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Forschung

Jun 28 2012
15:01

Bäume gewinnen die Oberhand über Gräser

Machtwechsel in der Savanne

FRANKFURT. Weite Teile der afrikanischen Savanne könnten bis zum Jahr 2100 zu Wäldern werden, wenn ein bestimmter CO2-Wert in der Atmosphäre überschritten wird. Da diese Schwelle regional unterschiedlich ist, geschieht der Wandel aber nicht überall gleichzeitig, was das Risiko einer Erschütterung des gesamten Erdsystems verringert. Die Entwicklung könnte sogar von praktischem Nutzen für den Klimaschutz sein, weil neu wachsende Wälder große Mengen an CO2 speichern. Allerdings verschwindet mit den Graslandschaften und offenen Savannen auch eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Dies geht aus einer Studie des Biodiversität und Klima Forschungszentrums und der Goethe Universität Frankfurt hervor, die heute  in der Fachzeitschrift “Nature” erscheint.

In der Savanne liegen Gräser und Gehölze im permanenten Wettstreit miteinander. Deshalb hat die Savanne viele Gesichter: tropische Graslandschaften gehören ebenso dazu wie offene Grasebenen mit vereinzeltem Gehölzbestand oder sogar mehr oder weniger dichte Wälder. Ob die Gräser oder Bäume schneller wachsen, hängt von Umweltbedingungen wie Schwankungen der Temperatur, des CO2-Gehalts in der Atmosphäre und Feuern ab. „Mit dem aktuellen CO2-Anstieg geht das Wachstum der Savannenbäume erst richtig los“, sagt Steven Higgins, Leitautor der Studie.

Der hieraus resultierende Vegetationswandel, den Higgins und Simon Scheiter in ihrer Studie modellieren, ist ein Beispiel für einen „regime shift“ ­ einen Umbruch, der durch kleine Veränderungen an den Stellschrauben des Gesamtsystems ausgelöst wird. Damit wird eine Kette von Ereignissen in Gang gesetzt, die einander verstärken, so dass sich das ganze System zunehmend schneller verändert. Die Studie ergab, dass der Savannenkomplex bereits Anzeichen eines solchen Umbruchs zeigt. „Die Möglichkeit eines ‚regime shifts‘ in einem so weit verbreiteten Ökosystem wie der Savanne rückt diese nun in den Fokus der Erdsystem-Wissenschaftler”, kommentiert Higgins.

Voraussichtlich wird dieser Umbruch in Gegenden, in denen die Temperatur klimawandelbedingt schneller ansteigt (zum Beispiel im Zentrum Südafrikas), später stattfinden, da der steile Temperaturstieg Gräser begünstigt. Diese können dadurch trotz steigender Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre länger erfolgreich mit Bäumen konkurrieren. Obwohl einzelne Gegenden also jeweils signifikante Umbrüche erleben werden, wird der Vegetationswandel über die Gesamtregion betrachtet allmählich stattfinden. „Dass so eine Erschütterung des Erdsystems durch einen abrupten, großflächigen Vegetationswandel vermieden wird, mag zunächst beruhigend klingen. Aber wir müssen uns auch bewusst sein, dass die Veränderung aus geologischer Sicht gesehen enorm schnell abläuft”, so Higgins.

Als praktische Erkenntnis für den Klimaschutz identifizieren die Autoren eine breite Zone im nördlichen Zentralafrika, in der sich bei gleichzeitiger Feuerunterdrückung  mehr Savannen zu Wäldern  entwickeln könnten. „Wenn man Projekte zur CO2-Speicherung plant, sollte man das dort tun. Der Haken daran ist, dass sich diese optimalen Zonen noch verschieben werden, wenn sich der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre weiter ändert“, erklärt Higgins. Sollten Graslandschaften und offene Savannen durch Baumsavannen oder Wälder ersetzt werden, geht zudem eine einzigartige Flora und Fauna verloren. Denn ein Anstieg des Kohlendioxidgehalts in der Atmosphäre ist ein weiterer Stressfaktor für  bereits durch Überweidung, Plantagenwirtschaft und Ackerbau stark beanspruchte Ökosysteme.

Publikation: Steven I. Higgins, Simon Scheiter (2012). Atmospheric CO2 forces abrupt vegetation shifts locally, but not globally. Nature, DOI: 10.1038/nature11238

Bilder zum Download finden Sie unter: www.bikf.de/root/index.php?page_id=152

Informationen: Dr. Simon Scheiter, Institut für Physische Geographie; LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), Campus Riedberg; Tel. (069) 798 40167; scheiter@em.uni-frankfurt.de