em.uni-frankfurt.de

Detaillierte Informationen zum Programm: https://www.cgc.uni-frankfurt.de/cornelia-goethe-colloquien/


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Apr 23 2021
11:11

Forscherinnen und Forscher der Goethe-Universität untersuchen oxidativen Stress in Mäusen

Wie Sauerstoffradikale vor Krebs schützen

Sauerstoffradikale im Körper gelten gemeinhin als gefährlich, denn sie können so genannten oxidativen Stress auslösen, der mit der Entstehung vieler chronischer Krankheiten wie Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen in Zusammenhang gebracht wird. In Untersuchungen an Mäusen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität Frankfurt jetzt herausgefunden, wie Sauerstoffradikale andererseits auch das Krebsrisiko senken und Schäden am Erbmolekül DNA mindern können (PNAS, DOI 10.1073/pnas.2020152118).

FRANKFURT. Ursprünglich galten Sauerstoffradikale -  reaktive Sauerstoffspezies, kurz ROS – im Körper als ausschließlich schädlich. Sie entstehen zum Beispiel beim Rauchen oder durch UV-Strahlung und können in Zellen durch ihre hohe Reaktionsfähigkeit viele wichtige Moleküle schädigen, darunter Erbmolekül DNA. In der Folge drohen Entzündungsreaktionen und die Entartung der betroffenen Zellen zu Krebszellen.

Wegen ihrer schädigenden Wirkung werden ROS auch gezielt vom Körper gebildet, etwa von Immun- oder Lungenepithelzellen, die mit ROS eindringende Bakterien und Viren zerstören. Hierfür sind verhältnismäßig hohe ROS-Konzentrationen nötig. In geringen Konzentrationen spielen ROS jedoch andererseits eine wichtige Rolle als Signalmoleküle. Für diese Aufgaben werden ROS von einer ganzen Gruppe von Enzymen eigens hergestellt. Ein Vertreter dieser Enzymgruppe ist Nox4, das laufend in geringen Mengen H2O2 produziert. Nox4 kommt in fast allen Körperzellen vor, wo sein Produkt H2O2 eine Vielzahl der spezialisierten Zellfunktionen aufrechterhält und so zum Beispiel zur Hemmung von Entzündungsreaktionen beiträgt.

Dass Nox4 über die Herstellung von H2O2 der Entstehung von Krebs sogar vorbeugen kann, fanden jetzt Forschende der Goethe-Universität Frankfurt unter der Leitung von Prof. Katrin Schröder heraus. Dazu untersuchten sie Mäuse, die infolge einer genetischen Veränderung kein Nox4 bilden konnten. Wurden solche Mäuse einem Krebs erregenden Umweltgift (Kanzerogen) ausgesetzt, verdoppelte sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Tumor entwickelten. Da die Mäuse an ganz verschiedene Tumorarten wie Haut-Sarkome und Dickdarm-Karzinome litten, vermuteten die Forschenden, dass Nox4 einen grundsätzlichen Einfluss auf die zelluläre Gesundheit hat.

Molekularen Untersuchungen zeigten, dass das durch Nox4 gebildete H2O2 eine Kaskade in Gang hält, die bestimmte, wichtige Signalproteine (Phosphatasen) vom Zellkern fernhält. Fehlt Nox4 und damit H2O2, wandern die Signalproteine in den Zellkern und sorgen dort dafür, dass schwere DNA-Schäden kaum noch erkannt werden.

Schwere DNA-Schäden – sogenannte Doppelstrangbrüche – entstehen täglich irgendwo im Körper. Zellen reagieren sehr empfindlich auf solche DNA-Schäden und setzten ein ganzes Repertoire an Reparaturenzymen in Bewegung. Hilft das nicht, aktiviert die Zelle ihr Zelltod-Programm – eine Vorsichtsmaßnahme des Körpers gegen Krebs.

Prof. Katrin Schröder erläutert die Forschungsergebnisse: „Fehlt Nox4 und ist damit kein H2O2 vorhanden, erkennen die Zellen die DNA-Schäden nicht mehr. Mutationen reichern sich an und geschädigte Zellen vermehren sich weiter. Kommt nun ein Umweltgift hinzu, das die DNA massiv schädigt, werden die Schäden nicht mehr erkannt und repariert. Auch werden die betroffenen Zellen nicht eliminiert, sondern vermehren sich zum Teil sehr schnell und unkontrolliert, was schließlich zur Entstehung von Tumoren führt. Eine geringe Menge H202 hält also ein inneres Gleichgewicht in der Zelle aufrecht, das die Zellen vor Entartung schützt.“


Publikation:
Valeska Helfinger, Florian Freiherr von Gall, Nina Henke, Michael M. Kunze, Tobias Schmid, Flavia Rezende, Juliana Heidler, Ilka Wittig, Heinfried H. Radeke, Viola Marschall, Karen Anderson, Ajay M. Shah, Simone Fulda, Bernhard Brüne, Ralf P. Brandes, Katrin Schröder: Genetic deletion of Nox4 enhances cancerogen-induced formation of solid tumors. PNAS, https://doi.org/10.1073/pnas.2020152118

Weitere Informationen
Prof. Dr. Katrin Schröder
Institut für Kardiovaskuläre Physiologie
Fachbereich Medizin
Goethe-Universität Frankfurt
Tel. +49(0)69-6301-83660
schroeder@vrc.uni-frankfurt.de
http://www.vrc.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, E-Mail bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Apr 23 2021
10:31

Gemeinsam mit indigenen Gemeinschaften wertet das Frobenius-Institut an der Goethe-Universität historische Forschungsreisen aus

Australien-Expeditionen des 20. Jahrhunderts neu betrachtet

Welche Bedeutung hat eine historische Sammlung ethnografischer Objekte heute? Wie kann ihr Potenzial für indigene Gemeinschaften, Museen und die Öffentlichkeit neu bewertet werden? Diesen Fragen stellt sich das gerade gestartete Projekt „Die deutschen ethnografischen Expeditionen in den australischen Kimberley. Forschungsgeschichtliche Bedeutung, digitale Repatriierung und gemeinsame Interpretation des indigenen Kulturerbes“.  

FRANKFURT. Zwei deutsche ethnografische Expeditionen in die Kimberley-Region im nordwestlichen Australien stehen im Zentrum des Vorhabens: 1938 bis 1939 fand eine Reise des Instituts für Kulturmorphologie (heute Frobenius-Institut, Frankfurt am Main) statt, 1954 bis 1955 schickte das Münchner Museum für Völkerkunde (heute Museum Fünf Kontinente) eine Forschergruppe in die Region auf der anderen Seite der Erdkugel. Diese Reisen sollen nun systematisch und aus der Perspektive beider Seiten gemeinsam bewertet werden.

Das vom Frobenius-Institut an der Goethe-Universität Frankfurt am Main gemeinsam mit der University of Western Australia koordinierte Forschungsvorhaben geht auf eine Initiative mehrerer indigener Wanjina Wunggurr-Gemeinschaften aus Nordwest-Australien zurück. Zu den Materialien, die das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Projekt in den Blick nimmt, gehören zahlreiche unveröffentlichte Fotos, Zeichnungen, Skizzen, Felsbildkopien und Tagebücher. Sie werden ebenso wie der direkte Input der beteiligten Aboriginal corporations die die historischen Quellen ergänzen, korrigieren und bewerten, zu den Forschungen beitragen. Das Material aus den deutschen Archiven ist von großem Interesse für die indigenen Gemeinschaften und wird ihnen unter Rücksichtnahme auf kulturelle Gepflogenheiten und möglicherweise sensible Inhalte in den Bild- und Textdokumenten zur Verfügung gestellt, um eine gemeinsame Auswertung zu ermöglichen.

Mit seinem kollaborativen Forschungsdesign wird das Projekt zu einer Fallstudie kritischer Forschungsgeschichte und ethnologischer Wissensproduktion. Damit soll es einen Beitrag zur Debatte über die zentralen Herausforderungen leisten, vor denen heute ethnografische und ethnologische Archive, Museen und Sammlungen stehen. Das Projekt konzentriert sich dabei auf die Analyse der relevanten Materialien aus der Kimberley-Region, die sich in deutschen Institutionen befinden, diese werden aufbereitet, digitalisiert, übersetzt und kontextualisiert. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der gemeinsamen Bewertung der Materialien und ihrem zukünftigen Potenzial — sowohl für die deutschen Archive als auch für die indigenen Forschungspartner in Australien.

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit einer Summe von 441.900 Euro gefördert und gemeinsam von Dr. Richard Kuba am Frobenius-Institut an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Associate Professor Martin Porr (University of Western Australia) koordiniert. Es wird in Zusammenarbeit mit den Wunambal Gaambera, Dambimangari und Wilinggin Aboriginal Corporations, dem Weltkulturen Museum in Frankfurt und dem Museum Fünf Kontinente in München durchgeführt. Die Laufzeit beträgt drei Jahre.

Bilder zum Download: www.uni-frankfurt.de/100428552

Bildtext:

Bild 1: Projektpartnerin Leonie Cheinmora inspiziert die Objekte im Depot des Museums Fünf Kontinente in München. (Foto: Martin Porr)

Bild 2: Douglas C. Fox, Wandjina, Australien, Kimberley, Mount Hann, 1938. (Foto: Frobenius-Institut, Frankfurt am Main)

Weitere Informationen
Dr. Richard Kuba
Frobenius-Institut an der Goethe-Universität
Telefon 069 798-33056
E-Mail kuba@em.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de 

 

Apr 21 2021
12:15

Karl-Heinz Kohl (Frankfurt) liest Ad. E. Jensen-Gedächtnisvorlesung 2021 am Frobenius-Institut an der Goethe-Universität

Anverwandlungen: Beiträge indigener Völker zur Kultur der Moderne

FRANKFURT. Kolonialismus als Prozess wechselseitiger Aneignungen steht im Mittelpunkt des Vortrags, den Prof. Dr. Karl-Heinz Kohl, viele Jahre Direktor des Frobenius-Instituts,

am Montag, 17. Mai, um 16 Uhr
Casinogebäude (Campus Westend), Raum 1.811

halten wird. Die Vorlesung wird zeitgleich online auf der Plattform Zoom übertragen.

Der Vortrag ist der erste von vier Vorträgen, die Professor Kohl im Rahmen der Ad. E. Jensen-Gedächtnisvorlesung halten wird. Anhand von vier Einzelbeispielen wird er im Verlauf der Reihe zeigen, welche Impulse und konkreten Einflüsse von indigenen Kulturen auf die europäische Kultur-, Wissenschafts- und Sozialgeschichte ausgegangen sind. Denn in der neueren Globalgeschichtsschreibung wird der europäische Kolonialismus als ein Prozess verstanden, der die kolonisierenden Gesellschaften langfristig nicht weniger verändert hat als die der Kolonisierten – nicht nur hinsichtlich der modernen Kunst, sondern zum Beispiel auch in der Philosophie der Aufklärung.

Die Vorlesungsreihe ist dem Andenken an den Ethnologen Adolf Ellegard Jensen (1899–1965) gewidmet. Jensen wurde 1946 Leiter des Frobenius-Instituts, Direktor des Völkerkundemuseums und der erste Inhaber des Lehrstuhls für Kultur- und Völkerkunde an der Goethe-Universität. Die Vorlesungsreihe, die aus Mitteln der Hahn-Hissink'schen Frobenius-Stiftung finanziert wird, findet einmal jährlich statt. Eingeladen werden renommierte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland.

Die Vorlesungen finden alle in Raum 1.811 im Casinogebäude am Campus Westend statt. Die Teilnahme in Präsenz ist nur Inhabern der Goethe-Card möglich, sie ist begrenzt auf 32 Personen. Die Voranmeldung unter frobenius@em.uni-frankfurt.de gilt dann für alle Termine und ist bis zum 1. Mai möglich.

Auch für die Teilnahme an der Zoom-Runde ist eine Voranmeldung unter frobenius@em.uni-frankfurt.de notwendig. Sie kann jeweils bis zum Vortag des Veranstaltungstermins erfolgen.

Live-Mitschnitte der vergangenen Vorlesungen finden Sie im YouTube-Kanal des Frobenius-Instituts: https://www.youtube.com/user/frobeniusinstitut/videos?sort=dd&view=0&shelf_id=0

Die Termine:

17. Mai
Im Land der Anthropophagen. Die brasilianischen Tupinamba in Anthropologie und postkolonialem Diskurs

31. Mai
Die Irokesen in New York State. Mütter des Feminismus, Väter der amerikanischen Verfassung

7. Juni
Die Aranda Zentralaustraliens. Ursprungsnarrative der Soziologie und Psychoanalyse

14. Juni
Die Dogon in Frankreich. Geschichte einer Obsession

Informationen:
PD Dr. Susanne Fehlings
Frobenius-Institut für kulturanthropologische Forschung
an der Goethe-Universität
Telefon 069 798-33058
fehlings@uni-frankfurt.de
www.frobenius-institut.de

Ein Porträt von Prof. Karl-Heinz Kohl zum Download unter: https://www.uni-frankfurt.de/100214783

Bildtext: Prof. Dr. Karl-Heinz Kohl hält in diesem Jahr die Ad. E. Jensen-Gedächtnisvorlesung. (Foto: Peter Steigerwald)


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & und Kommunikation, Telefon 069 798-13066, E-Mail sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Apr 20 2021
10:59

Experimente zum Verhalten von Knorpelzellen – Untersuchungen sollen Erkenntnisse zum Krankheitsmechanismus bei Arthrose liefern

Parabelflüge mit Goethe-Forscher: Zell-Experimente in der Schwerelosigkeit

Welchen Einfluss die Schwerkraft auf biochemische Vorgänge in Knorpelzellen ausübt, untersuchen Wissenschaftler der Goethe-Universität zusammen mit Kollegen der Hochschule Luzern im Rahmen einer Messkampagne der Europäischen Weltraumagentur ESA. Heute beginnen auf dem Flughafen Bordeaux-Mérignac in Frankreich die Vorbereitungen für eine Reihe von Parabelflügen in der kommenden Woche. Die Experimente vor Ort wird der Doktorand Andreas Hammer von der Goethe-Universität begleiten. Wir berichten auf den universitären Facebook- und Instagram-Kanälen.

FRANKFURT. Knorpelzellen, sogenannte Chondrozyten, reagieren auf die Schwerkraft: Bei länger bettlägerigen Patienten kann es – ebenso wie bei Astronauten, die sich über Wochen und Monate im Weltraum aufhalten – zu Degenerationserscheinungen des Gelenkknorpels kommen.

Zusammen mit Wissenschaftlern der Hochschule Luzern führt der Molekularbiologe Andreas Hammer vom Zero-G-Lab der Goethe-Universität bei Parabelflügen in Frankreich Experimente durch, um das Verhalten von Chrondrozyten in der Schwerelosigkeit zu beobachten. Im Fokus stehen bestimmte Membrankanäle der Chondrozyten, die sich womöglich in Abhängigkeit von mechanischer Belastung öffnen und schließen, um das Signalmolekül Calcium in die Chondrozyten zu lassen.

Bei einem Parabelflug wechselt das Flugzeug nach einem Steilflug in einen freien Fall, währenddessen in seinem Inneren für rund 20 Sekunden Schwerelosigkeit herrscht. In dieser Zeit wird Andreas Hammer seine Experimente durchführen, die Messapparaturen dazu wurden von langer Hand von den Kooperationspartnern in Frankfurt und Luzern vorbereitet und konstruiert. Während der Schwerelosigkeit wird Andreas Hammer die Chondrozyten, die in kleinen Messkammern mit Nährflüssigkeit gezüchtet wurden, mit UV-Licht bestrahlen. Das UV-Licht führt dazu, dass ein künstlich in die Chondrozyten eingeführtes Protein seine Farbe ändert, und zwar in Abhängigkeit von der Calciumkonzentration im Inneren der Zelle. Insgesamt werden während der Kampagne Chondrozyten in mehr als 2.300 kleinen Messkammern unter verschiedenen Bedingungen untersucht. Die Forscher erhoffen sich hieraus nicht nur Erkenntnisse über Knorpeldegenerationen in der Schwerelosigkeit, sondern auch auf der Erde.

Pro Flug werden 31 Parabeln geflogen, was für den Gleichgewichtssinn und den Magen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine große Herausforderung darstellt, zumal gleichzeitig noch Experimente durchgeführt werden sollen. Deswegen erhalten die Mitfliegenden vorab in der Regel ein Medikament gegen Übelkeit.


Bilder
zum Download:
http://www.uni-frankfurt.de/100256147

Bildtext: Mit einem solchen Flugzeug des Unternehmens Novespace (hier am Flughafen Paderborn) wird Doktorand Andreas Hammer in der kommenden Woche zu Parabelflügen abheben. Foto: Simon Wüest, Hochschule Luzern

Social-Media-Kanäle mit Bildern und Berichten zu den Parabelflügen:
Facebook: Goethe-Universität Frankfurt - Startseite | Facebook
Instagram: Goethe-Universität Frankfurt (@goetheunifrankfurt) • Instagram-Fotos und -Videos

Weitere Informationen
Dr. Maik Böhmer
Zero-G-Labor der Goethe-Universität
Goethe-Universität Frankfurt
Tel. 069 798 29296
boehmer@bio.uni-frankfurt.de
https://www.bio.uni-frankfurt.de/78821631/Campaigns


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, E-Mail bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Apr 19 2021
12:54

Für das Projekt „ReScript“ werden Geflüchtete gesucht, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden 

Belastende Fluchterlebnisse mit inneren Bildern verarbeiten

FRANKFURT. Traumafolgestörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei geflüchteten Menschen. Diese Störung kann sich als Reaktion auf ein extrem bedrohliches oder schreckliches Ereignis entwickeln und ist charakterisiert durch Albträume, intensive Erinnerungen an das Trauma, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Schreckhaftigkeit, Angst und andere intensive negative Gefühle und Gedanken. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „ReScript“, das von an der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Goethe-Universität koordiniert wird, untersucht die Wirksamkeit einer kurzen, neuartigen Behandlung, bei der innere Vorstellungsbilder benutzt werden um die mit den Erinnerungen verbundenen schlimmen Gefühle besser verarbeiten zu können. Am Projekt „ReScript“ können erwachsene Menschen teilnehmen, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung leiden und vor Krieg, Bürgerkrieg oder Verfolgung nach Deutschland geflüchtet sind – entweder in den letzten Jahren oder auch schon vor längerer Zeit.

Zum Hintergrund: Weltweit wurden aktuell ca. 80 Millionen Menschen vertrieben, von denen 26 Millionen aus ihrem Heimatland geflüchtet sind (United Nations High Commissioner for Refugees, 2020). Diese Menschen haben oft sowohl im Herkunftsland, auf der Flucht und im Aufnahmeland traumatische und belastende Erfahrungen gemacht. In einer in Deutschland durchgeführten Studie, die Bewohner*innen einer Gemeinschaftsunterkunft untersuchte, berichteten Teilnehmer*innen im Mittel von fünf traumatischen Erfahrungen, zu denen v.a. körperliche Gewalt, bewaffnete Angriffe, schweres menschliches Leid, und sexuelle Gewalt gehörten. In der Studie der United Nations berichten 35% der Geflüchteten von Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung.

In der Behandlung Posttraumatischer Belastungsstörungen ist die Psychotherapie wirksamer als eine Behandlung mit Medikamenten. In der Psychotherapie geflüchteter Menschen gibt es Herausforderungen. Sprachliche oder kulturelle Hürden können einer Therapie im Weg stehen oder Schwierigkeiten wie ein laufendes Asylverfahren, eine belastende Wohnsituation o.ä. können sie erschweren. Die neuartige Behandlungsform kann sehr gut auf die unterschiedlichen Erfahrungen und Werte von Patienten eingehen.

Bei der Beeinflussung von Gefühlen sind innere Bilder dem reinen Sprechen über Ereignisse überlegen.  

Da die neuartige Therapieform – das „Imagery Rescripting“ -  auf den Bedürfnissen und Präferenzen der Patient*innen beruht, kann es sie sehr flexibel auf jeden individuellen Patienten eingehen. Studien zeigen, dass es mit vergleichsweise wenigen Therapiestunden zu einer Besserung der Symptome kommt. Die Therapie kommt ohne ein belastendes Wiedererinnern von Details der traumatischen Erfahrung aus. Die Therapie im Projekt ReScript besteht aus 10 Sitzungen zu je 100 Minuten. Wenn Patient*innen nicht gut genug Deutsch sprechen, kann die Therapie mithilfe eines Dolmetschers oder einer Dolmetscherin stattfinden.

Das Projekt „ReScript“ wird von der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Goethe-Universität aus koordiniert und an insgesamt vier Standorten in Deutschland unter der Leitung von Apl. Prof. Dr. Regina Steil (Frankfurt), Prof. Thomas Ehring (München) und Prof. Nexhmedin Morina (Münster) und Dr. Cornelia Weise sowie Dr. Dr. Ricarda Nater-Mewes (Marburg) durchgeführt.

Kontakt:
Dr. Franziska Lechner-Meichsner, Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie, Institut für Psychologie. Goethe-Universität Frankfurt. Tel.: (069) 798 23909; meichsner@psych.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, E-Mail frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Apr 19 2021
10:33

Hochkarätig besetzte Online-Ringvorlesung der Goethe-Universität untersucht den Umgang der Gesellschaft mit Algorithmen 

Zahlen lügen nicht? Algorithmen zwischen Kontrolle und Vertrauen  

FRANKFURT. Wir begegnen ihnen, wenn wir auf unserem Smartphone Filme empfohlen bekommen, wenn unsere Kreditwürdigkeit statistisch ermittelt wird oder wenn es um die Ermittlung objektiver, „gerechterer“ Strafen geht: Die Rede ist von Algorithmen – und den hinter ihnen stehenden Akteuren –, die zunehmend mehr Dimensionen unseres modernen Lebens vermessen und beeinflussen.

Algorithmen nehmen in Anspruch, „unvollkommene“ menschliche Entscheidungen zu korrigieren und ihnen neue Informationen hinzuzufügen. Die Ringvorlesung „Algorithms – Between Trust and Control“ beleuchtet nun, wie Algorithmen sich auf normative Ordnungen unserer Gesellschaft auswirken und wie diese Änderungen im Spannungsfeld von Vertrauen und Kontrolle zu bewerten sind. Warum und unter welchen Bedingungen etwa vertrauen wir Algorithmen –  vor allem, weil sie womöglich nicht in Rechtfertigungsforen produziert wurden, wo Vertrauen durch soziale Konflikte zustande kommt? Wie viel Kontrolle sollten sie über uns ausüben können, wieviel Kontrolle müssen wir behalten? Können wir mit Algorithmen die Wirkung von Algorithmen kontrollieren und damit eine Metaebene des Vertrauens schaffen? Und wie viel Vertrauen – wenn überhaupt – sollten Algorithmen in uns als Bürger setzen? Müssen sie zum Beispiel davon ausgehen, dass wir ungefährlich und harmlos sind?

Dies sind nur einige der Fragen, die international renommierte Referent*innen in der Ringvorlesung „Algorithms - Between Trust and Control“ aufwerfen, die von Prof. Indra Spiecker gen. Döhmann und Prof. Christoph Burchard verantwortet und vom Forschungsverbund „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main, dem Clusterprojekt „ConTrust“ des Landes Hessen, den Frankfurter Gesprächen zum Informationsrecht des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Umweltrecht, Informationsrecht und Verwaltungswissenschaften und dem Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung veranstaltet wird.

Die Ringvorlesung wird mit folgendem Beitrag eröffnet:

Donnerstag, 22. April 2021, 18.00-19.30 CEST
Never apologise, never explain: (How) can AI rebuild trust after conflicts?
Burkhart Schäfer (University of Edinburgh, Professor of Computational Legal Theory)

Zur Begrüßung sprechen Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Prof. Rainer Forst, Sprecher der Clusterinitiative ConTrust und des Forschungsverbunds „Normative Orders“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main, sowie Prof. Klaus Günther, Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Weitere Termine und Themen im Überblick:

Mittwoch, 5. Mai 2021, 18.00-19.30 CEST
From Eugenics to Big Data: A Genealogy of Criminal Risk Assessment in American Law and Policy
Jonathan Simon (Professor of Criminal Justice Law, UC Berkeley)

Mittwoch, 19. Mai 2021, 18.00-19.30 CEST
„Recommended for You“: Das Informationsproblem in Märkten für Kulturgüter und die Kontrollfunktion von Empfehlungsalgorithmen
Vinzenz Hediger (Professor für Filmwissenschaft, Principle Investigator von „ConTrust“ und „Normative Orders“, Goethe-Universität)

Mittwoch, 27. Mai 2021, 18.00-19.30 CEST
Zahlen lügen nicht? - Von trügerischer Objektivität und historic bias bei algorithmenbasiertem Kreditscoring
Katja Langenbucher (Professorin für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Bankrecht, Goethe-Universität)

Donnerstag, 10. Juni 2021, 18.00-19.30 CEST
Algorithm Watch - Von A wie Accountability bis Z wie Zertifizierung: Kann und sollte eine zivilgesellschaftliche
Kontroll-Organisation zu mehr Vertrauen beim Einsatz von Systemen zum automatisierten Entscheiden beitragen?
Matthias Spielkamp (Algorithm Watch)

Montag, 14. Juni 2021, 18.00-19.30 CEST
Das vermessene Leben
Vera King (Professorin für Soziologie und psychoanalytische Sozialpsychologie, Principle Investigator von „ConTrust“, Goethe-Universität; Geschäftsführende Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts)

Dienstag, 15. Juni 2021, 18.00-19.30 CEST
„Kontrolle trotz(t) Komplexität“: Wie Datenschützer ihre unlösbare Aufgabe bewältigen
Stefan Brink (Landesbeauftragter für den Datenschutz, Baden-Württemberg)

Mittwoch, 23. Juni 2021, 18.00-20.00 Virtueller Roundtable
The Freedom to Deviate in the Algorithmic Society?
Lucia Zedner (Professor of Criminal Justice, Oxford, All Souls College)
Bernard Harcourt (Professor of Law and of Political Science, Columbia Law School)
Frank Pasquale (Professor of Law, Brooklyn Law School)
Christoph Burchard (Professur für Straf- und Strafprozessrecht, Principle Investigator von „ConTrust“ und „Normative Orders“, Goethe-Universität)
Indra Spiecker gen. Döhmann (Professorin für öffentliches Recht, Principle Investigator von „ConTrust“, Goethe-Universität)
Moderation: Jürgen Kaube (Herausgeber, Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Information und Anmeldung: Eine Anmeldung an office@normativeorders.net ist erforderlich. Die Logindaten werden nach Anmeldung übermittelt.

Weitere Informationen unter: www.normativeorders.net/ringvorlesungen

Kontakt: Anke Harms, Referentin für Wissenschaftskommunikation des Forschungsverbunds „Normative Ordnungen“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main, 069/798-31407
anke.harms@normativeorders.net; www.normativeorders.net


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & und Kommunikation, Telefon 069 798-12481, E-Mail p.barth@em.uni-frankfurt.de

 

Apr 16 2021
10:15

Auftakt der Online-Vorlesungsreihe „China auf dem Weg zur führenden Wirtschaftsmacht“ im Rahmen der Stiftungsgastprofessur „Wissenschaft und Gesellschaft“ der Deutsche Bank AG

China: Geschichte, Kultur und Wirtschaft

FRANKFURT. China ist heute die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Die tiefe Integration in die Weltwirtschaft sorgt dafür, dass sowohl die Erfolge als auch die Schwierigkeiten der chinesischen Wirtschaft direkten Einfluss auf das ökonomische Gefüge der gesamten Welt haben. Chinas wirtschaftlicher Aufstieg trägt außerdem dazu bei, die globalen Machtverhältnisse insgesamt zu verschieben. 

Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel der Vortragsreihe „China auf dem Weg zur führenden Wirtschaftsmacht“, einerseits ein allgemeines Bild von der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas in historischer Perspektive zu zeichnen, andererseits aber auch speziellere Entwicklungen anzusprechen und einen Blick in die Zukunft zu wagen. Dabei wird nicht nur Chinas Beziehung zur Weltwirtschaft (als Markt, Wettbewerber und Innovator) beleuchtet, sondern auch die Bedeutung innerchinesischer Politiken und Dynamiken, die in den westlichen Industrieländern kaum wahrgenommen werden.

Den Auftakt der Reihe bildet eine Podiumsdiskussion zum Thema „China: Geschichte, Kultur und Wirtschaft“ unter Beteiligung von Prof. Bertram Schefold (Professor für Wirtschaftstheorie, Goethe-Universität), Prof. Iwo Amelung (Professor für Sinologie, Goethe-Universität) und Prof. Michael Lackner (Professor für Sinologie, Universität Erlangen-Nürnberg) am 22. April um 18.15 Uhr. 

Weiterführende Informationen zur Reihe sowie zur Anmeldung sind unter www.uni-frankfurt.de/deutsche-bank-stiftungsgastprofessur abrufbar.

Weitere Vorträge in der Reihe:

29.04.2021, 18.15 Uhr: Prof. Andrea Bréard (Universität Erlangen-Nürnberg):
„Wirtschaft und die Kunst der großen Zahlen. Wie verlässlich sind Chinas Statistiken?“

20.05.2021, 18.15 Uhr: Prof. Elisabeth Köll (University of Notre Dame): „Die Rolle der Eisenbahn in der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas: Von Dampf bis High-Speed“

27.05.2021, 18.15 Uhr: Prof. Doris Fischer (Universität Würzburg): „Chinas Industrie- und Innovationspolitik: Flaschengeist oder Scheinriese?“

10.06.2021, 18.15 Uhr: Prof. Isabella Weber (University of Massachusetts, Amherst): „Der Kampf um Chinas Wirtschaftsreformen: Historische Wurzeln eines neuen Wirtschaftssystems“

17.06.2021, 12.15 Uhr: Prof. Justin Yifu Lin (Universität Peking): „China's Rejuvenation: The Likelihood and Impacts" (in englischer Sprache)

24.06.2021, 18.15 Uhr: Prof. Barry Naughton (University of California, San Diego): „The New State Steerage in China" (in englischer Sprache)

01.07.2021, 12.15 Uhr: Jörg Wuttke (Handelskammer der Europäischen Union in China): „Chinas Wirtschaft und das Ausland: Ein Rätsel innerhalb eines Geheimnisses, umgeben von einem Mysterium“

15.07.2021, 18.15 Uhr: Prof. Matthias Niedenführ (Universität Tübingen): „Konfuzianische Unternehmer – Kulturelles Kapital als Erfolgsfaktor?“

Zur Stiftungsgastprofessur „Wissenschaft und Gesellschaft“ der Deutsche Bank AG

Die Stiftungsgastprofessur „Wissenschaft und Gesellschaft“ der Deutsche Bank AG wurde im Jahr 1985 ins Leben gerufen. Erklärter Wille der Stifterin ist es, Brücken zu schlagen zwischen Bürgern der Stadt und Region einerseits und der Forschung andererseits, um anhand wissenschaftlicher Expertise und ihrer verständlichen Vermittlung Orientierung in einer Welt der globalen Umwälzungsprozesse zu bieten. In populärwissenschaftlichen Ringvorlesungen und Einzelvorträgen international renommierter Wissenschaftler werden die Wechselbeziehungen innerhalb der Wissenschaften, insbesondere zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, aber auch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft beleuchtet. In Kooperation mit dem Interdisziplinären Zentrum für Ostasienstudien und dem China-Institut an der Goethe Universität Frankfurt am Main e. V.

Weitere Informationen
Prof. Dr. Iwo Amelung
Fachbereich Sprach- und Kulturwissenschaften/Sinologie
Goethe-Universität
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Apr 15 2021
14:46

Internationale Wissenschaftler fordern ethische Richtlinien für Kontrollstudien zu weltweiten Maßnahmen gegen den Klimawandel

Wohlhabendere Länder im Vorteil

195 Vertragspartner haben auf dem Pariser Klimagipfel 2015 Maßnahmen gegen den Klimawandel beschlossen. Wer in der Folge wieviel Treibhausgase reduziert hat, wird derzeit weltweit in zahlreichen Studien untersucht. Doch an welchen ethischen Kriterien wird der Erfolg der Maßnahmen gemessen? Eine Analyse der Prüfkriterien legt nun ein Zusammenschluss internationaler Philosophen sowie Sozial- und Politikwissenschaftler vor, denen auch Prof. Dr. Darrel Moellendorf, Politikwissenschaftler an der Goethe-Universität, angehört.

FRANKFURT. Zehn von sechzehn untersuchten Studien zur Bewertung der weitweiten Anstrengungen gegen den Klimawandel urteilen nach Kriterien, die „voreingenommen und stark vereinfachend sind“. Damit bevorteilten sie vor allem die wohlhabenden Länder der Erde. Zu diesem Schluss kommen 18 internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Studie „Ethical choices behind quantifications of fair contributions under the Paris Agreement“, an der auch der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Darrel Moellendorf beteiligt ist. Im Vorfeld des für November in Glasgow geplanten Weltklimagipfels fordern sie deshalb, diese Kriterien transparent zu machen und politisch zur Diskussion zu stellen.

„Viele dieser Bewertungen von Klimagerechtigkeit gelten als neutral und unabhängig, was sie aber nicht sind und vielleicht auch gar nicht sein können“, sagt Darrel Moellendorf, Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Umweltethik an der Goethe-Universität. „Wir müssen über diese Kriterien nachdenken, bevor auf Grundlage dieser Studien neue Beschlüsse gefasst werden. Andernfalls wird es weiterhin keine Klimagerechtigkeit geben. Und Klimagerechtigkeit bedeutet: Länder, die eine größere Kapazität haben, gegen den Klimawandel vorzugehen, müssen auch größere Anstrengungen unternehmen.“

Selbst der anerkannten und als unabhängig geltenden wissenschaftlichen Analyse „Climate Action Tracker“ (CAT), die von Medien, Regierungen und der Zivilgesellschaft zur Einschätzung klimagerechter Schritte herangezogen wird, attestieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Kriterien, die wohlhabendere Länder bevorzugen. So liege etwa auch in CAT-Analysen das in der Europäischen Union praktizierte Grandfathering-Prinzip zugrunde – wenn auch „tief im Innern ihres Maschinenraums versteckt“, so die Wissenschaftler: Nach dem Grandfathering-Prinzip erhalten Anlagen kostenlose Zertifikate gemäß ihren bisherigen Emissionen. Dieses Prinzip benachteilige Anlagen, die früher weniger durch Emissionen zum Klimawandel beigetragen hätten. Zu einer Schieflage in der Bewertung von Klimagerechtigkeit führe zudem auch, dass die „Not“ mancher Länder, also deren schwächere ökonomische Lage, bei der Beurteilung ihrer Klimagerechtigkeit nicht berücksichtigt werde.

„Die Studien sollten diese unterschiedlichen Ausgangslagen der Länder offenlegen“, sagt Moellendorf. „Auch sollte die größere Verantwortung der Industrienationen in die Bewertung von klimagerechtem Handeln einfließen. Und wir sollten uns darüber klar sein, dass es eine völlig neutrale Bewertung von Klimagerechtigkeit nicht gibt. Nach welchen Kriterien wir sie beurteilen, sollte aber transparent gemacht werden und auch politisch diskutiert werden.“ 

Neben dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Darrel Moellendorf der Goethe-Universität sind folgende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Studie beteiligt:

Kate Dooley, University of Melbourne; Christian Holz, Carleton University,Ottawa; Sivan Kartha, Stockholm Environment Institute, Boston; Sonja Klinsky, Arizona State University; Timmons Roberts,, Brown University, Rhode Island; Henry Shue, University of Oxford; Harald Winkler, University of Cape Town; Tom Athanasiou, Climate Equity Reference Project, Berkeley; Simon Caney, University of Warwick; Elizabeth Cripps, University of Edinburgh; Navroz K. Dubash, Centre for Policy Research, New-Delhi; Galen Hall, Brown University; Paul G. Harris, Education University of Hong Kong; Bård Lahn, CICERO Center for International Climate Research, Oslo; Benito Müller, University of Oxford; Ambuj Sagar, Indian Institute of Technology, Delhi; Peter Singer, Princeton University.

Publikation in „Nature Climate Change“:
https://dx.doi.org/10.1038/s41558-021-01015-8

Weitere Informationen
Prof. Dr. Darrel Moellendorf
Institut für Politikwissenschaft/ Forschungsverbund „Normative Ordnungen“
Goethe-Universität Frankfurt
E-Mail: darrel.moellendorf@normativeorders.net


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, p.barth@em.uni-frankfurt.de  

 

Apr 14 2021
11:48

Wissenschaftler von Goethe-Universität und Universität Bristol (Großbritannien) finden Bienenwachsreste in prähistorischer Keramik der westafrikanischen Nok-Kultur

3500 Jahre alter Honigtopf: Ältester direkter Nachweis für Honig-Nutzung in Afrika

Bevor das Zuckerrohr und die Zuckerrübe die Welt eroberten, war Honig weltweit das wichtigste Naturprodukt zum Süßen. Den ältesten direkten Nachweis für die Nutzung von Honig in Afrika haben nun Archäologen der Goethe-Universität in Kooperation mit Chemikern der Universität Bristol erbracht. Sie nutzten dafür die chemischen Nahrungsmittelrückstände in Keramikscherben, die sie in Nigeria gefunden hatten. (Nature Communications, DOI 10.1038/s41467-021-22425-4)

FRANKFURT. Honig ist das älteste Süßungsmittel der Menschheit – und war tausende von Jahren wohl auch das einzige. Indirekte Hinweise für die Bedeutung der Bienen und der von ihnen erzeugte Produkte liefern zum Beispiel prähistorische Felsbilder von verschiedenen Kontinenten, die vor 8000 bis 40.000 Jahren entstanden sind. Altägyptischen Reliefs geben Hinweise auf die Bienenzucht bereits 2600 Jahre vor Christus. Doch für das subsaharische Afrika fehlte bisher ein direkter archäologischer Nachweis. Mit der Untersuchung von chemischen Nahrungsmittelrückständen in Keramikscherben hat sich das Bild grundlegend geändert. Archäologen der Goethe-Universität konnten jetzt in Kooperation mit Chemikern der Universität Bristol Bienenwachsreste in 3500 Jahre alten Keramikscherben der Nok-Kultur identifizieren.

Die Nok-Kultur in Zentral-Nigeria datiert zwischen 1500 vor Christus und der Zeitenwende und ist vor allem durch ihre bis zu lebensgroßen Terrakotta-Skulpturen bekannt. Sie stellen die älteste figurative Kunst Afrikas dar. Bis vor wenigen Jahren war vollständig unbekannt, in welchem gesellschaftlichen Kontext diese Skulpturen entstanden sind. In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt haben Wissenschaftler der Goethe-Universität über zwölf Jahre lang die Nok-Kultur in all ihren archäologischen Facetten untersucht. Neben Siedlungsweise, Chronologie und Bedeutung der Terrakotten waren Wirtschaft und Ernährung ein Schwerpunkt der Forschung.

Hatten die Menschen der Nok-Kultur Haustiere oder waren sie Jäger? Üblicherweise benutzten Archäologen zur Klärung dieser Frage Tierknochen aus den Ausgrabungen. Was aber, wenn der Boden so sauer ist, dass Knochen sich nicht erhalten, so wie es im Nok-Gebiet der Fall ist?

Hier eröffnet die Untersuchung von molekularen Nahrungsmittel-Rückständen in Keramik neue Möglichkeiten. Denn bei der Verarbeitung von Pflanzen- und Tierprodukten in Tontöpfen werden stabile chemische Verbindungen freigesetzt, vor allem Fettsäuren (Lipide). Diese können in den Poren der Gefäßwand über Tausende von Jahren erhalten bleiben und sind mit Hilfe der Gaschromatographie nachweisbar.

Zur großen Überraschung der Forscher fanden sich außer den Resten von Wildtieren zahlreiche andere Bestandteile, die das bisher bekannte Spektrum der genutzten Tiere und Pflanzen erheblich erweitern. Vor allem an ein Tier hatte sie nicht gedacht: die Honigbiene. Ein Drittel der untersuchten Scherben enthielt hochmolekulare Lipide, die typisch für Bienenwachs sind.

Welche Bienenprodukte die Menschen der Nok-Kultur nutzten, lässt sich aus den Lipiden nicht rekonstruieren. Am wahrscheinlichsten ist es, dass sie den Honig in den Töpfen durch Erhitzen von den wachshaltigen Waben trennten. Aber auch die Verarbeitung von Honig zusammen mit anderen tierischen oder pflanzlichen Rohstoffen oder die Herstellung von Met sind denkbar. Das Wachs selber könnte für technische oder medizinische Zwecke gedient haben. Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von Tontöpfen als Bienenstöcke, so wie es in heutigen traditionellen Gesellschaften Afrikas noch praktiziert wird.

„Wir haben diese Studie mit den Kollegen aus Bristol begonnen, weil wir wissen wollten, ob die Nok-Leute Haustiere hatten,“ erläutert Professor Peter Breunig von der Goethe-Universität, der das archäologische Nok-Projekt leitet. „Dass Honig auf ihrem täglichen Speisezettel stand, war für uns völlig unerwartet und ist in der Vorgeschichte Afrikas bisher einzigartig.“

Dr. Julie Dunne von der University of Bristol, Erstautorin der Studie, sagt: „Dies ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie biomolekulare Information aus prähistorischen Tonscherben in Kombination mit ethnographischen Daten Einsichten gewährt in die Nutzung von Honig vor 3500 Jahren.“

Professor Richard Evershed, Leiter des Instituts für Organische Chemie an der Universität Bristol und Co-Autor der Studie, weist darauf hin, dass die besondere Beziehung zwischen Mensch und Honigbiene schon in der Antike bekannt war. „Aber die Entdeckung von Bienenwachsresten in der Nok-Keramik ermöglicht einen ganz besonderen Einblick in diese Beziehung, weil dort alle andere Quellen fehlen.“

Professor Katharina Neumann, an der Goethe-Universität zuständig für die Archäobotanik im Nok-Projekt, sagt: „Pflanzen- und Tierreste aus archäologischen Ausgrabungen spiegeln nur einen kleinen Ausschnitt von dem wieder, was die Menschen in der Vorgeschichte gegessen haben. Die chemischen Rückstände machen bisher unsichtbare Komponenten der prähistorischen Ernährung sichtbar.“ Der erste direkte Nachweis von Bienenwachs eröffne faszinierende Perspektiven für die Archäologie Afrikas. Neumann: „Wir nehmen an, dass die Nutzung von Honig in Afrika eine sehr lange Tradition hat. Die älteste Keramik des Kontinents ist etwa 11.000 Jahre alt. Enthält sie vielleicht auch Bienenwachsreste? In Archiven weltweit liegen tausende von Keramikscherben aus archäologischen Grabungen, die nur darauf warten, ihre chemischen Geheimnisse durch die Gaschromatographie zu enthüllen und dadurch ein konkreteres Bild vom täglichen Leben und der Ernährung der prähistorischen Menschen zu zeichnen.“

Publikation: Julie Dunne, Alexa Höhn, Gabriele Franke, Katharina Neumann, Peter Breunig, Toby Gillard, Caitlin Walton-Doyle1, Richard P. Evershed Honey-collecting in prehistoric West Africa from 3500 years ago. Nature Communications https://doi.org/10.1038/s41467-021-22425-4

Bilder zum Download:

http://www.uni-frankfurt.de/100070440
In solchen 3500 Jahre alten Tongefäßen der Nok-Kultur konnten Spuren von Bienenwachs nachgewiesen werden (Foto: Peter Breunig, Goethe-Universität Frankfurt)

http://www.uni-frankfurt.de/100070081
Dr. Gabriele Franke, Archäologin der Goethe-Universität, bei der Dokumentation ausgegrabener Tongefäßen in der Nok-Forschungsstation in Janjala, Nigeria, im August 2016. In solchen Tongefäßen konnten Spuren von Bienenwachs nachgewiesen werden (Foto Peter Breunig, Goethe-Universität Frankfurt

http://www.uni-frankfurt.de/100070175
Auch heute noch beliebt: Grabungsmitarbeiter essen frisch gesammelten wilden Honig (Foto: Peter Breunig, Goethe-Universität Frankfurt)

http://www.uni-frankfurt.de/100070146
Bekannt ist die Nok-Kultur im heutigen Nigeria für ihre Terrakottafiguren (Foto: Peter Breunig, Goethe-Universität Frankfurt)


Weitere Informationen

Prof. Dr. Katharina Neumann
Institut für Archäologische Wissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Tel.: 069 798-32292
k.neumann@em.uni-frankfurt.de
http://araf.studiumdigitale.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Apr 13 2021
11:08

Renommierte Auszeichnung für wissenschafts- und hochschulpolitische Themen wird 2021 zum siebten Mal seit 2008 verliehen

Goethe Medienpreis prämiert journalistische „Grenzfälle“

FRANKFURT. Drei „Grenzfälle“ stehen im Fokus der Verleihung des diesjährigen Goethe-Medienpreises für wissenschafts- und hochschulpolitischen Journalismus an drei herausragende Autorenteams bzw. Einzelautoren renommierter Medien.

Prämiert werden drei Arbeiten, die 2019 und 2020 im SZ-Magazin der Süddeutschen Zeitung, der Wochenzeitung DIE ZEIT sowie im Norddeutschen Rundfunk publiziert wurden. Ihre Themen berühren Grenzen und Grenzgebiete ganz unterschiedlicher Art:

Für die Süddeutsche Zeitung gehen Patrick Bauer, Patrick Illinger und Till Krause in einer tief schürfenden Recherche dem Fall des Tübinger Professors Nils Bierbaumer nach, der behauptete, die Gedanken von unheilbar an der Nervenkrankheit ALS leidender Patienten entschlüsseln zu können. Dabei treten jedoch immer größer werdende Unstimmigkeiten zwischen Datenlage und öffentlichen Erfolgsmeldungen auf. Insbesondere die Daten, auf denen die vermeintlichen Forschungsergebnisse basieren, können bei Nachprüfungen von anderen Experten nicht nachvollzogen werden. Die Jury erkannte dieser auch journalistisch herausragend umgesetzten Arbeit („Wunschdenken“, erschienen am 11.4.2019 im SZ-Magazin) den ersten Preis zu, der mit 4000 € dotiert ist.

In ein völlig anderes – digitales – Grenzgebiet wagt sich die Journalistin Nele Rößler vor: Sie beschreibt den drastisch steigenden Einfluss so genannter „Modellierungen“ auf politische Entscheidungsprozesse, was öffentlich bisher kaum bekannt ist. Modellierungen sind mathematische Berechnungen, die in verschiedenen Varianten existieren. Sie kommen beispielsweise in der Klimaforschung zum Einsatz, auch in der COVID-19-Forschung: Nele Rößler bringt nach einem aufwändigen Rechercheprozess in ihrem Podcast („Modellierungen – Nerdwissen im Fokus“, gesendet am 22.5.2020 im NDR) Licht ins Dunkle dieses Grenzgebiets zwischen digitalem Hintergrundwissen und politischen Entscheidungsstrukturen und erhält dafür von der Jury den mit 1800 € dotierten zweiten Preis.

Die mit 1000 € dotierte dritte Preisträgerarbeit von Martina Keller („Tod wider Willen“, erschienen am 10.6.2020 in DIE ZEIT), führt die Leserinnen und Leser in das Grenzgebiet zwischen Leben und Tod – in diesem Fall in das ambivalente Gebiet der Sterbehilfe in den Niederlanden. Keller schildert auf Basis einer sehr fundierten Recherche das Schicksal einer dementen Patientin, die trotz eines nicht eindeutig artikulierten Willens durch ihre behandelnde Ärztin zu Tode gebracht wird. Sie nimmt diesen Fall zum Anlass, auf der Basis von Expertenmeinungen ein grundsätzliches Panorama von Befürwortern und Gegnern einer Sterbehilfepraxis zu Wort kommen zu lassen. Es zeigt sich, als wie fragil „letzte“ Willenserklärungen von Sterbewilligen einzuschätzen sind.

Der Präsident der Goethe-Universität, Prof. Dr. Enrico Schleiff, sagte: „Der Goethe-Medienpreis zeigt, in wie vielfältiger und zum Teil überraschender Weise sich ein hoher Qualitätsanspruch im wissenschafts- und hochschulpolitischen Journalismus realisieren lässt. Die von der Jury ausgewählten Themen sind nicht nur von hoher gesellschaftlicher Relevanz, sondern auch ein Dokument von hoher wissenschaftlicher Selbstreflektion, was zur besseren Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Gesellschaft beiträgt. Damit gehen vom Goethe-Medienpreis immer wieder wertvolle Denkanstöße für Wissenschaft, Gesellschaft und Politik aus. Wir danken unseren Partnern, der FAZIT-Stiftung und dem Deutschen Hochschulverband, für ihr langjähriges Engagement.“

Für die Jury erklärte der frühere Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Werner D´Inka: „Die ausgezeichneten Arbeiten sind Musterbeispiele für sorgfältige Recherche, kenntnisreiche Darstellung und für eine Sprache, die ihrem Thema gerecht wird. Wer meint, der nachforschende, nachfragende, nachhakende Journalismus sei von gestern, wer findet, eine flotte Schreibe sei doch lässiger als das Abwägen von Für und Wider, wer glaubt, dem Prinzip „Keine Ahnung, Hauptsache Meinung“ gehöre die Zukunft, muss nach Lektüre der Beiträge von Patrick Bauer, Patrick lllinger und Till Krause sowie von Nele Rößler und von Martina Keller ganz kleinlaut werden. Die Jury findet: Das ist Journalismus par excellence, heute und auch noch in hundert Jahren.“

Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Prof. Dr. Bernhard Kempen, betonte: „In einer zunehmend ,verwissenschaftlichten' Welt sind Journalistinnen und Journalisten nicht nur unverzichtbare Vermittler, die oftmals hochspezialisierte wissenschaftliche Erkenntnisse allgemein verständlich übersetzen helfen. Sie müssen vor allem auch kritische, ja manchmal unbequeme Beobachterinnen und Beobachter sein, die Fehlentwicklungen in der Wissenschaft aufdecken und zu grundlegenden Reflexionen anregen. Mein herzlicher Glückwunsch geht an die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger, die dies in herausragender Weise tun. Sie stehen mit ihren Arbeiten für qualitätsbewussten wissenschafts- und hochschulpolitischen Journalismus, den der Goethe-Medienpreis als bundesweit erste Auszeichnung im zweijährigen Rhythmus seit 2008 prämiert. Angesichts anhaltender redaktioneller Schrumpfkuren ist diese Auszeichnung wichtiger denn je, weil sie den Wert von Qualitätsjournalismus unterstreicht.“


Der Goethe-Medienpreis ging 2020 in die siebte Ausschreibungsrunde. 2008 auf Initiative der Goethe-Universität gegründet und von der FAZIT-Stiftung sowie dem DHV mitgefördert, ist er bis heute die einzige Auszeichnung im deutschsprachigen Raum, bei der ausschließlich die Arbeiten wissenschafts- und hochschulpolitisch tätiger Journalisten im Fokus stehen. Seit 2008 wurden 18 Preisträgerinnen und Preisträger prämiert und Preisgelder in Höhe von insgesamt fast 45.000 Euro in den Kategorien Print, Online und Hörfunk vergeben. Die Jury aus renommierten Fachleuten (s.u.) hatte in dieser Zeit die Qual der Wahl zwischen fast 300 Bewerbungen zumeist überregionaler Leitmedien. Damit hat sich der Goethe-Medienpreis als unabhängige Auszeichnung im breiten Feld der mehr als 300 deutschen Journalistenpreise etabliert.

Der Goethe-Medienpreis wird am 31. Mai 2021 im Rahmen der „Gala der Deutschen Wissenschaft“ des DHV verliehen. Die Gala, die ausschließlich online stattfinden wird, wird gestreamt.


Redaktion: Dr. Olaf Kaltenborn, Leiter PR & Kommunikation, Tel: 069 798-13035, Fax: 069 798-763 12531, kaltenborn@pvw.uni-frankfurt.de

 

Apr 13 2021
10:39

In Europa einzigartige Börsensimulation LiveX der Goethe-Universität nun auch von der Deutsche Börse Capital Markets Academy genutzt

Die Welt der Börse realistisch simulieren

FRANKFURT. Verschiedene Börsen im In- und Ausland nutzen sie, und zahlreiche europäische Spitzenuniversitäten nutzen sie auch: Die Rede ist von der in Europa einzigartigen Börsensimulation LiveX, die von Wirtschaftsinformatikern der Goethe-Universität Frankfurt entwickelt worden ist und die nun auch die Deutsche Börse als Nutzerin verzeichnen kann. Bei der Capital Markets Academy, dem Trainingsanbieter der Deutschen Börse, können Teilnehmer im Zertifikatslehrgang „Börsenhändler Kassamarkt“ jetzt ihr erworbenes Wissen in der Handelssimulation LiveX in realistischen Situationen anwenden.

Anders als einfache Börsensimulationsprogramme, die Privatanleger ausschnitthaft den Handel an der Börse erproben lassen, simuliert LiveX das reale Geschehen an europäischen Börsen in seiner gesamten Komplexität: Dazu gehören nicht nur alle Marktmodelle auf Xetra, dem vollelektronischen Handelsplatz der Deutschen Börse, wie etwa fortlaufender Handel mit Auktionen. Auch andere Handelssysteme wie Multilateral Trading Facilities (MTF) oder der Handel in Dark Pools, in denen die Wertpapieraufträge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht sichtbar sind, werden in LiveX abgebildet. Damit bietet das Team um den Wirtschaftsinformatiker Prof. Peter Gomber ein in Europa einzigartiges Simulationsprogramm an – der Grund, warum LiveX von deutschen und europäischen Spitzenuniversitäten sowie von internationalen Börsenorganisationen in der Weiterbildung eingesetzt wird.

In der Pandemie hat das Team die Markt- und Trading-Simulationssoftware darüber hinaus zu einer cloudbasierten Lösung weiterentwickelt. Damit ist die zuvor von einer Laborumgebung abhängige Nutzung von LiveX rund um die Uhr unabhängig vom Standort aller Teilnehmenden möglich.

Wirtschaftsinformatiker Prof. Peter Gomber von der Goethe-Universität ist stolz darauf, die Academy der Deutschen Börse als neuen Lizenznehmer gewonnen zu haben: „Die Capital Markets Academy der Deutsche Börse AG bietet seit vielen Jahren innovative Qualifizierungsangebote mit hohem Praxisbezug und digitalen Lernformaten an. Mit der aktuellen LiveX Cloud-Version bieten sich eine wesentlich erhöhte Flexibilität und innovative Einsatzmöglichkeiten in der Weiterbildung auf dem Gebiet des modernen Wertpapierhandels“.

Ulf Mayer, Head of Capital Markets Academy der Deutsche Börse AG, betont: „Unsere Teilnehmer geben uns sehr positive Rückmeldungen zu den LiveX-Simulationen. LiveX bildet den Börsenhandel sehr realistisch ab und ist auch in einer rein digitalen Ausbildung zum Verständnis von Marktstrukturen und Handelsabläufen hervorragend geeignet.“

Weitere Informationen zu:

LiveX der Universität Frankfurt: livex.uni-frankfurt.de
Capital Markets Academy: academy.deutsche-boerse.com

Weitere Informationen
Prof. Dr. Peter Gomber
Abteilung Wirtschaftsinformatik und Informationswirtschaft
Professur für e-Finance
Goethe-Universität
gomber@wiwi.uni-frankfurt.de


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, p.barth@em.uni-frankfurt.de

 

Apr 8 2021
12:11

Erstmals Campusgärten auf dem Riedberg und im Westend: PermaKulturInseln der Goethe-Universität sollen Begegnungsorte der Stadt sein

„Unsere PermaKulturInseln sollen ein Modell für Frankfurt werden“

Gemüsegarten, grüne Oase, Forschungsstätte und Bildungsort: Die neuen Campusgärten der Goethe-Universität sollen weit mehr bieten als das Ernten von Obst und Gemüse. Dazu haben sich Studierende mit der Initiative Goethe's Green Office, dem Wissenschaftsgarten der Universität, dem AStA sowie dem Arbeitskreis „PermaKulturInseln“ der GemüseheldInnen und des Ernährungsrats Frankfurt zusammengetan.

FRANKFURT. Abends nach der Arbeit auf dem Campus Westend einen Salatkopf pflücken? Dazu Erdbeeren, Kartoffeln und Kürbisse ernten und Kräuter zupfen? Gemeinsam mit anderen Städterinnen und Städtern Unkraut jäten, sich an Wasserstellen, Wildblumen und Gemüsebeeten erfreuen? Was vollkommen märchenhaft klingt, wird mit der Zusage der Universität zu PermaKulturInseln auf dem Campus bald schon Wirklichkeit werden.

„Als Biologe freue ich mich natürlich ganz besonders über die Initiative unserer Studentinnen und Studenten und habe sie auch nachdrücklich unterstützt“, begrüßt Prof. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, das Projekt. „Die Permakulturgärten bieten ja nicht nur lokal ganz konkrete Lösungen für globale Umweltprobleme und helfen uns dabei, dazu weiter zu forschen. Sie zeigen außerdem aufs Schönste, wie Universität und Stadt miteinander verbunden sind: durch junge Menschen mit kreativen Ideen und der Entschlossenheit, diese Ideen vor Ort, inmitten der Stadt, inmitten der Universität, umzusetzen.“

Erste Schritte auf dem Weg zu den PermaKulturInseln sind die Studierenden mit den GemüseheldInnen und dem Ernährungsrat, beide getragen vom Verein BIONALES e.V. - Bürger für regionale Landwirtschaft und Ernährung, schon gegangen: Für die verwilderten Campusflächen wurden Konzepte erdacht, Beete angelegt, Samen in die Erde gebracht und Jungpflanzen angezogen – dass der biozertifizierte Kohlrabi „Enrico“ mit seinem Namen eine lockere Verbindung zum Unipräsidenten herstellt, ist durchaus beabsichtigt. Unterstützt wurden die Studierenden von Robert Anton, dem Leiter des Wissenschaftsgartens und universitärer Ansprechpartner für die Campusgärten. „Mit seiner Hilfe konnten die Flächen noch rechtzeitig vor dem Vogelschutz vorbereitet werden“, freut sich Campusgärtner Silas Büse. „Jetzt sind wir unglaublich glücklich, zur Tat schreiten zu können. Bei vielen Studierenden kommt das Projekt bereits sehr gut an.“

800 Quadratmeter auf dem Riedberg und 2.000 Quadratmeter auf dem Campus Westend hat die Universität derzeit für Permakultur bereitgestellt. Will heißen: für hochproduktive essbare Ökosysteme, die dauerhaft funktionieren. Um das zu erreichen, werden traditionelle Methoden mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen verknüpft. Oder in den Worten von Juliane Ranck und Laura Setzer, den Gründerinnen der „GemüseheldInnen“: „In der Permakultur wird jedes Element so platziert, dass es sich optimal entfalten kann.“ Dies gilt für alle am System Teilhabenden: Pflanze, Tier, Mensch und ihre Umgebung.

Vielfalt zählt: Für die Campusgärten bedeutet dies, „dass bestehende Habitate um geeignete Elemente ergänzt werden – wie Obstbäume, Wildobststräucher, Totholzhecken, Kompost, Gemüsebeete oder Feuchtbiotope“, erklärt Moritz Schmitthenner vom Goethe's Green Office, Student der Politikwissenschaft und Soziologie. „So stehen beispielweise Sumpfdotterblumen unter schattenspendenden Obstbäumen neben mediterranem Gemüse und duftenden Kräuterspiralen.“ Maximale Artenvielfalt auf minimaler Fläche könne zudem bis zu zehnmal produktiver sein als konventioneller Ökolandbau, wissen die Campusgärtnerinnen und –gärtner. Und: „Allein die Ästhetik dieses biodiversen Naturschauspiels hat einen besonderen Wert und kann dem Wohlbefinden des Menschen unglaublich guttun. Das bringt wiederum auch einen ökonomischen und gesellschaftlichen Wert mit sich“, sagt Silas Büse. 

Überhaupt ist das Team mit inzwischen mehr als 40 Mitgliedern rundum bestens ausgebildet: Viele „Gemüseheldinnen“ haben internationale Kurse über Permakultur und Market Gardening besucht und absolvieren derzeit das Basisjahr der dreijährigen Ausbildung zur Permakultur-Designerin; dass im Garten statt Umgraben umfangreiches Mulchen angesagt ist, gehört inzwischen zu ihren Grundkenntnissen. Andere Campusgärtner*innen bringen Wissen aus naturwissenschaftlichen Studiengängen ein. „In unserem Studium lernen wir, was z.B. in der Landwirtschaft falsch läuft und wie sie unsere Erde nachhaltig beeinträchtigt“, sagt Umweltwissenschaftler Silas Büse. Städtische PermaKulturInseln bedeuten deshalb auch, Auswege aus dem „Falschen“ zu suchen und konstruktive Lösungen aufzuzeigen. Es versteht sich bei dem universitären Projekt von selbst, dass es wissenschaftlich begleitet wird – aktuell z.B. durch umweltanalytische Bodenbeprobung der Bodenbeschaffenheit und der chemischen Belastung. Alle Schritte in der Gartenentwicklung werden akribisch dokumentiert, damit das Projekt Schule machen kann. „Wir wollen, dass unsere essbaren Inseln in Frankfurt zu einem Modellprojekt werden, das anderen Städten und Universitäten als Vorbild dient“, sagen die Campusgärtner*innen.

Was auf dem Campus geschieht, soll in die Stadt hineinwirken. Und dies geht das Team methodisch an. Von der Miquelallee in Richtung Campus Westend wird bald ein mehrere Meter breiter Banner zu lesen sein: „Stadtgemüse: Frankfurter Studierende bauen an“. Anwohnerinnen und Anwohner des Riedbergs haben bei der vor ihren Häusern wachsenden Gartenanlage bereits ihre Mitarbeit angeboten, ein Kindergarten in der Nähe des Campusgartens Westend hat Interesse an regelmäßigen Besuchen bekundet. Aktive Neugierde ist ganz im Sinne der Campusgärtner*innen, die ohnehin „Bildungstransfer“ auf ihrer Agenda stehen haben. In den Campusgärten sollen Kurse für alle Lebensalter angeboten werden. Jeder kann mitmachen und ernten. Dabei ist Inklusion mitgedacht, wenn etwa Hochbeete für Menschen im Rollstuhl angelegt werden sollen. Das Miniaturmodell einer PermaKulturInsel macht das Projekt in Kürze bei der Ausstellung „Gärtnern Jetzt“ im Historischen Museum bekannt. Und am 24. Juni wird das Buch von Laura Setzer und Juliane Ranck veröffentlicht: „Urban Farming. Gemüse anbauen, gemeinschaftlich gärtnern, Ernährungssouveränität schaffen“.

Auch die Finanzierung ist bedacht. Der Ernährungsrat Frankfurt unterstützt das Projekt bereits, ein Antrag auf weitere Förderung beim Land Hessen ist gestellt. Um die Kosten möglichst gering zu halten, gehen die Campusgärtner*innen ganz im Sinne der Permakultur vom Naheliegenden aus: Was ist schon vorhanden? Was können wir nutzen? Wo gibt es „Abfall“, der in einen Kreislauf eingebracht werden kann? Das städtische Entsorgungsunternehmen (FES) versorgt die PermaKulturInsel auf dem Campus Westend mit hochwertiger Komposterde und Holzhäckseln, die Insel auf dem Riedberg profitiert vom Grünschnitt des Wissenschaftsgartens. „Wir brauchen allerdings noch eine Menge Beerensträucher“, sagt Campusgärtner und Philosophiestudent Emil Unkrig. „Über Sachspenden würden wir uns sehr freuen!“

Vom Kohlrabi „Enrico“ bis zum Klimawandel - neben der Arbeit mit Erde und Spaten geht es bei den PermaKulturInseln um das große Ganze: „Wir wollen eine positive Vision verwirklichen“, sagt Juliane Ranck. Die ersten Schritte auf dem Weg dorthin beginnen hier und jetzt, auf den Campi der Goethe-Universität.

Bilder zum Download: http://www.uni-frankfurt.de/99832626

Bildtext:
(Bild 1) Jeder kann mitmachen und ernten: Erste Beete der PermaKulturInsel auf dem Campus Westend (Bildnachweis: Campusgärten)
(Bild 2) „In der Permakultur wird jedes Element so platziert, dass es sich optimal entfalten kann“: Bau einer Kräuterspirale auf dem Campus Riedberg
(Bildnachweis: Campusgärten)

Weitere Informationen
kontakt@goethesgreenoffice.de (Kontakt für Campus Westend und Campus Riedberg)
permakultur-riedberg@protonmail.com (Kontakt für Campus Riedberg)
www.gemuseheldinnen-frankfurt.de
www.ernaehrungsrat-frankfurt.dewww.bionales.de


Redaktion: Pia Barth, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531, p.barth@em.uni-frankfurt.de

 

Apr 8 2021
11:22

Im aktuellen UniReport bilanzieren die Politikwissenschaftler Thomas Zittel, Christian Stecker und Michael Jankowski die Erfahrungen mit dem „Kommunalwahlkompass“ in Hessen

Online-Wahlhilfen: Nutzer*innen kommen auch mit anderen Positionen und Argumenten in Kontakt

FRANKFURT. Zu den hessischen Kommunalwahlen am 14. März 2021 wurde erstmals in der Fläche eine Wahlhilfe angeboten, mit der sich die Wählerinnen und Wähler über das programmatische und personelle Angebot der Parteien informieren konnten. In 33 Kommunen und einem Landkreis stand der „Kommunalwahlkompass“ zur Verfügung. Im aktuellen UniReport ziehen die drei Politikwissenschaftler Prof. Thomas Zittel (Goethe-Universität Frankfurt), Dr. Christian Stecker (TU Darmstadt) und Michael Jankowski (Universität Oldenburg) nun ein erstes Fazit: „Eine Wahlhilfe für die Wähler, eine Erkenntnishilfe für die Wissenschaft“, lautet die insgesamt positive Bilanz. Die Analyse des Nutzungsverhaltens zeige, dass durch den Kommunalwahlkompass über den eigenen politischen Tellerrand geschaut wurde. Die Mehrzahl der Nutzer*innen interessierte sich nicht nur für die „eigene“ Partei oder ein bestimmtes Lager, sondern war auch an den Positionen und Begründungen von ideologisch weiter entfernten Parteien interessiert.

Von der Veröffentlichung am 17. Februar 2021 bis zur Kommunalwahl verzeichnet der Kommunalwahlkompass etwa 150 000 Nutzungen. Spitzenreiter war dabei Frankfurt, dicht gefolgt von Darmstadt und Wiesbaden. Die Analyse zeige, dass in den Wahlvorschlägen der Parteien wichtige soziale Gruppen unterrepräsentiert sind: „So sind nur 37 Prozent der Kandidierenden Frauen; auch der Anteil der Kandidatinnen und Kandidaten, die jünger als 27 sind, liegt mit 9 Prozent deutlich unter dem Anteil der entsprechenden Gruppe von 14 Prozent an der wahlberechtigten Bevölkerung in Hessen. Der Anteil von 8 Prozent von Kandidatinnen und Kandidaten mit einer nicht-deutschen Staatsbürgerschaft stellt gegenüber den 16 Prozent in Hessen ebenso eine deutliche Unterrepräsentation fest.“

Die Nutzer*innen konnten im Kommunalwahlkompass einzelne Thesen gewichten und damit anzeigen, welche Themen für sie besonders wichtig sind. „Sowohl CDU-, SPD-, FDP- als auch Grünen-Anhänger gewichteten Verkehrsthemen besonders häufig und nahmen dazu teils gegensätzliche Positionen ein. Dies zeigt, dass die Verkehrswende in den großen Städten ein wichtiges und zugleich stark polarisierendes politisches Thema ist“, lautet eine weitere Erkenntnis.

Ein Jahr mit Corona: Im neuen UniReport schauen Hochschulangehörige aus Wissenschaft, Verwaltung und Studierendenschaft auf ein ungewöhnliches Jahr zurück. Einige der weiteren Beiträge in der aktuellen Ausgabe befassen sich mit der Corona-Pandemie aus erziehungswissenschaftlicher und psychologischer Sicht:

- Keine offenen Räume, kein Mitspracherecht: Die Erziehungswissenschaftlerin Johanna Wilmes hat untersucht, wie junge Menschen die Corona-Pandemie erleben.

- Geflüchtete haben nur eingeschränkt Zugang zu Informationen: Die Psychosoziale Beratungsstelle für Flüchtlinge (PBF) hat auf Grundlage der Erfahrungen des letzten Jahres eine Studie darüber erstellt, über welches Wissen Geflüchtete bezüglich Corona-Maßnahmen verfügen.

- Motiviert für Tokio: Juliane Wolf, Paralympics-Tischtennispielerin, ist für die Paralympischen Spiele in Tokio qualifiziert. Eine verschleppte Corona-Erkrankung hat die Leistungssportlerin für mehrere Wochen außer Gefecht gesetzt.

- Kulturgeschichte vom Mittelalter bis in die Neuzeit Die Judaistin Elisabeth Hollender über den Beitrag ihres Faches zu „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“

- „Die Ästhetik ist eine Frankfurter Marke“: Eine Balance zwischen den Disziplinen im Masterstudiengang Ästhetik

- Radikalisierung nicht nur ein Problem der gesellschaftlichen „Ränder“: Mit den Ergebnissen aus den Projekten MAPEX und FEM4DEM berät die „Pädagogik der Sekundarstufe mit Schwerpunkt Islam“ Politik und Bildungsinstitutionen.

- „Der Begriff Altern hat sehr viele Facetten“: Porträt des Alternswissenschaftler Frank Oswald.

- 40 000 Briefe: Das Akademieprojekt „Buber-Korrespondenzen digital“ soll den umfangreichen Briefwechsel des jüdischen Religionsphilosophen besser zugänglich machen.

- Die Seele Dänemarks: Die Lektorin Marlene Hastenplug hat gemeinsam mit Studierenden einen Band mit Erzählungen aus Dänemark herausgebracht.

- Der Körper als Kommunikationsnetzwerk: Die Biochemikerin Florencia Sánchez aus Argentinien erforscht, wie Empfängerproteine Zellreaktionen beeinflussen.

- Interdisziplinär und praxisorientiert: Das Center for Leadership and Behavior in Organizations (CLBO) feiert sein 10-jähriges Bestehen.

- Verstehen, kritisieren und weiterdenken: Johanna Weckenmann hat zusammen mit zwei studentischen Mitstreiterinnen einen Band herausgegeben, in dem über die Institution Universität interdisziplinär und plural nachgedacht wird.

- Frankfurt ganz anders: Der Chemiker Francesco di Maiolo ist Humboldt-Stipendiat an der Goethe-Universität.

- Den Betroffenen Gehör schenken: Prof. Sabine Andresen, Vorsitzende der „Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“, über ein sensibles gesellschaftspolitisches Feld.

- MoSyD 2019: Neue Frankfurter Studie zeigt in vielen Bereichen jugendlichen Drogenkonsums eine Stagnation oder sogar einen Rückgang.

- „Die Idee ist gut, die Leute sind klasse“: Die studentische Initiative TechAcademy organisiert digitale Bildung für alle Studierenden an der Goethe-Universität.

- Im Fokus des „Rescued“-Projekts: Ursachen des Herztods bei jungen Menschen und Beratung der Familien.

- Interdisziplinärer Blick auf die Schnitzkunst der Hopi: Studierende der Goethe-Universität präsentieren im Internet eine Sammlung von Tithu-Figuren aus Arizona.

Der UniReport 2/2021 steht zum kostenlosen Download bereit unter https://www.unireport.info/aktuelle-ausgabe  


Redaktion: Dr. Dirk Frank, Pressereferent / stv. Leiter, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798–13753, frank@pvw.uni-frankfurt.de

 

Apr 6 2021
12:25

Neues Schwerpunktprogramm nimmt die außersprachliche Verständigung in den Blick – Frankfurter Linguistin Cornelia Ebert ist Sprecherin

Gestik, Mimik, Bilder: Wie wir visuell kommunizieren 

Sprechen, schreiben, lesen, hören – das sind nicht die einzigen Kanäle menschlicher Kommunikation. Doch welche Möglichkeiten gibt es, Informationen außerhalb der gesprochenen Sprache zu vermitteln? Und wie funktionieren sie, auch im Verhältnis zu den anderen Kanälen? Mit diesen Fragen wird sich ein neues Schwerpunktprogramm befassen, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) vom kommenden Jahr an fördern wird.  

FRANKFURT. Das Projekt „Visuelle Kommunikation“ (ViCom) ist eines von 13 neuen Schwerpunktprogrammen (SPP), die im Jahr 2022 ihre Forschung starten können. Beantragt haben das Verbundprojekt Prof. Dr. Cornelia Ebert (Goethe-Universität) und Prof. Dr. Markus Steinbach (Universität Göttingen), beide Linguistik. Die Sprecherschaft liegt bei der Goethe-Universität.

Im Zentrum des Schwerpunktprogramms stehen außersprachliche Kanäle der Kommunikation wie Gestik, Mimik und Bildhaftigkeit. Die beiden Antragsteller nähern sich der Thematik aus unterschiedlichen Richtungen: Während Markus Steinbach vor allem zu Gebärden forscht, nimmt die Frankfurter Semantikerin Cornelia Ebert die gestische Erweiterung der Kommunikation in den Blick. „Was haben Gesten und Gebärden gemein? Welchen Status nehmen Gesten innerhalb des kommunikativen Geschehens ein? Und wie können wir das beschreiben?“, formuliert Ebert ihr Forschungsinteresse. Auch der schulisch-didaktische Bereich und die therapeutische Kommunikation, die gestische Verständigung zwischen Tieren und die Interaktion zwischen Mensch und Computer werden in dem standortübergreifenden Verbundprojekt eine Rolle spielen.

Das Interesse an visuellen Komponenten der Verständigung ist in der Linguistik relativ neu, der Fokus liegt sonst stark auf der gesprochenen Sprache. „Deshalb fehlt bislang auch das Werkzeug zur Beschreibung“, begründet die Linguistin ihre Motivation, viel Expertise für Grundlagenforschung zusammenzubringen. In anderen Bereichen der Kultur- und Geisteswissenschaften hat man bereits einen Umgang mit visuellen Phänomenen in der Kommunikation – etwa in der Filmwissenschaft, der Psychologie oder auch der Informatik. Diese verschiedenen Blickwinkel soll das Schwerpunktprogramm nun zusammenführen, um gemeinsam ein neues Kommunikationsmodell zu entwickeln, das die Besonderheiten und die Komplexität multimodaler Kommunikation erfassen kann. Das Programm soll außerdem dazu beitragen, methodische, technologische, therapeutische und didaktische Innovationen in diesem Bereich voranzutreiben.

70 Personen aus ganz Deutschland und den Niederlanden waren vorab involviert. Doch bevor es richtig losgehen kann, müssen im Zuge einer offenen Ausschreibung die 15 bis 30 Projekte ausgewählt werden, die tatsächlich ins Programm aufgenommen werden sollen. Die Kick-off-Veranstaltung wird voraussichtlich im Frühjahr oder Sommer 2022 stattfinden. Danach werden sich Projekte zu Clustern zusammenfügen, einmal jährlich wird es auch eine große Konferenz geben.

DFG-Schwerpunktprogramme
In den Schwerpunktprogrammen sollen wissenschaftliche Grundlagen besonders aktueller oder sich gerade bildender Forschungsgebiete untersucht werden. Alle Programme sind stark interdisziplinär ausgerichtet und zeichnen sich durch den Einsatz innovativer Methoden aus. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist ein zentrales Element der SPP, darüber hinaus weisen alle neuen Verbünde ein Gleichstellungskonzept auf. Schwerpunktprogramme werden sechs Jahre lang gefördert. Aktuell befinden sich insgesamt 89 Schwerpunktprogramme in der Förderung, drei davon in Frankfurt. ViCom wird das einzige nicht naturwissenschaftliche Schwerpunktprogramm an der Goethe-Universität sein.

Insgesamt konnte der Senat der DFG aus 47 eingereichten Anträgen aus allen wissenschaftlichen Disziplinen auswählen. Die 13 erfolgreichen Schwerpunktprogramme, zu denen auch das Frankfurt-Göttinger-Programm zählt, erhalten für zunächst drei Jahre insgesamt rund 82 Millionen Euro. Hinzu kommt eine 22-prozentige Programmpauschale für indirekte Kosten aus den Projekten.

Prof. Dr. Cornelia Ebert
Prof. Dr. Cornelia Ebert (45) forscht und lehrt seit 2019 an der Goethe-Universität, vor allem zur Semantik. Ebert hat in Potsdam Computerlinguistik studiert und kam über mehrere wissenschaftliche Stationen in Osnabrück und Berlin nach Frankfurt. 2020 erhielt sie ein Goethe-Fellowship am Forschungskolleg Humanwissenschaften in Bad Homburg. Ebert war bereits an einem anderen Schwerpunktprogramm beteiligt: XPRAG.de – New Pragmatic Theories based on Experimental Evidence.

Prof. Dr. Markus Steinbach
Prof. Dr. Markus Steinbach (54) forscht und lehrt seit 2009 an der Georg-August-Universität Göttingen vor allem im Bereich der Semantik, Pragmatik und Gebärdensprachlinguistik. Steinbach hat an der Goethe-Universität Germanistik und Philosophie studiert und wurde an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert. Von 2007 bis 2008 hat er eine Professur an der Goethe-Universität vertreten. In Göttingen leitet er das experimentelle Gebärdensprachlabor. Er ist an mehreren Verbundprojekten beteiligt und Herausgeber einer Fachzeitschrift und von zwei Buchreihen.


Bilder zum Download: www.uni-frankfurt.de/99754999  

Bildtext: Prof. Dr. Cornelia Ebert (Foto: Kerstin Vihman) von der Goethe-Universität und Prof. Dr. Markus Steinbach (Foto: privat) von der Universität Göttingen haben gemeinsam ein DFG-Schwerpunktprogramm zur visuellen Kommunikation eingeworben.

Weitere Informationen
Cornelia Ebert
Institut für Linguistik
Goethe-Universität
Telefon 069 / 798-32392
E-Mail ebert@lingua.uni-frankfurt.de
Homepage https://www.linguistik-in-frankfurt.de/institut/professur-semantik-ebert/


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de

 

Apr 1 2021
11:39

Wissenschaftler von Goethe-Universität Frankfurt und Center for European Policies Studies entwickeln einfache Formel zum Abschätzen der erforderlichen Impfgeschwindigkeit

Die Impfformel: Schnelles Impfen könnte Lockdown auch bei leicht steigenden Inzidenzen vermeiden

Trotz steigender Infektionszahlen wäre es möglich, auf Kontaktbeschränkungen zu verzichten, wenn die Impfrate hoch genug wäre. Prof. Claudius Gros von der Goethe-Universität Frankfurt und Dr. Daniel Gros vom Center for European Policies Studies in Brüssel haben eine einfache mathematische Formel entwickelt, nach der sich abschätzen lässt, bei welcher Impfgeschwindigkeit die Pandemie auch ohne Lockdown beherrschbar bliebe und weder das Gesundheitssystem überlastet wäre noch die Todesraten nach oben schießen würden. Die Studie wird am 8. April 2021 in der Online-Publikation Covid Economics erscheinen. 

FRANKFURT. Nach wie vor sind durch die Pandemie in erster Linie ältere Menschen betroffen: Wenn sich jeder in der Bevölkerung mit SARS-CoV-2 infizieren würde, würden in Deutschland statistisch gesehen 1,5 Millionen der Menschen über 60 sterben, von den Unter-60-Jährigen wären es „nur“ 75.000. Daher setzen Impfstrategien – abgesehen von bestimmten besonders exponierten Bevölkerungsgruppen – häufig bei den älteren Menschen an mit dem Ziel, eine Überlastung des Gesundheitssystems durch schwere COVID-19-Verläufe und hohe Todeszahlen zu vermeiden. Denn das Impfen von nur einem Viertel der Bevölkerung kann 95 Prozent der Todesfälle verhindern.

Prof. Claudius Gros vom Institut für Theoretische Physik der Goethe-Universität Frankfurt und Dr. Daniel Gros vom Center for European Policies Studies (CEPS) haben bei der Entwicklung ihrer Impfformel daher den älteren Teil der Bevölkerung in den Blick genommen. Denn die COVID-19-Todeszahlen werden von drei Faktoren bestimmt. Der Infektionsrate, der Abhängigkeit der Sterberate vom Alter, sowie von der Struktur der Alterspyramide. Deutschland ist daher, wie fast alle Länder Europas, besonders anfällig für die dritte Welle: Das Durchschnittsalter der Bevölkerung ist hoch, die neue Mutante ist hochinfektiös, die Impfgeschwindigkeit hingegen nimmt nur langsam zu. Um die Pandemiefolgen beherrschbar zu halten, müssen daher umfangreiche Kontaktbeschränkungen die Infektionsrate niedrig halten. 

Ab welchem Punkt gelockert werden kann, lässt sich den beiden Wissenschaftlern aus Frankfurt und Brüssel zufolge mit einer Faustformel bestimmen: Sie setzt die wöchentliche Zunahme der Infektionszahlen in Relation zur Steigerung der pro Woche vorgenommenen Impfungen. Vereinfacht lautet der Zusammenhang: Erkranken x Prozent der Bevölkerung mehr pro Woche, müssen im selben Zeitraum x*f/100 Prozent der Bevölkerung mehr geimpft werden. Der Faktor f, der am Anfang der Impfkampagne f=2 war, steigt, wenn schon ein Teil der Bevölkerung vollständig geimpft wurde. Derzeit haben wir f=6. Das heißt, wenn die Inzidenz um x=20 Prozent pro Woche steigt, müssten 20*6/100=1,2 % der Bevölkerung zusätzlich (vollständig) geimpft werden. Diese gilt für die Impfdosen, die nach Alter verabreicht werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwei Impfdosen für eine vollständige Immunisierung notwendig sind. 

Dr. Daniel Gros erläutert: „Da diese Impfgeschwindigkeit derzeit verhältnismäßig gering ist, dürfte nach unseren Berechnungen die 7-Tagesinzidenz pro Woche nicht mehr als 13 bis 16 Prozent ansteigen, damit die Todesraten gering bleiben und das Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Im Laufe der vergangenen Woche allerdings stiegen die Infektionszahlen um 25 Prozent, damit sind umfangreiche Kontaktbeschränkungen unausweichlich, und aggressive Mutanten haben mehr Möglichkeiten, sich auszubreiten.“ 

Prof. Claudius Gros meint: „Die von uns entwickelte Formel erlaubt eine einfache und schnelle Abschätzung, die zeigt, wie schnell wir impfen müssten, um die Folgen der Pandemie für das Gesundheitswesen beherrschbar zu halten. Wir haben es leider versäumt, zum Beispiel durch höhere Preise für früh hergestellte Impfdosen Anreize für die Pharmaunternehmen zu setzen, ihre Produktion rasch zu steigern, was immer sehr kosten- und ressourcenintensiv ist. Daher haben sich die Unternehmen, wie wir in einer früheren Arbeit vorhergesagt haben, für eine lineare Produktionssteigerung entschieden. Aus unternehmerischer Sicht ist das kosteneffektiv, aber es führt dazu, dass wir nicht schnell genug über ausreichend Impfstoff verfügen.“ 

Publikation: Claudius Gros und Daniel Gros, „How fast must vaccination campaigns proceed in order to beat rising Covid-19 infection numbers?“ in: Covid Economic, in press. https://arxiv.org/abs/2103.15544 

Weitere Informationen: Prof. Dr. Claudius Gros Institut für Theoretische Physik Goethe-Universität Frankfurt gros07@itp.uni-frankfurt.de


Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de

 

Apr 1 2021
10:23

Der Soziologe Stephan Lessenich wird Direktor des IfS und Professor in Frankfurt / „Ort des intellektuellen Austauschs weiterentwickeln“ 

Goethe-Universität und Institut für Sozialforschung rücken noch enger zusammen

Die Wartezeit ist vorbei: Der Soziologe Stephan Lessenich, bislang an der Ludwig-Maximilians-Universität in München tätig, wird Professor an der Goethe-Universität und Direktor des renommierten Instituts für Sozialforschung (IfS). Die neu geschaffene Kooperationsprofessur, die mit der Leitungsfunktion am IfS verbunden ist, wurde durch die Bereitstellung von Sondermitteln des Landes Hessen ermöglicht. Universität und Institut rücken auf diese Weise näher zusammen. 

FRANKFURT. Im Jahr 2018 hat Prof. Dr. Axel Honneth seinen Abschied als Direktor genommen, seither stand das Institut für Sozialforschung unter der kommissarischen Leitung von Prof. Dr. Ferdinand Sutterlüty, der das Institut zweieinhalb Jahr mit großem Engagement geführt hat. Nun gibt es eine neue Konstellation: Mit Mitteln des Landes Hessen wird eine Professur für „Gesellschaftstheorie und Sozialforschung“ an der Goethe-Universität eingerichtet – eine explizite Kooperationsprofessur mit dem Institut für Sozialforschung. Der erste Stelleninhaber ist nun bekannt: Der Münchner Soziologe Prof. Dr. Stephan Lessenich hat den Ruf nach Frankfurt angenommen und tritt am 1. Juli seinen Dienst an.

„Ich freue mich sehr, dass Stephan Lessenich als Professor und neuer Direktor des IfS nach Frankfurt kommt“, sagt Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn. „Wie relevant die Arbeit des Instituts für Sozialforschung ist, war selten so offensichtlich wir zurzeit. Wir brauchen sie, um die Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Das IfS steht in einer philosophischen Tradition, die sich nicht damit begnügt, die Welt verschieden zu interpretieren, sondern sie auch verändern will im Geist des beharrlichen Hinterfragens, der konstruktiven Kritik, der diskursiven Auseinandersetzung. Um diese wichtige Rolle des IfS mit einer hochkarätigen neuen Leitung stärken zu können, haben wir die Förderung des Landes von 2021 an gern von bisher gut 615.000 auf 870.000 Euro pro Jahr erhöht.“

„Für die Goethe-Universität ist es eine sehr erfreuliche Entwicklung, dass das Institut in der Person von Stephan Lessenich jetzt noch enger an die Universität heranrückt. Professor Lessenich hat sich durch seine Forschung international einen Namen gemacht und wird Universität und IfS weltweit noch stärker sichtbar machen“, sagt Unipräsident Prof. Dr. Enrico Schleiff. „Stephan Lessenich gelingt in idealer Weise die Verbindung von soziologischer Theoriebildung und empirischer Forschung. Ich bin überzeugt, dass die Frankfurter Perspektive in künftigen gesellschaftlichen Debatten eine starke Rolle spielen wird“, kommentiert Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink, Dekanin des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften, die Berufung. Jutta Ebeling, Vorsitzende des Stiftungsrates des IfS: „Ich freue mich, dass wir das Institut jetzt auf eine neue Grundlage stellen und für die Leitung einen so renommierten Wissenschaftler gewinnen konnten. Herrn Prof. Sutterlüty, der das Institut zweieinhalb Jahre lang mit großem Engagement durch eine schwierige Zeit gesteuert hat, sind wir zu großem Dank verpflichtet“.

„Es ist für mich eine große Ehre, an die Spitze des Hauses berufen zu werden, das auf eine so lange Tradition in der kritischen Gesellschaftstheorie zurückblicken kann. Gerade die soziologische Perspektive ist in diesen Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche und gesellschaftspolitischer Weichenstellungen von wachsender Bedeutung“, sagt der künftige IfS-Direktor Prof. Dr. Stephan Lessenich. „Ich möchte das IfS als lebendigen Ort des intellektuellen Austauschs weiterentwickeln. Besonders liegt mir auch die Internationalisierung am Herzen: Die Zukunft der kritischen Sozialforschung kann nicht ohne die Perspektive der globalisierten Welt gedacht werden“, beschreibt Lessenich seine ersten Ideen für das Institut. Auch auf Frankfurt freue er sich schon sehr: „Die Stadt steht für eine politisch-kulturell außerordentlich interessierte Öffentlichkeit, für eine liberale Diskussionskultur und intellektuelle Offenheit.“ 

Zur Person von Stephan Lessenich 

1965 in Stuttgart geboren, studierte Lessenich von 1983 bis 1989 in Marburg Politikwissenschaft, Soziologie und Geschichte. 1993 wurde er in Bremen promoviert, 2002 erhielt er an der Universität Göttingen die Venia legendi im Fach Soziologie. Seine erste Professur führte ihn an die Universität Jena, wo er Vergleichende Gesellschafts- und Kulturanalyse lehrte und gemeinsam mit Klaus Dörre und Hartmut Rosa die DFG-Kollegforschungsgruppe „Postwachstumsgesellschaften“ initiierte. 2014 wurde Lessenich als Nachfolger von Ulrich Beck auf den Lehrstuhl für Soziale Entwicklungen und Strukturen ans Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität München berufen. Lessenich war von 2013-2017 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, er ist Mitherausgeber diverser wissenschaftlicher Zeitschriften und Buchreihen und u.a. einer der Kuratoriumssprecher und -sprecherinnen des Instituts Solidarische Moderne (ISM). Er bringt sich auch aktiv in gesellschaftliche Prozesse ein, ist beispielsweise Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac und war 2017 Mitbegründer der Partei „mut“, um – wie er sagt – der „Diskursverschiebung nach rechts“ im Gefolge des langen Sommers der Migration etwas entgegenzusetzen. 

Wie es zur Neukonzeption gekommen ist 

Als „weltweit einmalig“ wurde die am IfS praktizierte „Verbindung von sozialphilosophischer Theoriebildung und empirischer Sozialforschung in der ideengeschichtlichen Tradition der ‚Frankfurter Schule'“ 2015 in einer Pressemitteilung des Wissenschaftsrats zur Evaluation des Instituts genannt. Die wissenschaftlichen Leistungen des Instituts wurden als „sehr gut und in Teilbereichen auch als exzellent“ beurteilt. Zudem werde am Institut eine unverzichtbare „zeitdiagnostische Deutungsarbeit“ für eine breitere Öffentlichkeit geleistet. Allerdings, so hieß es damals, leide „die Forschungsarbeit des Instituts oftmals unter fehlenden strategischen Entwicklungsmöglichkeiten“. „Zentrale Forschungsschwerpunkte“ seien immer wieder in ihrer Existenz bedroht, das Institut sei über Gebühr von Drittmitteln abhängig. Der Wissenschaftsrat empfahl einen robusteren organisatorischen Unterbau sowie ein Netz aus verstetigten Kooperationsbeziehungen. Dafür müsse u.a. das Amt der Direktorin oder des Direktors mit einer grundfinanzierten Planstelle ausgestattet und die Kooperation mit der Goethe-Universität erweitert und formalisiert werden. 

In einem aufwendigen Verfahren wurde in Gesprächen mit dem Präsidium der Universität und in enger Abstimmung mit dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst ein Konzept der engeren Kooperation entwickelt sowie ein neues Modell für die Leitung des IfS. Moderiert wurde dieser Prozess von Jutta Ebeling, der ehemaligen Frankfurter Dezernentin und Bürgermeisterin sowie seit 2018 Vorsitzenden des Stiftungsrats des IfS, die bereits am Zustandekommen der Frankfurter Holocaust-Professur beteiligt war. Nach dem Vorbild dieser Professur in Kooperation mit dem Fritz Bauer Institut sollte eine neue Professur in Kooperation mit dem IfS geschaffen werden. Diese wird jetzt am Institut für Soziologie angesiedelt sein. 

In der Vergangenheit wurden Professoren der Goethe-Universität als Direktoren ans IfS berufen und erfüllten diese Aufgabe quasi ehrenamtlich, ohne dass sich dadurch an ihrer Tätigkeit an der Hochschule etwas geändert hätte. Neuerdings ist die jeweilige Professur nur mit 50 Prozent an der Goethe-Uni angesiedelt, mit der anderen Hälfte jedoch am Institut. 

Zum Institut für Sozialforschung 

Das Institut für Sozialforschung (IfS) an der Goethe-Universität ist eng mit den Namen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, aber auch Erich Fromm, Herbert Marcuse oder Leo Löwenthal verbunden. Mit Geldern der Mäzene Hermann und Felix Weil 1923 als Institut des akademischen Marxismus gegründet, wurde das IfS mit Max Horkheimer zur zentralen Forschungsstelle der Kritischen Theorie. Im Frühjahr 1933 wurde das Institut wegen „staatsfeindlicher Bestrebungen“ von der Gestapo aufgelöst. Auf verschlungenen Pfaden gelang es, seinen Sitz an die Columbia Universität in New York zu verlegen und die Arbeit im Exil fortzusetzen. Nach dem Krieg kehrte der engste Kreis des Instituts – Adorno, Horkheimer und Pollock – nach Frankfurt zurück, 1951 wurde das IfS an seinem heutigen Standort wiedererrichtet. Sein Grundhaushalt wird seither durch das Land Hessen und die Stadt Frankfurt gesichert. Im Zuge seiner bald 100-jährigen Geschichte hat das IfS auf vielfältige Weise in Wissenschaft und Gesellschaft gewirkt. Prof. Dr. Axel Honneth, der dem Institut zuletzt vorstand, hat mit seinen Schriften eine normativ gehaltvolle Gesellschaftstheorie der Anerkennung entwickelt. 

Bilder zum Download: http://www.uni-frankfurt.de/99435799 

Bildtext: Stephan Lessenich wird Soziologieprofessor an der Goethe-Universität und Direktor des Instituts für Sozialforschung (IfS). (Bild 1: Dirk Bruniecki, Bild 2: privat, Bild 3: LMU)

Weitere Informationen
Prof. Dr. Stephan Lessenich
stephan.lessenich@posteo.de


Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de