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Okt 29 2018
12:16

Wie neue Technologien Raum und Geographie verändern

Digitale Geographien

FRANKFURT. Die Erfindung der Dampfmaschine ließ die Welt schrumpfen: Plötzlich konnten Menschen und Waren zuvor unüberwindlich erscheinende Distanzen mühelos meistern. Doch was macht die Digitalisierung mit unserer Raumwahrnehmung? Mit diesem Themenfeld befasst sich eine Vortragsreihe der Frankfurter Geographischen Gesellschaft.

Das Potenzial der „Digitalisierung“ wird häufig mit jenem der industriellen Revolution gleichgesetzt – nicht zuletzt in Hinblick auf Raum und Raumwahrnehmung. In ganz anderem Ausmaß als Dampfmaschine, Auto und Flugzeug haben Mobiltelefonie, Internet, E-Mail, Skype und Co. die Welt zu einem Dorf gemacht. Mittels „Virtueller Realität“ können wir heute die entferntesten Gegenden der Welt räumlich erfahren – vom Wohnzimmer aus. Dieser Wandel ist rasant und wuchtig. Die Informationsflut, mit der Individuum und Gesellschaft zunehmend konfrontiert sind, erfordert Anpassung und Lernprozesse. Die so genannten Digitalen Geographien versuchen, die räumliche Bedeutung dieses Wandels zu erfassen – indem einerseits ausgelotet wird, welche Möglichkeiten digitale Datenerfassung und -verarbeitung für unser Verständnis von Raum und räumlichen Prozessen bieten, andererseits, indem „Digitalisierung“ als Forschungsgegenstand in den Blick genommen wird und somit die gesellschaftlichen und räumlichen Implikationen des digitalen Wandels.

Die Vorträge im Einzelnen

Mittwoch, 31.10.2018, 18:15 Uhr
Smart Bodies? Digitale Geographien einer neuen Körper- und Verhaltenssteuerung
Prof. Dr. Peter Lindner (Universität Frankfurt am Main)

Digitale Technologien und Mikrosensoren in Smartphones, Smartwatches und sogenannten Wearables eröffnen neue Möglichkeiten, den eigenen Körper zu beobachten und alltägliche Verhaltensweisen im Hinblick auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu optimieren. Der Vortrag gibt einen Überblick über das breite Spektrum möglicher Anwendungsbereiche und arbeitet Gemeinsamkeiten heraus, die darauf hindeuten, dass sich hier ein neues Regime räumlicher Verhaltenssteuerung abzeichnet, dessen Implikationen noch kaum abzusehen sind.

Mittwoch, 14.11.2018, 18:15 Uhr
Soziale Exklusionen in nutzergenerierten Geodaten: OpenStreetMap und Wikimapia in Israel/Palästina
Dr. Christian Bittner (Universität Erlangen-Nürnberg)

Digitale Geodaten werden im Web 2.0 zunehmend kollaborativ und freiwillig, durch selbst-organisierte online-communities generiert. Diese volunteered geographic information (VGI) wurden teilweise als Chance interpretiert, bislang marginalisierten Stimmen Zugang zur Erstellung und Verbreitung von geographischen Informationen zu eröffnen. Der Vortrag wirft einen kritischen Blick auf diese Deutungen und berichtet aus einem Forschungsprojekt zu sozialen Exklusionen in den VGI-Plattformen OpenStreetMap und Wikimapia im regionalen Kontext von Israel und Palästina.

Mittwoch, 28.11.2018 18:15 Uhr
Smart Development? Neue Technologien und Geographien der Entwicklung
Prof. Dr. Julia Verne (Universität Bonn)

Auch die Entwicklungszusammenarbeit setzt inzwischen auf die Digitalisierung von „Entwicklung“: Mit Hilfe von mobilen Informationsdiensten, digitalen Geldüberweisungen, Online-Partizipationsmöglichkeiten, e-Learning-Angeboten und größerer Transparenz durch Blockchain-Technologien sollen Entscheidungs-, Bildungs-, und Wertschöpfungsprozesse in Afrika unterstützt werden. Anhand von Beispielen zeigt dieser Vortrag, inwieweit sich durch die Nutzung mobiler Informations- und Kommunikationstechnologien jedoch oftmals mehr als nur das Werkzeug von „Entwicklung“ verändert. Dies wiederum gibt Anstoß für neue Fragen und Herangehensweisen der Geographischen Entwicklungsforschung im digitalen Zeitalter.

Mittwoch, 12.12.2018 18:15 Uhr
Geoinformation. Eine Schlüsselressource des 21. Jahrhunderts
Prof. Dr.-Ing. Robert Seuß (Frankfurt University of Applied Sciences)

Der Vortrag thematisiert die Entwicklung der Geoinformation von der einfachen Digitalisierung von Karten über die Nutzung von Geoinformationen in raumbezogenen Fachverfahren bis hin zur Vernetzung und Verteilung von Geodaten mittels Geodateninfrastrukturen und deren umfassende Anwendung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Da die überwiegende Zahl aller Planungs- und Entscheidungsprozesse einen Raumbezug hat, sind Geoinformationen eine Schlüsselressource der Informationsgesellschaft.

Mittwoch, 16.01.2019 18:15 Uhr
Von der Wandkarte zur virtuellen Realität – Digitalisierung des Geographieunterrichts (oder: was wir in der Schule machen könnten, wenn man uns ließe!)
Studiendirektor Dietmar Steinbach (Gießen) 

Wenn Schule den Auftrag ernst nimmt, die kommenden Generationen auf das Leben in dieser vernetzten Welt vorzubereiten, muss Unterricht mit den rasanten Veränderungen Schritt halten und das nicht nur durch den Einsatz digitaler Technik, sondern vor allem durch die Weiterentwicklung der Unterrichtskonzepte.

Mittwoch, 30.01.2019 18:15 Uhr
Big Data in der geographischen Erdbeobachtung
Prof. Dr. Christiane Schmullius (Universität Jena)

Das Copernicus-Programm von EU und ESA eröffnet mit der Sentinel-Satellitenflotte hervorragende Möglichkeiten der Nutzung von Fernerkundungsdaten. Die Kontinuität der Missionen ist bis 2030 gewährleistet und der Datenzugang frei. Der Vortrag skizziert die Breite der neuen Entwicklungen bei der Nutzung von Sentineldaten aus Sicht der Forschung. Schwerpunkt sind die laufenden Projektarbeiten am Jenaer Lehrstuhl zur regionalen und globalen Forstkartierung, Beiträge zu einer landwirtschaftlichen Ertrags-Abschätzung und Konzepte eines Bodenfeuchtemonitorings für die Thüringer Verwaltung. 

Mittwoch, 13.02.2019 18:15 Uhr
‚Smarte‘ Städte? Wie digitalisierte urbane Infrastrukturen Räume produzieren und ihre Bewohner und Bewohnerinnen prägen
Prof. Dr. Anke Strüver (Universität Graz) 

Die beschleunigte Digitalisierung städtischer Infrastrukturen sowie die Allzeit- und Echtzeit-Verfügbarkeit von Informationen und Daten führen zu veränderten Raumwahrnehmungen und –nutzungen. Es stellen sich die Fragen, welche sozialräumlichen und politischen Folgen das Smart City-Konzept hat, welche alternativen und emanzipativen Nutzungen digitaler Infrastrukturen jenseits ökonomischer Datenverwertungsinteressen existieren und wie sich Städte durch den digitalisierten Alltag ihrer Bewohner verändern. Der Vortrag fasst Themenstränge der Smart City-Debatten zusammen, die sich affirmativ wie interventionistisch mit konkreten Raumproduktionen beschäftigen, um anschließend Thesen zur digitalisierten Stadt jenseits von Utopie und Dystopie zu diskutieren.

Die Vorträge finden im Hörsaalzentrum der Goethe-Universität am Campus Westend statt, Theodor-W.-Adorno-Platz 1, Hörsaal 10, 3. Etage (Aufzug).  Der Eintritt kostet 5 Euro, ermäßigt 3 Euro, Mitglieder der Frankfurter Geographischen Gesellschaft haben freien Eintritt.

Information und Anmeldung: Dr. Mathias Rodatz, Institut für Humangeographie, Fachbereich Geowissenschaften, Campus Westend, Telefon +49 (0) 69 798-35175, E-Mail rodatz@geo.uni-frankfurt.de