Mai 7 2008

Wanderausstellung zum Jahr der Mathematik startet im Physikalischen Verein in Frankfurt

»Jüdische Mathematiker in der deutsch-sprachigen akademischen Kultur«

FRANKFURT. Jüdische Mathematiker spielten im deutschen Kaiserreich und in der Weimar Republik innerhalb ihres Fachs, aber auch darüber hinaus in der deutschen Kulturszene eine tragende Rolle; dies dokumentiert eindrucksvoll eine Ausstellung, die soeben im Physikalischen Verein in Frankfurt eröffnet wurde und dort bis zum 20. Mai zu sehen ist. Die Arbeitsgruppe Wissenschaftsgeschichte am Historischen Seminar der Goethe-Universität hat in Verbindung mit einem überregionalen Konzeptionsteam und dem Jüdischen Museum Frankfurt eine Ausstellung zum Jahr der Mathematik erarbeitet, die eine wichtige Lücke in der Geschichte der Mathematik des 19. und 20. Jahrhunderts schließt. Lokaler Veranstalter ist das Institut für Mathematik der Universität Frankfurt. Die Wanderausstellung wird in den nächsten Monaten auch in weiteren deutschen Städten, unter anderem in Göttingen, Hamburg, Erlangen, Bonn, Magdeburg und München, gezeigt werden.

»Unter den Exponaten finden sich etliche Stücke, die bisher die Tiefe eines staubigen Archivs nicht verlassen haben«, so Prof. Moritz Epple, Leiter der sechsköpfigen Arbeitsgruppe, die sich intensiv damit beschäftigt hat, das verstreute Wissen systematisch zusammenzuführen, um zeigen zu können, wie engagiert diese Gruppe an der zeitgenössischen Modernisierung der Mathematik mitgewirkt hat. Wichtige Vorarbeiten hat die Frankfurter Historikerin Birgit Bergmann mit ihrer 2006 abgeschlossenen Magisterarbeit geleistet, die insbesondere die bisher wenig erforschte Periode von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der Weimarer Republik 1933 untersucht hat.

Unter dem Titel »Jüdische Mathematiker in der deutschsprachigen akademischen Kultur« führt die Ausstellung wichtige Etappen von der rechtlichen und politischen Gleichstellung jüdischer Bürger im 19. Jahrhundert bis zur Verfolgung und Vertreibung im nationalsozialistischen Deutschland vor Augen. Die Wanderausstellung ist in neun Stationen gegliedert. In Station 3 wird neben den großen mathematischen Zentren Berlin und Göttingen auch die beeindruckende und zugleich bedrückende Geschichte der Mathematik an der Frankfurter Universität dargestellt, so etwa das außergewöhnliche, von Max Dehn geleitete Mathematisch-Historische Seminar, in dem die Frankfurter Mathematik-Dozenten mit ihren Studenten über viele Jahre hinweg zentrale historische Texte ihrer Disziplin im Original studierten. Die Protokollhefte des Seminars, das immer wieder Gäste aus dem In- und Ausland anzog, werden im Archiv der Universität Frankfurt aufbewahrt. Alle jüdischen Dozenten – und mithin fast das komplette Mathematische Seminar – verloren nach 1933 ihre Arbeitsmöglichkeiten. Nicht alle erreichten rechtzeitig das schützende Ausland. Dehn selbst gelang nach den Pogromen von 1938 nach einer abenteuerlichen Flucht durch ganz Europa ein Neubeginn in den USA. In seinen letzten Lebensjahren unterrichtete er Mathematik an dem avantgardistisch orientierten Black Mountain College in North Carolina, zu dessen Dozenten und Schülern einige bedeutende Künstler der Nachkriegs-USA zählten.

Eine erste Fassung der Ausstellung wurde bereits im September 2006 zur Jahrestagung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung im Poppelsdorfer Schloss in Bonn und im März 2007 im Foyer der Humboldt-Universität Berlin während der gemeinsamen Tagung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung und der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik gezeigt. Sowohl die Bonner als auch die Berliner Präsentation wurde von der Deutschen Telekom Stiftung finanziell unterstützt, die im Sommer 2007 zustimmte, auch die Neukonzeption als Wanderausstellung im Rahmen des Jahrs der Mathematik 2008 zu fördern. Das graphische Konzept für diese vollständig überarbeitete Wanderausstellung entwickelte die Firma „init: feil und hahn“, die auch die Dauerinstallation zur Geschichte des IG Farben-Hochhauses gestaltet hat. Zum überregionalen Konzeptionsteam gehören Prof. Dr. Walter Purkert, Arbeitsstelle Hausdorff-Edition der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, Prof. Dr. David. E. Rowe, Universität Mainz, Prof. Dr. Erhard Scholz, Universität Wuppertal, und Dr. Annette Vogt, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin.

Neben der Ausstellung wird auch ein Katalog und eine deutsch-englische Internetfassung erhältlich sein, die künftig auch weitere Exponate und Informationen über jüdische Mathematiker in der deutschsprachigen akademischen Kultur aufnehmen kann. Sie sind ab Herbst 2008 über die Internetseite abrufbar, die schon jetzt weitere Informationen zur Ausstellung bereitstellt: www.juedische-mathematiker.de

Informationen:
Prof. Dr. Moritz Epple, Arbeitsgruppe Wissenschaftsgeschichte, Historisches Seminar, Tel.: (069) 798 32413, epple@em.uni-frankfurt.de; www.juedische-mathematiker.de

WEITERE INFORMATIONEN

Wanderausstellung
»Jüdische Mathematiker in der deutschsprachigen akademischen Kultur«


Wann?
6. Mai bis 20. Mai 2008
Mo-Fr, So 10 Uhr bis 17 Uhr
Mi 10-20 Uhr, Sa geschlossen

Wo?
Im Foyer des Physikalischen Vereins,
Campus Bockenheim, Robert-Mayer-

Str. 2-4 Eintritt frei