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Mai 8 2015
11:47

Der Frankfurter Mediävist wird für seine Arbeiten über die Auswirkungen der Hirnforschung auf die Geschichtswissenschaft ausgezeichnet

Carl Friedrich Gauß-Medaille für Prof. Johannes Fried

FRANKFURT. Der renommierte Frankfurter Mediävist Prof. Dr. Dr. h.c. Johannes Fried wird heute Nachmittag in Braunschweig mit der Carl Friedrich Gauß-Medaille 2015 der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft ausgezeichnet. Der 73-Jährige erhält die Auszeichnung in Würdigung „seiner wegweisenden Arbeiten zur Umformung menschlicher Gedächtnisleistungen und ihres Niederschlags in historischen Quellen“, heißt es in der Pressemitteilung der Gesellschaft.

Den Historiker, zu dessen Forschungsschwerpunkten das Früh- und Hochmittelalter sowie die Geschichte von Bildung und Wissen mit Erinnern und Vergessen im Mittelalter zählen, beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit den Auswirkungen der Hirnforschung auf die Geschichtswissenschaft. Er ermuntert die Historiker, nicht nur zu erforschen, wie es war, sondern auch, wie Erinnerungskulturen funktionieren. Die Geschichtswissenschaft habe schriftlichen Zeugnissen allzu oft vertraut, so Fried, ohne die Erinnerungsfähigkeit der Zeugen zu überprüfen. Die Mediävisten müssten ihre Quellen ganz besonders unter die Lupe nehmen, denn häufig hätten Zeugen erst Jahrzehnte später ihre Erinnerungen aufgeschrieben. Nicht zuletzt um einen Umdenkungsprozess anzustoßen, sucht Fried auch immer wieder den Kontakt zu den Kognitionswissenschaftlern.

In seinem 2004 erschienenen Buch „Der Schleier der Erinnerung“ geht Fried intensiv auf das Problem ein, dass unser Gedächtnis für Ereignisse und Tatsachen unzuverlässig ist. In jahrzehntelanger Arbeit hat er die relevante neurowissenschaftliche Literatur zusammengetragen, die das Faktum belegt. „Kein Übersichtsartikel eines professionellen Hirn- oder Kognitionswissenschaftlers könnte zum Thema gründlicher und autoritativer sein“, schrieb der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Christoph von der Malsburg in einer Rezension. Fried schildert in seinem methodologischen Hauptwerk ausführlich verschiedene gedächtnisverfälschende Faktoren an entsprechenden Beispielen aus der Geschichte. In der Würdigung der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft heißt es: „Seine Darstellungen zur früh- und hochmittelalterlichen europäischen und deutschen Geschichte sind beispielhaft in ihrer literarischen Qualität und entfalten eine Wirkung weit über die Fachwelt hinaus. Seine innovativen Interpretationen historischer Schlüsselquellen stellen immer wieder gewohnte Sichtweisen in Frage.“

Im Herbst 2013 erzielte Fried mit einer umfassenden Biografie zu Karl dem Großen, dem berühmtesten Herrscher des Mittelalters, bei Historikern wie Geschichtsinteressierten hohe Aufmerksamkeit. Der Frankfurter Professor zieht in seinem „Opus magnum“, das ein Jahr vor dem 1200. Todestag des Herrschers erschien, alle historischen Register, spürt anhand von Quellen und Artefakten, Indizien und Analogieschlüssen Karl nach, lässt Wissen, modernste Methoden der Gedächtnisforschung und die schöpferische Intuition ineinander spielen, um ein Zeitalter und eine Herrschergestalt zum Leben zu erwecken.

Johannes Fried hat an der Universität Heidelberg Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaften studiert. Nach seiner Habilitation 1977 war er von 1980 bis 1982 Professor an der Universität zu Köln und folgte dann einem Ruf auf die Professur für Mittelalterliche Geschichte an der Goethe-Universität. Von 1996 bis 2000 war der Mediävist Vorsitzender des Verbands der Historiker und Historikerinnen Deutschlands. 1995 forschte Fried als Fellow des berühmten „Institute for Advanced Studies“ in Princeton (USA). Er ist Mitglied in zwei nationalen und zwei internationalen wissenschaftlichen Akademien. 2006 wurde er von der Deutschen Akademie für Sprache mit dem Sigmund-Freud-Preis für Wissenschaftliche Prosa ausgezeichnet, 2008 verlieh ihm die RWTH Aachen die Ehrendoktorwürde.

Die Braunschweigische Wissenschaftliche Gesellschaft ist eine traditionsreiche Gelehrtengesellschaft des Landes Niedersachsen. Sie fördert durch eigene Tätigkeit und in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen im In- und Ausland die Wissenschaften, insbesondere das Zusammenwirken von Naturwissenschaften, Technischen Wissenschaften und Geisteswissenschaften. Seit 1949 vergibt sie die Gauß-Medaille in der Regel einmal jährlich für herausragende wissenschaftliche Leistungen.