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Forschung

Okt 1 2012
17:03

Beiträge zu „Goethe und Geld“ im aktuellen Wissenschaftsmagazin „Forschung Frankfurt“ ergänzen Sonderausstellung im Goethe-Haus

Einblicke in seine Haushaltsbücher: Goethe lebte auf großem Fuß

FRANKFURT. Goethe lebte auf großem Fuß, das belegen seine akribisch geführten Haushaltsbücher aus der Weimarer Zeit. Großzügig war er, wenn es um die fürstliche Bewirtung seiner Gäste, seine zahlreichen Reisen und die Neuanschaffungen für seine Sammlungen ging. Bescheidener lebte er im engeren Familienkreis. Geprägt von den bürgerlichen Prinzipien seines Frankfurter Elternhauses war ihm die sorgfältige Kostenkontrolle immer ein Anliegen, wie die Frankfurter Wirtschafts- und Sozialhistorikerin Dr. Vera Hierholzer in ihrem Beitrag in dem soeben erschienenen Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität beschreibt.

„Forschung Frankfurt“ widmet die aktuelle Ausgabe ausschließlich dem Thema Geld; gleich drei Beträge beschäftigen sich mit „Goethe und Geld“. Neben dem Artikel über Goethes Lebensführung im Spiegel seiner Haushaltsbücher geht der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Bertram Schefold der Frage nach, ob Goethe ein tüchtiger Ökonom war. Und die Germanistin und Direktorin des Freien Deutschen Hochstifts, Prof. Dr. Anne Bohnenkamp-Renken, beschäftigt sich mit der Papiergeldszene im zweiten Teil von Goethes „Faust“; sie zeigt, dass diese Schlüsselszene jeder ökonomischen Deutung des Dramas an Aktualität nichts eingebüßt hat. „Goethe und das Geld. Der Dichter und die moderne Wirtschaft“ ist auch der Titel einer Sonderausstellung im Frankfurter Goethe-Haus, die noch bis 30. Dezember zu sehen ist und von Vera Hierholzer im Rahmen eines Kooperationsprojekts zwischen der Goethe-Universität und dem Freien Deutschen Hochstift gemeinsam mit der Stuttgarter Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Sandra Richter kuratiert wurde. Einige der Goethe’schen Haushaltsbücher sind dort zu sehen.

Etwa 25.000 Blatt umfasst der Bestand der Haushaltsbücher im Weimarer Goethe- und Schillerarchiv, bisher wurden sie noch nicht umfassend wissenschaftlich erschlossen. Doch einiges ist bereits untersucht worden. Mit wachsendem Einkommen nahmen die Hefte an Format und Dicke zu, später nutzte der Dichter und Finanzminister des kleinen Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach sogar gebundene Bücher mit vorgedruckten Spalten und verzierten Einbänden. „Zwar kontrollierte Goethe meist die Endabrechnungen, er experimentierte sogar kurze Zeit mit einer doppelten Buchführung. Allerdings führte er die Bücher aber nur selten selbst. In der Regel übernahmen dies – mit unterschiedlicher Genauigkeit – seine Bediensteten, zeitweise seine Frau Christiane, später der Sohn August“, erläutert Hierholzer.

Goethe galt als freigiebig, musste sich aber im Laufe seines Lebens immer wieder Geld leihen, in frühen Weimarer Jahren von seiner Mutter, später auch Freunden und sogar von ehemaligen Dienern. Seine Ausgaben für den Haushalt stiegen von etwa 4.000 Talern 1817 auf das Dreifache im Jahr 1832. Doch dagegen stand ein stattliches Einkommen: Im Laufe seines Lebens verdiente Goethe 120.000 Taler als Minister und 160.000 Taler aus den Honoraren für seine literarischen Werke, hinzu kamen noch das elterliche Erbe von 14.250 Talern sowie Zuwendungen des Herzogs und der Eltern, Vermögenszinsen, Theatertantiemen. Fast 80 Prozent seines Lebenseinkommens von rund 350.000 Talern gab er aus oder investierte er in seine Immobilien und Sammlungen.

Wofür nutze Goethe sein Geld? Verglichen mit anderen bürgerlichen Haushalt reiste er sehr viel: Mehr als 40.000 Kilometer hat er auf den verschiedenen Reisen innerhalb Deutschlands, nach Italien, Frankreich und in die Schweiz zurückgelegt – das kostete ihn mit Unterkunft insgesamt etwa 100.000 Taler. Aufwendig war auch die Führung seines Haushalts im Haus am Frauenplan, dort lebten vielfach Verwandte, enge Freunde wie der Kunstmaler Johann Heinrich Meyer. Außerdem mussten die zahlreichen Bediensteten bezahlt werden.

Bei Teegesellschaften, Ball- und Musikabenden und Festen wurde vom Feinsten serviert: Gänseleber, Trüffel, Kaviar, Muscheln, Lachs, Ingwer sowie Champagner und Weine. Aus ganz Europa ließ sich Goethe kulinarische Genüsse nach Weimar bringen; Lieferanten brachten regelmäßig auch Zitronen, Parmesan und Schokolade aus Italien und der Schweiz zum Frauenplan.

„Nach Vorbild seines Vaters begann Goethe schon in jungen Jahren, eine umfassende Kunstsammlung aufzubauen“, so die Frankfurter Historikerin, „gern ersteigerte er selbst oder über Mittelsmänner Kunstwerke auf Auktionen.“ Rund 50.000 Stücke umfasst diese Sammlung, darunter neben zahlreichen Gemälden, Kupferstichen und Radierungen auch Großplastiken, Gemmen, Gefäße und Schaustücke aus Ton. Außerdem baute er auch seine naturwissenschaftlichen Sammlungen konsequent aus, sie umfasste 25.000 Stücke, viele davon hatte er von seinen Reisen und Wanderungen mitgebracht.

„Besitz sah Goethe vor allem als Möglichkeit zur Bildung und Welterfahrung an, und von dieser Überzeugung war auch sein Umgang mit Geld geprägt“, resümiert Vera Hierholzer.

Informationen: Dr. Vera Hierholzer, Historisches Seminar, Professur für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Campus Westend, Tel.: (069) 798- 32620 oder 13880-256 (im Frankfurter Goethe-Haus), hierholzer@em.uni-frankfurt.de; Webseite zur Ausstellung: www.goetheunddasgeld.com

„Forschung Frankfurt“ kostenlos bestellen: ott@pvw.uni-frankfurt.de ; im Internet: www.forschung-frankfurt.uni-frankfurt.de/34831594/aktuelle_Ausgabe