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Forschung

Jan 6 2016
16:28

Frankfurter Wissenschaftler stellen in einer Publikation ein neues Modell zur Funktionsweise des Gehirns vor

Gehirn so zuverlässig wie ein Uhrwerk?

FRANKFURT. Unser Gehirn ist jederzeit aktiv, auch wenn wir uns ausruhen oder schlafen. Die Wissenschaft interessiert sich schon lange für diese ständige neuronale Aktivität des Gehirns, welche oft als eine Art “Hintergrundrauschen” beschrieben wird. Sie führt bei Messungen der Hirnaktivität dazu, dass die Antwort des Gehirns auf denselben sensorischen Reiz, z.B. bei mehrmaligem Betrachten desselben Bildes, jedes Mal unterschiedlich aussieht. Aber ähnelt dieses Hintergrundrauschen lediglich dem Leerlauf des Motors eines Autos, das an der Ampel auf „Grün“ wartet und so schneller losfahren kann? Oder ist diese spontane Gehirnaktivität das eigentliche Herzstück unseres Denkens, quasi das Fundament aus dem unsere höheren Hirnfunktionen erwachsen?

Um dieser Frage nachzugehen, haben Wissenschaftler des Frankfurt Institute for Advanced Studies und der Goethe-Universität Frankfurt in Kollaboration mit dem Max-Planck-Institut für Hirnforschung und dem Ernst Strüngmann Institut ein neues Modell entwickelt. In ihrer Publikation in der international renommierten Fachzeitschrift PLoS Computational Biology schlagen die Frankfurter Wissenschaftler um Prof. Dr. Jochen Triesch und Christoph Hartmann vor, dass das Gehirn fast so zuverlässig wie ein Uhrwerk arbeitet. Damit stellen sie den gängigen Annahmen einen radikal verschiedenen Ansatz entgegen. Bisher wurde das Hintergrundrauschen in der Regel als ein rein zufälliges Verhalten des Gehirns erklärt.

Nach dem neuen Modell kommen die spontane Gehirnaktivität und die notorischen Unregelmäßigkeiten bei der Messung neuronaler Aktivität nur dadurch zustande, dass das Gehirn ständig sein inneres Bild der Welt verbessert und darauf basierend verschiedene Situationen durchspielt. Umgesetzt wird diese Vorstellung durch ein einfaches, komplett deterministisches, d.h. festenRegeln folgendes, neuronales Netzwerk. Das Netzwerk erstellt durch die Kombination verschiedener Lernmechanismen ein Modell seiner Umwelt und nutzt dieses, um ständig Vorhersagen über die Zukunft zu generieren. Wesentliche bekannte Befunde über spontane Hirnaktivität und die scheinbare Unvorhersagbarkeit neuronaler Messungen können durch die neuen Erkenntnisse ganz anders als bisher erklärt werden. Dies könnte ein wichtiger Puzzlestein zur Entschlüsselung des neuronalen Kodes sein, also der Art und Weise wie das Gehirn Informationen repräsentiert und verarbeitet.

Das Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) ist eine überdisziplinäre Forschungsinstitution zur theoretischen Erforschung von komplexen Strukturen in der Natur, die von der Goethe-Universität Frankfurt gegründet wurde und von öffentlichen Geldgebern, Stiftungen und Privatpersonen finanziert wird. Im Mittelpunkt der Arbeiten stehen neben der Hirnforschung Grundlagenforschung in Biowissenschaften, Computerwissenschaften, Chemie und Physik.

URL der Originalarbeit:
http://journals.plos.org/ploscompbiol/article?id=10.1371/journal.pcbi.1004640

Kontakt:
Prof. Dr. Jochen Triesch, Johanna Quandt Research Professor, Frankfurt Institute of Advanced Studies. Goethe Universität Frankfurt, Ruth-Moufang-Straße 1, 60438 Frankfurt am Main. Tel: (069) 798-47531; triesch@fias.uni-frankfurt.de