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Aug 25 2015
12:24

Öffentliche Veranstaltung: Über 50 Vorträge beim Ersten Frankfurter Symposium zur Comic-Forschung

Von der muslimischen Superheldin Oehera bis Hitler im Manga: „Geschichte im Comic – Geschichte des Comic“

FRANKFURT. Die Superheldin Oahera, mit der eine ägyptischen Künstlerin für den Feminismus in muslimischen Ländern streitet, Sergeant Superpower, der Amerika rettet, Spiegelmans „Maus“ als Geschichte eines Holocaust-Überlebenden, Hitler in japanischen Manga „Adorufu ni tsugu“ – die Helden der Comics machen Geschichte. „Die globale Verbreitung von Geschichtsbildern gewinnt in der Erzählform des Comic häufig eine besondere Brisanz und befördert den grenzüberschreitenden Austausch zwischen Regionen und Kultur weltweit“, so der international renommierte Comic-Forscher, Dr. Bernd Dolle-Weinkauff von der Goethe-Universität. Um diesen Spuren im Detail nachzugehen, hat der Wissenschaftler, der sich seit Anfang der 1980er Jahre mit der populären Literatur beschäftigt, 50 Comic-Spezialisten vom 4. bis 6. September zu einer öffentlichen Tagung nach Frankfurt eingeladen.

Das erste Frankfurter Symposium zur Comic-Forschung trägt den Titel „Geschichte im Comic – Geschichte des Comic“. Dolle-Weinkauff erwartet mehr als 100 Teilnehmer; die Veranstaltung steht auch weiteren Interessierten offen (Tagungsbeitrag: 20 Euro). Am Samstag (5. September) findet um 19.30 Uhr im IG-Farben-Haus, Raum 411, ein öffentliches Werkstattgespräch mit der Münchner Comic-Künstlerin Barbara Yelin statt, das Bernd Dolle-Weinkauff führt. Yelin hat zuletzt mit der Graphic Novel „Irmina“, eine vielbeachtete historisch-biografischen Erzählung um den Werdegang einer ehrgeizigen jungen Frau im Deutschland der Nazi-Zeit und Nachkriegszeit vorgelegt.

Der Kreis derjenigen, die sich wissenschaftlich mit Comics beschäftigen, hat sich in den vergangenen zehn Jahren international erheblich vergrößert. Dazu Dolle-Weinkauff: „Die Gesellschaft für Comicforschung bestand bei ihrer Gründung 2005 aus sieben Mitgliedern – 2015 sind es schon zehnmal mehr.“ Dieses Symposium ist gleichzeitig die zehnte Wissenschaftstagung der Gesellschaft für Comicforschung, in der Wissenschaftler aus den deutschsprachigen Ländern organisiert sind.

Seitdem die Graphic Novels ab den 1990er Jahren immer mehr gesellschaftliche Reputation erhielten und Eingang in die Feuilletons der Zeitungen gefunden haben, scheinen Comics auch in der Forschungsszene salonfähig geworden zu sein. „Sie werden heute nicht mehr nur als Populärkultur sondern auch als ambitionierte Literatur betrachtet“, ergänzt der Frankfurter Experte. Bei der Tagung wird es ebenso um eine Aufwertung der „hybriden Form aus Text und Bild“ gehen, wie Comic in der Fachwelt umschrieben werden. Es wird also Zeit, sich auch mit der Geschichte des Comic zu beschäftigen, die ihre historischen Wurzeln vielleicht schon in den Bildererzählungen der vorgeschichtlichen Höhenmalerei haben. Und die Wissenschaftler werden auch thematisieren, wie sich die auf Theorie fixierte Comic-Wissenschaft mit dem Faktenwissen der Sammler vernetzen kann. Nur selten treffen wissenschaftliches Interesse und Sammlerleidenschaft so zusammen wie bei dem Frankfurter Dolle-Weinkauff: In seinem Archiv, das zum Institut für Jugendbuchforschung gehört und sich im Keller des IG-Farben-Hauses befindet, lagern über 60.000 Comics und fast täglich kommen neue dazu. Auch die Erstausgabe der Mickey Mouse aus dem Jahr 1951 ist dabei.

Historische Themen und Stoffe sind in den Werken der „sequential art“ von der Antike – wer kennt nicht den aufmüpfigen Gallier Asterix? – bis in die Zeitgeschichte vertreten, wie die Vorträge während der Tagung deutlich machen werden. Eine große Zahl von Comics widmet sich Kriegsereignissen und der Erinnerung an Kriege. Einige dieser Geschichten wie „Maus“ von Art Spiegelman oder das Oeuvre von Jacques Tardi, der beispielsweise in „Grabenkrieg“ authentische Kriegserlebnisse seines traumatisierten Großvaters verarbeitet, gelten inzwischen als Meilensteine in der Weiterentwicklung dieses Mediums. Ein interessantes Thema bieten die zahlreichen Graphic Novels, die sich mit verschiedenen Aspekten der deutsch-deutschen Geschichte und der Nachwende-Gesellschaft beschäftigen. Oft modellieren Comics, wie „Treibsand“, mit ihrer Erzählweise das Erinnern, auch jenseits des erinnerungskulturellen Mainstreams.

In den Vorträgen zur Geschichte nehmen die asiatischen Comics, die Manga (Japan), Manwha (Korea) und Mahua (China) einen breiten Raum ein: So geht es u.a. darum, wie sich Intention und Diktion der Comics von der Gründung der Volksrepublik 1949 über die Kulturrevolution in den 1960er und 1970er Jahre bis zur heutigen Etablierung Chinas als Wirtschaftsmacht verändert haben. Ein Vortragender untersucht einige japanischen Manga, die die Geschichte des Landes, besonders den Zweiten Weltkrieg, und das nationale Selbstverständnis der 1970er Jahre für ein Massenpublikum aufbereiten.

Brisanten Diskussionsstoff dürfte auch der Vortrag „Keine Geschichte! Kulturkampf – in Comics“ bieten. Darin wird Dr. Ole Frahm (Berlin ) die These vertreten: „Die Geschichte des Comics lässt sich als unentwegter Kampf zwischen einer proletarischen, grotesken und einer bürgerlichen, narrativ-historischen Ästhetik begreifen, als Kulturkampf also, der bis heute zu toben nicht aufgehört hat.“

Informationen: Dr. Bernd Dolle-Weinkauff, Institut für Jugendbuchforschung, Campus Westend, Tel. 069 798 33001, dolle-weinkauff@rz.uni-frankfurt.de, Programm im Internet unter: http://www.uni-frankfurt.de/50949197/aktuelles#ComicTagung

Anmeldung: comictagung@rz.uni-frankfurt.de, Stichwort (Betreff) „Geschichte und Comic“, (Tagungsbeitrag 20 Euro)