Dez 23 2009

Protein-Acetylierung hemmt Wirkung von Wachstumsfaktoren/Wegweisende Erkenntnisse für die Krebstherapie

Tempolimit für Rezeptor-Transport in der Zelle

22. Dezember 2009 / 289

Tempolimit für Rezeptor-Transport in der Zelle
Protein-Acetylierung hemmt Wirkung von Wachstumsfaktoren/Wegweisende Erkenntnisse für die Krebstherapie

FRANKFURT. Die Regulation von Wachstumsfaktoren zu verstehen, welche die Vermehrung und Differenzierung von Zellen steuern, ist für die Krebsforschung von besonderer Bedeutung.
Wachstumshormone entfalten ihre Wirkung über Rezeptoren, die in der Zellmembran verankert sind. Wenn außerhalb der Zelle ein Wachstumsfaktor ankoppelt, stülpt sich der betreffende Membran-Abschnitt nach innen und schnürt sich ab. In einer kleinen Blase (Vesikel) eingeschlossen wird der Rezeptor dann zu anderen Membranen innerhalb der Zelle transportiert, damit er dort die Zelle zur Teilung oder Fortbewegung anregt. Umgekehrt kann der Rezeptor aber auch lahm gelegt werden, indem er zum Lysosom transportiert und dort abgebaut wird. Um zu verstehen, wie diese beiden gegenläufigen Prozesse reguliert werden, untersuchte eine internationale Forscherkooperation, an der Wissenschaftler der Goethe-Universität maßgeblich beteiligt waren, systematisch Proteine, die für eine Wechselwirkung mit dem so genannten EGF-Rezeptor in Frage kommen. Dabei stellte sich heraus, dass die Schlüsselrolle offenbar einem Enzym zukommt, das für den Transport der Rezeptoren innerhalb der Zelle verantwortlich ist.
Der epidermale Wachstumsfaktor EGF (epidermal growth factor) ist ein Protein, das wesentlich an der Einleitung der Zellteilung beteiligt ist. Es entfaltet seine Wirkung zusammen mit einer Reihe von Rezeptoren, die als EGF-Rezeptoren bezeichnet werden. In einem ersten Schritt suchten die Wissenschaftler mithilfe Computer unterstützter Screenings systematisch nach Proteinen, die mit dem EGF-Rezeptor innerhalb der Zelle wechselwirken. Unter den 87 Proteinen, die sie identifizierten, fiel ihnen HDAC6 auf. Dieses Enzym hat einen unmittelbaren Einfluss auf den Transport der in Vesikeln eingeschlossenen EGF-Rezeptoren entlang des fein verzweigten Netzes röhrenförmiger Proteinfasern (Mikrotubuli), das die Zelle durchzieht.
„Seit dem Beginn meiner wissenschaftlichen Laufbahn hat mich die Komplexität und Dynamik dieses Transports von Rezeptoren durch die Zelle fasziniert“, erklärt Prof. Ivan Dikic vom Institut für Biochemie II der Goethe-Universität, „Der Prozess erinnert an das verflochtene europäische Eisenbahnnetz, in dem es verschiedene Steuerungsebenen, Zugmodelle und Verbindungen gibt“. In einer früheren Arbeit hatte der Forscher bereits gezeigt, dass dieser Prozess biochemisch durch die Phosphorylierung und Ubiquitinierung des Rezeptors gesteuert wird. Nun haben Dikic und seine kanadischen Kollegen einen weiteren Steuerungsmechanismus entschlüsselt: die Acetylierung von Proteinen. Das Enzym HDAC6 entfernt Acetylgruppen von den Alpha-Tubuli, einem Bestandteil der Mikrotubuli, und verhindert damit den Transport der EGF-Rezeptoren in die Zelle.
Als Beweis dafür, dass HDAC entscheidend an dem Prozess beteiligt ist, hemmten die Wissenschaftler die Aktivität des Enzyms, indem sie es phosphorylierten. Daraufhin wurden die Alpha-Tubuli stärker acetyliert und der Abtransport des EGF-Rezeptors zum Lysosom gefördert. „Für die Krebstherapie sind solche Erkenntnisse von entscheidender Bedeutung“, erklärt der junge Doktorand Yonathan Lissanu Deribe aus Adis Abeda in Äthiopien. Er war für seine Dissertation in die Arbeitsgruppe von Ivan Dikic an die Goethe-Universität gekommen und setzt seine Studien derzeit an der Universität von Toronto in Canada fort. Da EGF-Rezeptoren in Tumoren des Kopfes, Halses, bei Glioblastomen und anderen Krebserkrankungen übermäßig aktiv sind, könnte eine Kombinationstherapie hilfreich sein, die sowohl den EGF-Rezeptor, als auch das Enzym HDAC6 inhibiert.
Die Arbeit ist das Ergebnis einer interdisziplinären Zusammenarbeit, bei der die modernen Labortechnologien des Hochdurchsatz-Screenings und der Bioinformatik kombiniert wurden mit Theorie geleiteter zell- und molekularbiologischer Forschung. Beteiligt waren Gruppen des Instituts für Biochemie II und des Edinger Instituts an der Goethe Universität, des Frankfurter Exzellenzclusters “Makromolekulare Komplexe”, des Max-Planck-Instituts für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden, des Zentrums für experimentelle Bioinformatik an der Universität von Odense in Dänemark sowie zwei Gruppen der Universität Toronto.

Informationen: Prof. Ivan Dikic, Institut für Biochemie II, Universitätsklinik, Tel.: (069) 6301-5964, Ivan.Dikic@biochem2.de.

Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 von Frankfurter Bürgern gegründet, ist sie heute eine der zehn größten Universitäten Deutschlands. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungs¬universität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Rund um das historische Poelzig-Ensemble im Frankfurter Westend entsteht derzeit für rund 600 Millionen Euro der schönste Campus Deutschlands. Mit über 50 seit 2000 eingeworbenen Stiftungs- und Stiftungsgastprofes¬suren nimmt die Goethe-Uni den deutschen Spitzenplatz ein. In drei Forschungsrankings des CHE in Folge und in der Exzellenzinitiative zeigt sich die Goethe-Universität als eine der forschungsstärksten Hochschulen.

Herausgeber Der Präsident der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Redaktion Dr. Anne Hardy, Referentin für Wissenschaftskommunikation. Abteilung Marketing und Kommunikation, Senckenberganlage 31, 60325 Frankfurt am Main, Tel: (069) 798-29228, Fax: (069) 798-28530, hardy@pvw.uni-frankfurt.de.